Brasilien – Bericht von Josefine (Mai-Oktober)

Mit gemischten Gefühlen bin ich hier auf dem anderen Kontinent am 24.August angekommen. Am Flughafen wurde ich ganz herzlich von meiner Familie willkommen geheissen. Dann gab es erstmal einen grossen Trubel, weil ich und eine andere Austauschschülerin, die mit mir geflogen ist, gleich zu einem Inboundtreffen weiter sollten. Als wir dort nach einer Stunde Autofahrt angekommen sind durften wir gleich am ersten Wochenende einen der schönsten Strände hier geniessen in Porto de Galinha. Mit lauter Informationen, neuen Gesichtern und Eindrücken ausgestattet bin ich dann am Sonntag Abend bei meiner Familie angekommen. Wieder gab es erstmal grossen Trubel und viele Fragen. Nachdem ich mich auch an den brailianischen Englischakzent gewöhnt hatte klappte die Kommunikation auch recht gut. Zu meiner Familie die ich schon jetzt richtig in mein Herz geschlossen habe und froh bin, dass ich höchstwahrscheinlich das ganze Austauschjahr mit ihnen verbringen darf.

Wir sind insgesamt 7 Personen im Haushalt, d.h. ich ersetze sozusagen die 15jährige Luana, die ein Jahr in Kanada verbringt. Leider konnte ich sie nicht mehr kennenlernen, denn sie ist genau an dem Tag abgeflogen, an dem ich angekommen bin. Ansonsten hab ich einen grösseren Bruder, Lucio (20Jahre), der gerade mit seinem Medizinstudium beschäftigt ist. Alle meine anderen Geschwister hier sind jünger. Luna Maria ist die Kleinste, sie ist 7 Jahre alt, und ist die Lebhafteste hier. Sie kann ganz lieb sein, aber wenn sie ihren Willen nicht bekommt, dann wird sie zornig und dann ist man für eine Weile dumm, langweilig, blöd etc.; mehr Schimpfwörter kennt sie noch nicht und ich auch nicht! :o) Sie kann schon ganz schön anstrengend sein. Aber schon nach einer Minute hat sie meist alles vergessen und die Welt ist wieder in Ordnung. Der Zweitjüngste ist dann das ganze Gegenteil, Lukais (10Jahre) ist ziemlich ruhig und beschäftigt sich am liebsten mit sich allein. Aber jetzt mit der Zeit kommt er schon öfters auf einen zu und will mit mir reden. Dann ist da noch Miguel (13Jahre), der auch ziemlich bockig sein kann, wenn er will. Seine grösste Leidenschaft ist schwimmen, was er „professionell“ betreibt. Das sich hier jeder mit Fussball beschäftigt brauch ich glaube ich nicht extra erwähnen. Ständig soll ich irgnedwelche Fragen zum Fussball beantworten. Meistens stellen sie gar keine Fragen, sondern stellen nur beim Satz: „Ah du bist Deutsche!“ fest, dass Brasilien Deutschland im Finale geschlagen hat und warten dann auf eine Antwort. Ich weiss dann meist nicht, was ich sagen soll, denn „Brasilien ist Weltmeister!“ ist ja keine Frage.

Ansonsten klappt es aber schon ganz gut mit der Kommunikation und ich freu mich jedesmal, wenn ich ein paar Sätze zusammen bekomme, die mein Gegenüber sogar versteht. Wenn man etwas liest ist das brasilianische portugiesisch meiner Meinung nicht so schwer zu verstehen, da viele Wörter dem englischen ähnlich sind oder Fremdwörter sind. Nur die richitge Aussprache ist verdammt schwierig. Mache Wörter klingen für mich gleich. Ich find den Unterschied in der Aussprache irgendwie nicht raus, aber da helfe ich mir immer mit Händen und Füssen aus.

Die Schule ist auch ein guter Ort um die Sprache zu lernen, und ich bin schon richtig stolz auf mich, dass alle dort nur noch auf portugiesisch mit mir reden und ich sie meist auch verstehe, solange sie nicht ganz schnell und undeutlich sprechen. Ich bin hier auf einer Privatschule mit 65 Schülern in meiner Klasse. Ich besuche die Segundo Ano, was das Vorletzte Schuljahr hier ist. Meine Klassenkameraden sind alle so um die 15 Jahre herum und deswegen geht es dort immer ziemlich laut zu, v.a. in der Pause. Da man mit 15 ausserdem in einem Alter ist, in dem man beweisen muss, wie cool man doch ist, weiss sich der Lehrer meistens nicht anders zu helfen, als die „Störenfriede“ vor die Tür zu schicken. Dort wird dann aufgeschrieben wann, wer, wieso sich dort befindet. Wenn man genug „Straftaten“ gesammelt hat, wird man dann für ein paar Tage von der Schule suspendiert, was die Schüler dann nicht mehr so lustig finden. Ich versuche auch besonders schnell die Sprache so gut wie möglich zu lernen, damit ich veilleicht nach Weihnachten ein paar Kurse auf der Uni belegen kann, denn das was sie in der Schule unterrichten kenne ich alles schon. Der Potrugiesischkurs, den ich an der Universität besuche wird mir da hoffentlich auch weiter helfen mit der Grammatik zurecht zu kommen.

Auf das Wochenende freue ich mich schon Montags, weil man dort immer viele neue und alte Bekannte trifft und sich unterhalten kann und mehr über das Land, die Stadt und die Kultur lernt. Solange ich immer beschäftigt bin und mit der Heimat über e-mail kommunizieren kann, komme ich auch gar nicht richtig dazu allzu sehr Heimweh zu haben. Manchmal ist es zwar mal schlimmer, aber meine Freunde, die ich hier habe, lenken mich dann ab.

Zur Zeit bin ich zum zweiten mal wieder krank und verbringe die Woche zu Hause. Das erste mal hatte ich ja nur eine kleine Grippe von der Klimaanlage, aber jetzt ging es mir so richtig schlecht mit meiner akuten Mandelentzündung. Da sind wir auch mal zu einem Arzt gegangen, der mir dann Antibiotika und weiteres verschrieben hat, was nun langsam anfängt zu wirken. Aber alles hat seine guten und schlechten Seiten, nun habe ich ja das Schlimmste überstanden und konnte die Gelegenheit wenigstens nutzen um schonmal wieder ein bisschen das abzuspecken was mir meine Gastmutti angefüttert hat. Ständig werde ich umhegt und gepflegt mit essen und soll das doppelte Verdrücken, was ein normal Sterblicher essen kann. Aber nachdem ich jetzt (fast) alles probiert habe von dem leckeren brasilianischen Essen, kann ich wieder normal essen und mal wieder so etwas wie Hungergefühl entwickeln. Vom Essen hier schmeckt mir fast alles, ausser die brasilianische Schokolade, die schwarzen Bohnen, und diese komischen Mischungen von Fleisch und Zucker oder Pizza mit Schokolade belegt. Darauf kann ich gerne verzichten. Aber dafür wöllte ich nicht mehr auf das leckere Obst und die Kokosnüsse verzichten. Hab mir schon zu meinem Geburtstag statt Schokolade Obst gewünscht. :o) Das ist mindestens genauso süss. Die Musik hier gefällt mir auch recht gut und ich bemühe mich jetzt gerade den für hier ganz beliebten Tanz zu „Forrò“ zu lernen, das hier an jeder Ecke, aus jedem Autoradio und in jedem Shop kommt. An einem Wochenende war ich mal bei einem Konzert von ein paar brasilianischen Punkbands. Ich hab zwar (fast) kein Wort verstanden, aber eine Band war richtig gut soweit ich das beurteilen kann.

Mein Stadtviertel in dem ich lebe ist eines der reicheren hier, auch wenn meine Familie (glücklicherweise) nicht zu der Oberschicht gehört. Trotzdem kann man nicht übersehen, dass es hier auch genug Menschen gibt, die nicht wissen, wo sie Geld für Essen und Trinken auftreiben sollen. Die Gegensätze, welche man manchmal sieht sind schon extrem. Da versteht man sofort, warum Deutschland als Wohlstandsstaat bezeichnet wird.

Zusammengefasst fühle ich mich hier wohl, auch mit meinem bisschen Heimweh. Brasilien ist ein grossartiges Land mit grossartigen Menschen, aber auch vielen Problemen, die man nicht übersehen kann. Da meine Stadt aber nicht zu den Millionenstädten zählt mit ihren rund 600.000 Einwohnern, ist es zum Beispiel mit der Kriminalität noch nicht so schlimm, dass man nachts nicht mehr auf die Strasse gehen kann. Ich bin schon sehr gespannt, wie die Wahl am 6.Oktober ausfällt, denn das ist hier z.Z. das Thema Nummer Eins. Rund um die Uhr wird man mit Werbetexten, Namen und Nummern „informiert“aus allen Radios, alle Fernsehsender, auf der Strasse etc.

Im Anhang ist ein Bild von meiner Stadt, João Pessoa.

Liebe Grüsse, Josefine

Toro

by Josefine Schwer

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