Indien – Bericht von Sebastian

Am 8.Juli 2005 stand ich dann also am Flughafen fuer meinen Flug nach Frankfurt. Es hiess Abschied nehmen, aber es war auch der Beginn eines neuen und spannenden Lebenabschnitts. Nach zwei ausfuehrlichen Orientationen und sonstigen Vorbereitungen, war es dennoch ein Schritt in eine mir voellig fremde Welt. Zu dem wusste auch nichts ueber meine Gastfamilie, da sich eine Woche bevor meiner Abreise herraustellte, dass meine eigendliche Gastfamilie mich aus organisatorieschen Gruenden nicht aufnehmen kann. Das einzige was ich ich wusste war, dass mein Cousellor, Mr. Hemant Shah, mich in Nagpur erwarten wuerde.

In Frankfurt angekommen, vergass ich erstmal all meine Gedanken , die mir auf dem Flug von Dresden nach Frankfurt gemischte Gefuehlte bereitet hatten, da ich auf der stressigen Suche nach dem Gate fuer den Flug nach Bombay war, das sich geaendert hatte. Nach einer langen Suche mit verwirrenden Auskuenften verschiedener Leute, fand ich dann schliesslich das richtige Gate, wo ich die anderen Rotary Exchange Students aus Deutschlan traf, die wie ich ebenfalls auf dem Weg nach Indien waren. Nach einem langen und schlaflosen Flug kamen wir dann schliesslich um 1 Uhr nachts in Mumbai an. Dort trennten sich unsere Wege, da all die anderen Schueler nach Mumbai oder Pune gingen und sie daher nicht mehr fliegen mussten. Nur Konstantin musste wie ich auch nach Nagpur. Der hat mich aber auch verlassen, da er sich in der 5 stuendigen Wartezeit mit Verwandten seiner Gastfamilie ausserhalb des Flughafens getroffen hat. Also msste ich mich alleine auf eine Odysse durch Mumbais Flughafen begeben. Diesen Teil der Reise hatte ich mir nie so schwierig und schweisstrebend vergestellt, da ich einen normalen und ausgeschilderten Flughafen erwartet hatte. Dem war aber nicht so. So irrte ich durch schmuddlige Hallen und Gaenge und versuchte in irgendeiner Weise mit den hindisprechenden Zollbeamten zu kommunizieren. Aber irgendwie fand ich dann doch noch mein Gate nach Nagpur, wo ich dann wieder Konstantin traf und schliesslich sehr froh ueber meine 5 Stunden Wartezeit war. Auf dem einstuendigen Flug nach Nagpur mit Indian Airlines konnte ich dann endlich ein wenig Schlaf finden.

In Nagpur wurden wir dann herzlichst von unseren Gastfamilien und Rotary Clubs in Empfang genommen. Auf der Autofahrt vom Flughafen zu meinem zukuenftigen Heim, habe ich festgestellt, dass Indien wirklich so ist, wie es mir erzaehlt wurde. Ueberall liegen Kuehe auf der Strasse herum und der Verkehr ist haarstraeubend!!Doch das sollte nicht mein einziger Eindruck von Indien bleiben.

Ich wohne hier mit der Familie Mate. Mein Gastvater besitzt eine Fabrik fuer Fahrzeugfederungen und mein Gastmutter ist gelernte Aerztin, aber zur Zeit als Hausfrau zu Hause. Neben den Gasteltern, die Mitglieder im Rotary Club sind, habe ich noch zwei Gastbrueder, wobei Neeraj, der in meinem Alter ist, am 16. August in die USA fuer ein Auslandsjahr geflogen ist. Daher sind Nisarg, der vor zwei Monaten seinen 20. Geburtstag gefeiert hat, und ich im Moment die einzigen Kinder im Haus. Das Haus (oder besser gesagt: RiesenVilla) indem wir wohnen steht am Rande der Stadt, ist aber dennoch sehr nah zum Stadtzentrum. Wie jede normale indische Familie haben wir Haushaltshilfen, die sich um den Garten, die Waesche, die Kueche und das allgemeine Saeubern des Hauses kuemmern. Sprich eigendlich um Alles. Daher sitzt auch meine Gastmutter die meiste Zeit vor dem Fernseher, da sie nichts zu tun hat. Sie darf aber auch nicht aus traditionellen Gruenden Arbeit aufnehmen. Aber dennoch ist jede indische Hausfrau sehr stark davon ueberzeugt, dass sie sehr viel zu tun hat. Ich habe eine sehr gute beziehung zu meiner Gastfamilie und ich habe mich schon lang eingelebt. Auch das Essen bereitet mir keine so grossen Probleme mehr, aber am Anfang war die Umstellung zum Scharfen doch sehr heftig. Am Wochenende gehen wir manchmal abends aus zum Essen oder wir sind bei Verwandten eingeladen. Meine Gastfamilie hat auch ausserhalb der Stadt ein Farmhaus, welches wir auch ab und zu besuchen.

Nagpur, was Stadt der Schlangen bedeutet, ist das exakte Zentrum von Indien. Es ist eine 3 Mio. Stadt, aber keineswegs vergleichbar mit einer Millionenstadt in Europa. Denn wir haben hier nicht einmal einen McDonald`s, was glaube ich alles sagt. Aber Nagpur eine der saubersten Staedte in unserem Staat (es schmerzt das wort SAUBER in diesem Zusammenhang zu benutzen) und eine der gruensten Staedte Indiens, was man gerade in dieser Jahreszeit geniesen kann. Im Winter wird die Regierung vom Staat Maharashtra, die eigendlich in Mumbai sitzt, nach Nagpur verlegt.

Hier in Nagpur sind ausser mir noch 4 weitere Rotary Exchange Schueler: Konstantin aus Hamburg, Matt aus den USA, Larissa aus den USA und Ted ebenfalls aus den USA. Im ersten Monat war noch eine weitere Schuelerin aus den USA in Nagpur, sie ist aber nach einem Monat wieder nach Hause geflogen, da sie sich auf Grund einer schlechten Erfahrung nicht mehr sicher in Indien gefuehlt hat.

Zusammen lernen wir seit August Tabla, die indischen Trommeln, mit unserem Lehrer Ravi und seit 3 Wochen haben wir auch regelmaessigen Hindiunterricht. Wir 5 Austauschschueler bilden einen sehr engen Freundeskreis.

Seit dem ersten August besuche ich hier das katholische Saint Francis de Sales` College in der section „Arts“. Da ich in Deutschland dann sowieso die 11 Klasse wiederholen muss, hat der Schulleiter mich in das erste Jahr Senior College gesteckt. Das heisst, alle meine Mitschueler sind mehrere Jahre aelter als ich, aber dennoch sind sie sehr freundlich zu mir und ich habe sogar ein paar Freunde gefunden. Da aber mehr als 90% der Schueler Priesteranwaerter sind und in einem Priest Seminar wohnen, ist es sehr schwierig mit ihnen ausserhalb der Schulzeit Zeit zu verbringen. Meine Faecher sind: Compulsory English, Supplementary English, English Literature, History und Sociology. Der Unterricht laeuft hier so ab, wie es sich ein deutscher Lehrer nur wuenschen kann. Wenn der Lehrer den Klassenraum betritt stehen alle auf und es wird ihm bis zum Ende der Stunde volle Aufmerksamkeit geschenkt. Eine andere Auffaelligkeit ist, dass das Unterrichtsgespraech zwischen Schueler und Leherer nicht so gross ausfaellt, wie es bei uns der Fall ist.

Mir geht es hier in Nagpur wirklich gut und geiesse meine Zeit hier.Die Menschen die man hier trifft, begegnen einem meistens mit extremer Freundlichkeit und Gastfreundschaft, auch wenn der Grund oft nur meine weisse Haut ist! Aber manchmal hat man auch ganz schoen mit der indischen Mentalitaet und Lebensart zu kaempfen!

Indien: Das Land von Chaos, vielen Farben, Reichtum, extremer Armut, wilden Kuehen auf der Strasse, angagierten Hochzeiten, Ueberbevoelkerung, Tradition, Gastfreundschaft, Patriotismus, (zu) scharfen Essen, vermuellten Staedten, faszinierender Natur, Ignoranz, Auswanderung, Korruption, Wirktschaftsboom, usw.
Indien, das Land voller Gegensaetzte! Manchmal liebt man es und manchmal hasst man es!

by Sebastian Gehring

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