Japan – 3. Bericht von Sina

Mittlerweile ist die Hälfte meines Austauschjahres hier in Japan vorbei. Bald schon sitze ich im Flieger zurück nach Deutschland. Doch bis dahin genieße ich meine Zeit hier in vollen Zügen. Ich habe schon so viel erlebt, wovon ich berichten werde.

Weihnachten und Silvester alleine in einem fremden Land
In Japan wird absolut kein Weihnachten gefeiert. Die Geschäfte sind zwar schon Wochen vorher mit Weihnachtsdekoration geschmückt und alles ist ein bisschen leicht übertrieben und kitschig, aber wozu das die Japaner brauchen, wenn sie sowieso nicht feiern, habe ich bis heute noch nicht heraus gefunden.
Am 24. Dezember durfte ich nach lang ersehntem Warten endlich das Paket aus Deutschland öffnen und mich über viele Süßigkeiten und andere deutsche Dinge freuen. Das sollte auch das einzige Geschenk sein, dass ich bekam, denn ich hatte einen Tag vorher die Gastfamilie gewechselt. Meine neue Gastmutter war so freundlich und lud mich ein zusammen mit ihren Freundinnen nach Tokyo zu fahren. Dort verbrachten wir den Weihnachtsabend auf dem 51. Flur eines Gebäudes. Es war einfach wunderschön- Tokyo bei Nacht, á capella Gospelgesang und leckeres italienisches Essen.
Am Silvesterabend saßen wir zu Hause und haben uns mit Freunden unterhalten. Hätte ich nicht darauf hingewiesen, dass wir in Deutschland immer anstoßen mit Sekt, dann hätten wir nicht einmal das gemacht. Das neue Jahr wird in Japan ganz ruhig eingeleitet und es gibt keine Feuerwerke. Ich bin mit meiner Familie und ihren Freunden kurz nach Mitternacht zu einem Schrein gefahren. Dort haben wir sage und schreibe 4 Stunden bei unausstehlicher Kälte verbracht, denn in Japan ist der erste Gang zu einem Schrein im neuen Jahr sehr wichtig. Für mich war es etwas schwer zu verstehen, was die ganzen Prozeduren am ersten Tag im neuen Jahr zu bedeuten haben, deswegen sehnte ich mich schon ein bisschen nach Feuerwerken, Sekt und feiern mit den Freunden. Aber andere Länder- andere Sitten.
Alles über japanische Kultur
Die nächsten Monate brachten mir japanisches Kulturprogramm pur.
Die erste Woche im neuen Jahr wird als „O- shogatsu“ bezeichnet. In dieser Woche wird in so gut wie jedem Haushalt „O- mochi“ zubereitet. Das ist gestampfter Reis, oft auch als Klebreis übersetzt. Bei der in Japan üblichen Zubereitung wird der Reis zunächst gedämpft. Danach wird er in Holzbottichen mit großen Holzhämmern geschlagen, wobei ein Helfer nach jedem Schlag den Reisklumpen wendet. Man kann „Mochi“ gut zu Bällchen formen und diese mit Bohnenpaste oder Creme füllen.
Einige Tage später machte ich mich mit dem Bruder meines Gastvaters auf den Weg in das nahe gelegene Nikko. Dort bestaunten wir eine alte Ninja Stadt und ich durfte mir sogar eine Show mit den alten traditionellen Ninja Künsten anschauen. Das war echt beeindruckend, wie flink und geschickt sich Menschen bewegen können.
Als nächstes lud mich eine Freundin meiner Lehrerin in ihr Haus ein. Sie ist eine Kimono Lehrerin und wollte mir somit die Gelegenheit geben noch einmal einen anzuziehen. Dieser Kimono ist ein besonderer, den eigentlich nur die 20jährigen Mädchen an einem Tag anziehen dürfen. Es ist der Tag, wenn sie erwachsen werden, denn mit 20 ist man in Japan volljährig. Das ganze dauerte eine Stunde lang, denn ein Kimono besitzt mehrere Schichten, die man anziehen muss. Nicht auszumalen, wie lange es gedauert hätte, wenn ich ihn mir selbst angezogen hätte. Am Ende des Monats Januar gab es ein Festival in Tokyo, das sogenannte „Setsubun- Festival“. Hiermit wird der Frühling begrüßt. Viele Leute versammeln sich an den Tempeln, um dem Spektakel beizuwohnen. Immer zur vollen Stunde öffnen sich die Tore des Tempels und es betreten viele berühmte Leute aus Fernsehen und Theater die Bühne. Sie streuen Bohnen in die Menge und schreien dabei „Oni wa soto, fuku wa iie“, was so viel wie „Pech heraus und Glück ins Haus“ bedeutet.
Ich erzählte meiner Gastmutter außerdem, dass ich gerne ins Theater gehen möchte. So nahm sie mich mit zum „Kabuki“. „Kabuki“ ist das traditionelle japanische Theater und besteht größtenteils aus Gesang, Pantomime und Tanz. Außerdem sind alle Darsteller Männer (auch Männer stellen Frauen dar) und es ist selbst für Japaner sehr schwer den Inhalt zu verstehen durch den Gesang. Für mich war es allerdings sehr interessant, denn ich bekam Kopfhörer mit englischen Erklärungen zu dem Geschehen. Das ganze dauerte mehr als drei Stunden und war dann schon etwas anstrengend. Aber ich habe es vollkommen genossen.
Vor ein paar Tagen, am 3. März fand dann auch das ?Hinamatsuri? Festival statt. ?Hina? bedeutet Puppe, also das Puppenfestival. Dies ist für kleine Mädchen. An diesem Tag wird ein riesiges Gerüst von 7 Stufen aufgebaut. Auf diesen Stufen befinden sich Puppen und Accessoires, wie Schränkchen oder Spiegel. Außerdem wird ein bestimmtes Lied gesungen und es gibt extra Süßigkeiten für dieses Fest. Im Mai findet das dann auch für die Jungen statt.
Rotaryausflüge
Voriges Jahr im Dezember unternahmen die Austauschschüler und ein paar Rotarier eine gemeinsame Reise nach Hiroshima und Kyoto. Wir besichtigen in Hiroshima den Atombombendom. Als ich diesen Dom zum ersten Mal sah, blieb mir doch gleich der Mund offen stehen. Einfach unvorstellbar, was die Atombombe dort angerichtet haben muss. Dieser Dom ist das einzige Gebäude, was nach dem Abwurf der Bombe stehen geblieben ist. Demzufolge besuchten wir nachher auch noch den Peace Memorial Park in Hiroshima, wo wir den Opfern des 2.Weltkrieges gedachten und unsere 1000 Papierkraniche niederließen.
In Kyoto sollte uns auch noch eine besondere Überraschung erwarten. Nachdem wir jede Menge Tempel besichtigten führte uns der Weg in ein Kostümstudio. Innerhalb von 2 Stunden sollten wir uns in ganz andere Menschen verwandeln. Die Jungen wurden zum Samurai umgestylt und die Mädchen zu einer Maiko. Dies ist eine Art Geisha. Das war ein wunderschönes Erlebnis für mich. Mein Gesicht wurde komplett weiß geschminkt und ich bekam einen schönen Kimono. Am Ende erkannten wir uns alle gegenseitig nicht mehr wieder. Das war ein wahnsinniges Gefühl! Außerdem stand noch ein Skiausflug nach Nagano, der Olympiastadt, auf dem Plan. Dort angekommen schneite es ersteinmal den ganzen Tag und als wir am nächsten Morgen aufwachten waren es sage und schreibe 3 Meter!!! Schnee und strahlender Sonnenschein. Da macht das Skifahren doch Spaß! Besonders toll anzusehen war es natürlich für die Austauschschülerin aus Brasilien, denn sie sah zum ersten Mal in ihrem Leben Schnee.
Tokyo Disneyland
Wenn man am Überlegen ist, was man denn mit seinen Freunden unternehmen soll, kommt einem als erstes Disneyland in den Sinn. So war ich auch schon zweimal in Tokyo im Disneyland. Alles ist so, wie in Frankreich. In der Nacht gibt es eine wunderschöne Lichterparade mit allen Disneycharakteren und ein abschließendes Feuerwerk über dem Schloss. Es ist auf jeden Fall einen Besuch wert!
Berühmte Persönlichkeit, Buddha und andere Aktivitäten
Im Januar hatte ich die besondere Ehre eine berühme Persönlichkeit Japans kennenzulernen. Sankhon ist sein Name. Sankhon stammt aus Guinea und war vor 20 Jahren ein Fernsehstar in Japan. Jeder kennt ihn hier und er ist ein Freund meines Gastvaters. So kam er im Januar, um meine Gastfamilie zu besuchen und übernachtete hier im Haus. Als ich dies meinen Freunden erzählte, waren alle sehr neidisch.
Ein Rotarier war so freundlich und lud mich zu einem Tagesausflug nach Kamakura ein- eine Stadt hier ganz in der Nähe. Dort besichtigten wir einen Buddha von unbeschreiblicher Größe. Ganze 13 Meter Höhe und 121 Tonnen schwer. So etwas habe ich vorher noch nie gesehen. Kamakura ist außerdem eine wunderschöne alte Stadt, wo Tradition auf Moderne trifft.
Eines der wichtigsten Ereignisse und auf das ich richtig stolz bin ergab sich am 15. Januar 2006- ein Redewettbewerb für Ausländer. Inhalt: 5 Minuten auf Japanisch über Saitama reden- Eindrücke, Gedanken, Erfahrungen…Daniel aus Schweden und ich entschlossen uns daran teilzunehmen. Wir gaben auch unser Bestes, aber am Ende hatten wir keine Chance gegen die Chinesen, die schon mehrere Jahre in Japan leben. Aber immerhin wurde die Teilnahme mit einer Urkunde ausgezeichnet, die jetzt stolz in meinem Zimmer thront.
Schulleben
Als letztes möchte ich doch noch einmal über die Schule in Japan berichten. Es ist ja nun schon eine ganze Zeit verstrichen und mein Japanisch hat sich zunehmend verbessert. Ich kann mich verständig machen und verstehe auch ohne Probleme, was mir die Japaner erzählen. Deshalb hat sich meine Meinung über die japanische Schule sichtlich geändert.
Ich mag die Schuluniform inzwischen- einfach aus dem Grund, dass man nicht jeden Morgen das Problem hat, was man anziehen soll und jeder einfach gleich aussieht und demzufolge meist auch gleich behandelt wird. Tatsächlich gibt es in den Klassen kaum Außenseiter. Im Winter war es so kalt (ca. 0 Grad), dass man gefroren hat in der Schule mit den kurzen Röcken. Denn es gibt weit und breit keine Heizungen in der Schule. Nur in den Klassenzimmern einen kleinen Heizer, aber der wird nicht benutzt. Deswegen bringen sich alle Mädchen Decken mit, um ihre Beine warm zu halten.
Ich habe mich jetzt auch für zwei Clubs entschieden, denen ich nach dem Unterricht immer beiwohne. Zum einen ist das Kendo und zum anderen Koto.
Kendo ist eine japanische Kampfsportart mit einem Bambusschwert. Hierbei wird vor allem Charakterfestigkeit, Entschlossenheit und moralische Stärke trainiert. Außerdem braucht man bestimmte Kleidung und Schutzkleidung. Die Schutzausrüstung besteht aus einem Kopfschutz (Men), dem Schutz für Hände und Vorderarme (Kote), einem Rumpfschutz (D?) und dem Lendenschutz (Tare). Im Kend?-Wettkampf ist es das Ziel, mit dem Shinai (das Bambussschwert) eine der vier festgelegten Trefferzonen Kopf, Vorderarme, Rumpf oder Kehle zu treffen.
Koto ist ein japanisches Musikinstrument (ähnlich einer Zither, bespannt mit Seide). Das Instrument hat eine Länge von 1,80m bis 2m und man spielt mit sogenannten Fingerpicks (ähnlich Plektren), die man über 3 Finger der rechten Hand zieht.
Beides ist wahnsinnig schwer, aber ich gebe mir die größte Mühe es so schnell wie möglich richtig gut zu lernen. Mit Koto hatte ich schon 2 Auftritte und ich habe es genossen.
Außerdem habe ich viele Freunde in der Schule gefunden und wir unternehmen alle regelmäßig etwas miteinander- gehen zu Karaoke oder Bowling oder wozu wir gerade Lust haben.
Noch ein anderes besonderes Ereignis war der Schulmarathon im November. Ihr werdet es kaum glauben, aber jeder Schüler ist gerannt. Das ist an japanischen Schulen so üblich. Wir hatten vorher bereits im Sportunterricht 4 Wochen lang 5km trainiert. Für die Mädchen hieß es aber an diesem Tag 8km am Stück und für die Jungen 10km. Das war einfach wahnsinnig, wie sich alle in den unterschiedlichen Farben der Sportuniformen zum Start bewegt haben und dann losgerannt sind. Ich selbst habe die 8km auch geschafft, ohne auch nur ein einziges Mal zu laufen und bin auch nicht als letzte ins Ziel gerannt. Das macht mich verdammt stolz und ich wäre jeder Zeit dazu bereit es zu wiederholen.

Ich sende euch allen die besten Grüße aus dem weit entfernten, faszinierenden, kulturreichem Land Japan.
Sina

by Sina Kuhne

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