Estland – 2. Bericht von Caroline

Liebe Familie, liebe Freunde, sehr geehrte Rotarier,
nun ist es schon wieder Zeit meinen zweiten Quartalsbericht zu schreiben. Die Zeit vergeht leider viel zu schnell, Halbzeit ist nun schon überschritten. Trotzdem werde ich die Zeit, die mir noch bleibt, in vollen Zügen geniessen.
In den letzten drei Monaten hatte ich viele schöne Erlebnisse. Ich versuche sie nun einmal kurz und wenig ausschweifend zu berichten.

Die Adventszeit habe ich hier in Estland viel intensiver wahrgenommen als in Deutschland. Einige Gründe dafür sind der Wegfall des vorweihnachtlichen Stresses (Schule, Konzerte, Geschenke) und andererseits die Wetterverhältnisse. Seit ca. Ende November haben wir fast durchgängig Schnee liegen und es wurde auch sehr selten über 0 Grad warm.
Ich habe mich sehr auf Weihnachten gefreut und die Vorfreude war seit dem 1.12. da. Am 6.12. kamen ja schon meine Weihnachtspäckchen. Einige durfte ich schon vor Weihnachten öffnen, aber die meisten mussten doch noch warten. Auf meinem Fensterbrett habe ich dann alle Geschenke aufgestellt und mich jeden Tag erinnert, dass Weihnachten immer näher rückt.

Weihnachten war dann anders als erwartet. Ich musst das erste Mal in meinem Leben auf einen Gottesdienst am Heilig Abend verzichten. Das war ungewohnt und mir fehlte etwas Wichtiges an diesem Tag. Es gab ein grosses Festessen und danach kam der „Weihnachtsmann“, dem wir alle etwas aufsagen oder vorspielen mussten um unsere Geschenke zu bekommen. Für jeden gab es genau zwei, nicht mehr und nicht weniger. Auch das war eine neue Erfahrung. Mein Warten hatte nun ein Ende und ich konnte die Geschenke aus Deutschland auspacken. An den Feiertagen haben wir gar nichts gemacht. Jeder war mit sich selbst beschäftigt.

Auch Silvester verlief nach dem Muster der Feiertage. Bis zum Abendbrot passierte nichts. Und dann passierte bis 23.30 Uhr wieder nichts. Zwei meiner Gastgeschwister sind ins Bett gegangen, so haben wir dann nur zu viert auf das neue Jahr angestossen. Danach sind wir zu Freunden gefahren und waren dort noch zwei Stunden.

Am 1.1. war dann der grosse Neujehrsempfang meines gastgebenden Rotaryclubes. Es waren auch einige Mitglieder des Hansa Rotaryclubes aus Tartu vertreten. Das ist ein reiner Frauenrotaryclub. Der Empfang war etwas stressigAnschliessend an die Reden gab es noch ein geselliges Beisammensein und auch für das lebliche Wohl wurde gesorgt.

Wie schon angesprochen hatten wir Austauschschüler aus Estland eine kleine Reise durch das Land. Wir haben zum Grossteil den Norden und Osten kennen gelernt und viele Herrenhäuser, Burgen und fantastische Naturplätze besichtigt. Die Tour war sehr schön um die anderen Austauschschüler kennen zu lernen, die sich allerdings schon untereinander kannten. Wir zwei aus Deutschlandsind im selben Club und es gab ein paar Probleme (nicht wegen uns, sondern die Probleme waren zwischen dem Distriktcounsellor und unserem Club). Normalerweise hätten wir am 7. August in Helsinki anreisen müssen, da dort ein Einführungscamp war für alle Austauschschüler in unserem Distrikt. Das haben wir leider verpasst. Im Oktober sind wir für 1.5 Tage nach Helsinki gefahren. Dort haben wir dann die anderen Austauschschüler aus Südfinnland getroffen. Leider hatten wir nur sechs Stunden Zeit um die anderen zu sehen. Dann ging schon die Fähre zurück nach Tallinn. Das Reisen nach Finnland ist uns aber verboten worden. Ebenso dürfen die Austauschschüler aus Finnland nicht nach Estland kommen. Nächste Woche treffen wir uns alle in Lappland wieder. Dort werden wir für ein paar Tage Winterurlaub machen (Skifahren und andere Aktivitäten im Schnee).

Für 12 Wochen habe ich bei der ersten Gastfamilie gelebt. Die Eltern haben viel mit mir unternommen und waren sehr freundlich. Meine älteren Gastgeschwister habe ich bedauerlicherweise nur selten zu Gesicht bekommen. Dafür habe ich viel mit meiner kleinen Gastschwester gemacht, da sie oft alleine zu Hause war.
Der Abschied viel mir nicht leicht, aber ich habe mich sehr auf die neue Familie, wo ich schon fast alle kannte, gefreut. Ich bin nun seit einer Woche hier und mir gefällt es hier besser als in der ersten Familie. Hier interessieren sich meine Eltern und die drei Geschwister für mich und Deutschland. Ich kann viel erzählen und Fotos zeigen.
Hier spüre ich, dass das Familienleben wichtig ist, wie ich es in allen Estlandführern gelesen habe. Vielleicht liegt das auch ein bisschen daran, dass ich nun die Älteste bin. Meine Geschwister sind 15,14 und 7 Jahre alt.
Mir gefällt es jedenfalls sehr gut in der neuen Familie und auch hier war ich seit dem ersten Augenblick an ein volles Familienmitglied. Ich werde, so wie es aussieht, vier Familien haben.

Im Januar hatte ich dann noch einen Unfall beim Schlittschuhlaufen. Allerdings war ich nicht daran Schuld. Direkt vor mir ist ein kleiner Junge gestürzt, weil manche Jugendliche auf dem Eis so entsetzlich rasen müssen. Der Junge ist gestürzt und mir zwischen die Beine gerutscht. So schnell konnte ich aber nicht ausweichen.
Ich bin geradewegs auf mein Knie gestürzt. Nur mit Müh und Not konnte ich mich von der Eisbahn schleppen. Ich konnte fast nicht mehr laufen und es folgte auch gelich noch ein Besuch der Notaufnahme. Glücklicherweise war ncihts gebrochen, aber ich konnte trotzdem fast eine Woche nicht richtig laufen. Da habe ich die meiste Zeit im Bett gelesen und mich gelangweilt, weil ich vor Schmerzen nicht viel machen konnte. Inzwischen geht es mit dem Knie wieder einigermassen, aber so wie früher ist es nicht.

Im Januar gab es aber auch noch eine weniger schöne Erfahrung – die Kälte. Wir hatten -30 Grad und da tat die Kälte einfach nur noch weh. Auch das Eincremem im Gesicht half da nicht viel. Die Schulen wurden zum Grossteil geschlossen. Mit -20 Grad kann ich inzwischen gut leben, da spüre ich die Kälte nicht, aber -30 Grad waren und sind zu viel. Leider muss ich mich schon wieder für die nächste Kältewelle wappnen. Für den Anfang sollen es erst einmal nur -20 Grad werden. Ich hoffe, es wird nicht mehr.
Langsam könnte der Frühling nun kommen. Wenn es kalt ist, haben wir auch strahlenden Sonnenschein und blauen Himmel. Trotzdem sehne ich mich nach dem Frühling. Vier Monate Schnee waren wunderschön, aber mir reicht es jetzt langsam. Leider sieht es gar nicht nach Frühling aus. Es fällt eher immer mehr Schnee.

Im Februar gab es bisher zwei grosse Höhepunkte. Einmal waren das die Olympischen Winterspiele in Torino. Die Esten schauen sich sich mit Leib und Seele im Fernsehen an. Viele lassen sich sogar krank schreiben, damit sich nichts verpassen. Die Esten haben nun drei Goldmedaillen gewohnen, für so ein kleines Land ist das super. Im Radio sind die Reporter fast durchgedreht, als Kristina ?migun die erste Goldmedaille holte. Fremde Menschen haben sich auf der Strasse zur Medaille gratuliert.
Ich freue mich für die Esten, aber trotzdem fieber ich mit den Deutschen mit. Deutschland wird dieses Jahr das Land mit den meisten Erfolgen sein – da kommt doch Stolz für das Heimatland auf. Ich sehe nun mit Spannung den letzten Entscheidungen entgegen und ehute Abend der Abschlusszeremonie.

Im letzten Rotarymeeting haben wir im Fernsehen die Olympischen Winterspiele verfolgt, weil der Favorit der Esten dabei war. Es gab auch eine Goldmedaille für sie Esten und für die Rotarier ein Glas Sekt aufs Haus. Deutschland erreichte aber auch eine Bronzemedaille.

Meine beste Freundin war nun für 10 Tage mich in Estland besuchen. Es war eine schöne Zeit. Leider haben wir nicht so viel gesehen, wie ich ihr eigentlich hätte zeigen wollen. Ich habe durch den Besuch kein Heimweh bekommen. Ich war einfach nur stolz jemandem meine neue Heimat zu zeigen und warum ich so verliebt in dieses Land bin.

Anfang Februar habe ich nun die Gastfamilie gewechselt. Ich bin jetzt in meiner dritten Familie. Meine Gastgeschwister sind alle schon erwachsen und leben nicht mehr hier. Dafür habe ich hier eine Katze, die von ganz lieb auf ganz böse in einer Sekunde umschalten kann. Da kann ich meine Reaktionsfähigkeit testen, da sie dann beisst. Allerdings hat sie mich schön öfter gebissen. Ich hoffe nur, dass die Bisse keine bleibenden Spuren hinterlassen.

Zur Zeit bin ich eine Woche alleine zu Hause, da meine Eltern zum Skifahren sind.

Ich kann noch eine erfreuliche Nachricht verkünden. Im Januar hatten wir den Abschlusstest unseres ersten Estnischkurses und ich hatte die beste Arbeit mit 94,5 von 100 Punkten. Da habe ich mich gefreut. Allerdings gibt es immer noch so viel zu lernen. Estnisch ist eben doch eine Sprahce für sich und sehr anspruchsvoll.

Das war es nun erst einmal von mir. Viele Grüsse aus Estland sendet Ihnen/euch allen
Caroline

by Anna Caroline Haubold

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