Argentinien – Bericht von anonym

Sehr geehrte Rotarier und Rotariarinnen,
bevor ich meinen ersten Quartalsbericht vorlegen werde, moechte ich mich noch einmal herzlich fuer die mir von Ihnen gegebene Chance eines Austausches bedanken. Denn ich kann schon jetzt sagen, dass dieses Jahr eines der besten in meinem Leben sein wird.
Ich lebe zur Zeit in Maipú, einer Satdt mit rund 30 000 Einwohnern, die in der Provinz Mendoza liegt und auch nicht weit entfernt von deren gleichnamigen Hauptstadt ist. Mendoza befindet sich nahe der Grenze zu Chile die, die imposanten Anden bilden. Es ist sehr trocken und heiss hier, deshalb wird die gesamte Stadt kuenstlich bewaessert. Vereinzelt gibt es sogar Palmen, besonders im Zentrum von Mendoza. Wenn man rund um Mendoza faehrt, entdeckt man viele Weinfelder, denn Mendoza ist weltweit bekannt fuer seinen wunderbaren Wein.

Mit meiner Familie, das sind die Eltern Mimí und Héctor, Martin, mein gleichaltriger Gastbruder, sowie Tamara, die selbst einen Austausch mit Rotary nach Gelsenkirchen gemacht hat, komme ich bestens aus. Und nach anfaenglichen Verstaendigungsschwierigkeiten kann ich schon ganz gut mit ihnen kommunizieren. Das Familienleben klappt sehr gut und ich fuehle mich sehr wohl. Es gibt immer etwas zum lachen, auch wird immer nach gefragt wie es einem ergeht und es wird viel erzaehlt. Die Familie im Allgemeinen ist von grosser Bedeutung, hier wie in ganz Lateinamerika. So trifft man sich an den Wochenenden um gemeinsam asado zu machen und um zu schwatzen (asado ist das argentinische Grillen, wobei das verschiedene Fleisch, meist jedoch Rindfleisch, auf der Glut des Holzes gegrillt wird, das verleiht dem Fleisch ein einzigartiges Aroma und ist unglaublich lecker) und um mate zu trinken (neben dem asado ist das mate trinken eine weitere ueberlieferte Tradition der gauchos, den argentinischen „cowboys“, den Viehtreibern, die es heute nur noch in der Literatur gibt. Dennoch werden die modernen Viehtreiber noch heute oftmals gauchos genannt). Neben dem asado gibt es noch zahlreiche andere typische argentinische Gerichte, wie die empanadas, gefuellte Teigtaschen bei deren die Fuellung von Provinz zu Provinz unterschiedlich ist, mit Hackfleisch oder Huehnchen beispielsweise, ausserdem pastel de papas (Hackgleischauflauf mit Kartoffelpuree), lomos (Sandwiches mit Rindfleisch und Fladenbrot), tarta (herzhafter Kuchen aus Blaetterteig mit Schinken und Kaese oder Spinat) und natuerlich dulce de leche (eine Art Karamelcreme, die auch fuer Gebaeck genutzt wird) und flan (Karamelpudding).
Der verstaendigungshalber besuche ich jeden Tag einen Spanischkurs und lerne zusammen mit anderen Austauschschuelern aus den USA, Japan, Ungarn, Niederlanden, Berlgien, Oesterreich und auch aus Deutschland. An den Freitagen haben wir meist eine Exkursion, so waren wir schon in einer Olivenoelfabrik, in einem Kunstmuseum, in einer Artesanía (handgemachte Keramik, Ledersachen, Stoffe etc aus ganz Lateinamerika), haben Wein verkostet und Mendoza besser kennen und dabei neues Vokabular erlernt und angewendet.
Ich besuche dieselbe Schule wie mein Gastbruder. Diese Schule ist auf Wirtschaft spezialisiert, so dass wir neben dem Fach Wirtschaft, ausserdem noch Recht, Politik, und Buchhaltung haben. Die dazu gehoerigen Fachbegriffe zu verstehen, faellt mir noch schwer, aber von Tag zu Tag wird es besser.
Wir sind 32 Schueler in einem Kurs und am Anfang fiel es mir schwer zu verstehen, dass die meisten Schueler nicht daran interessiert sind etwas zu lernen und oftmals ist es auch ziemlich laut. Das finde ich eigentlich etwas schade, es scheint hier aber normal zu sein. Weiterhin wird jeden Morgen die Flagge Mendozas gehisst, was fuer mich auch sehr neu war. Denn alle Klassen stehen geordnet auf dem Hof und in den Sekunden, in denen die Flagge gehisst wird, wird ruhig dagestanden und danach aplausiert. Auch muessen wir alle eine Schuluniform tragen. Die Maedchen tragen ein graues kariertes Kleid und ein weisses Hemd oder T-shirt, mit roter Kravatte und auch rotem Pulover, sowie weisse Kniestruempfe und spezielle Lederschuhe. Die Jungen tragen graue Hosen und weisse T-shirts oder Hemden mit roter Kravatte und auch Lederschuhe. Wir beginnen unseren Schulalltag etwa 7:45 und beenden ihn zwischen 12 Uhr und 13:45. Die Schule ist nicht weit entfernt, so dass mein Gastbruder und ich den Bus nehmen koennen und morgens von meiner Gastmutter hingebracht werden. Nach einem normalen Schultag, essen wir gegen 2 Uhr Mittag, danach habe ich noch kurz Zeit auszuruhen und muss dann auch schon wieder erneut einen Bus nehmen, der mich in das Zentrum von Mendoza bringt. Dort habe ich dann meinen Spanischkurs. Neben dem Spanischkurs habe ich auch mit einem Englischkonversationskurs begonnen, zusammen mit meinen Gastgeschwistern und deren Freunden besuchten wir diesen 2X woechentlich. Wir haben ihn jetzt aber abgeschlossen, da die Mehrheit nicht genuegend Zeit hatte.
Bisher hatte ich nur ein Treffen mit meinem lokalen Rotaryclub in meiner ersten Woche hier. Die meisten Rotarier sind etwa ueber 50 Jahre alt und es gibt nur eine Frau. Die zahlreichen Bilder und Wimpel, die die Waende des Clubrauems schmuecken, lassen darauf schliessen, dass Rotary schon seit langem in Maipú etabliert ist. Auch weisen zahlreiche Rotaryraeder in Ortseingaengen oder auf besonderen Plaetzen daraufhin, dass Rotary hier sehr bekannt ist und sich oeffentlich praesentiert.

 

Wir hatten schon ein Orientationcamp mit allen Austauschschuelern des Distriktes und wir besuchten den Rotaryclub in El Quisco/Chile, jeweils fuer ein Wochenende.
Argentinien ist ein wunderschoenes, grosses beeindruckendes Land, mit einer Vielfalt an Landschaftsformen. Wir haben schon zahlreiche Ausfluege gemacht, so war ich schon mit meiner Familie in Potrerillos, Uspallata (in den Anden) und im valle de la luna (Mondtal)in San Juan, so wie in der Provinz La Rioja. Ausserdem haben alle Austauschschueler unseres Dirtriktes eine Reise in den Sueden Argentiniens unternommen. Dabei haben wir unter anderem in Puerto Madryn Wale gesehen, sind Gletscherwandern gewesen, haben Robben und Pinguine beobachtet und sind von Rio Gallegos aus nach Ushuaia, der suedlichsten Stadt der Welt geflogen. Feuerland war atemberaubend schoen. Wir sind mit einem Catamaran gefahren und haben die umliegenden Inseln erkunden koennen, ausserdem sahen wir den suedlichsten Zug der Welt und waren letztendlich an dem Punkt, den man als offiziellen letzten Punkt anerkennt, eine Passeintragung reicher (Ushuaia, fin del mundo- Weltende ) flogen wir nach 3 Tagen Aufenthalt wieder auf das Festland und besuchten noch andere schoene Staedte, waren raften, trekking, sandborden etc. Jetzt sind wir alle wieder zu Hause und koennen es gar nicht richtig fassen, was wir alles sehen und erleben durften. Und selbst noch nach 3 Monaten faellt es schwer, es zu realisieren, wo man sich gerade befindet und was man alles gesehen hat und noch sehen wird. Und auch wenn manchmal ein Moment kommt, in dem man sich wuenscht zu Hause zu sein, um mal wieder mit seiner wirkliches Familie sprechen zu koennen, bin ich so froh hier zu sein. Denn man kann nicht nur eine voellig andere Sprache erlernen und perfektionieren und eine voellig andere Kultur sowie verschiedene Leute kennen lernen, sondern auch selbststaendiger werden und sich selbst mehr zutrauen. Denn in einem Land scheinbarer Unorganisiertheit (im Vergleich zu Deutschland) kann die Suche nach einer gekennzeichneten Bushaltestelle zum Marathon werden. Aber Zeit scheint auch hier nicht von grosser Bedeutung zu sein, denn man muss immerzu warten und die verlorene Zeit wird nicht als solch eine angesehen und Unpuenktlichkeit gehoert zum guten Ton. Die argentinischen Maenner machen ihren Ruf alle Ehre, besonders wenn man blonde Haare und noch dazu blaue Augen hat, wird einem permanent hinterher gepfiffen und man bekommt anzuegliche Komplimente zu hoeren. Das stoert mich aber nicht weiter, da ich 1. gottseidank keine blonden Haare habe und die Bemerkungen teilweise nicht verstehe. Galant sie zu ueberhoeren ist hierbei wohl die beste Variante. Aber auch an das gewoehnt man sich und man lernt damit umzugehen. Die Zeit verfliegt so schnell, schon sind 3 Monate vorrueber. Man befindet sich in einem staendigen Gefuehlschaos, einerseits freut man sich Familie und Freunde mal wieder sehen zu koennen, anderseits wuenscht man sich, dass dieses Jahr nie enden wird, weil es so schoen ist. An dieser Stelle moechte ich mich noch einmal bei meinem Rotaryclub Riesa- Elbland sowie bei Freunden und Bekannten, aber ins besonderem bei meiner Familie bedanken, die mir das alles ermoeglicht haben und mich unterstuetzen, wann immer ich Hilfe brauche, auch ueber so eine grosse Distanz hinweg.

Liebe Grüße
anonym

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