Chile – 1. Bericht von Johannes

Ein Jahr im Herzen Chiles – ein Jahr in Santiago

4. August 2008 um 22:35 Uhr. Der Flug mit der Nummer 0506 verlässt den Frankfurter Flughafen Richtung Südamerika. Unter den Fluggästen eine Handvoll rotarischer Austauschschüler mit dem Ziel: Chile.

Auf Sitz 53 : Ich, Johannes Noack.

Gerade mal 17 Jahre alt und doch mit dem festen Entschluss, ein Jahr in einem fremden Land ohne Eltern zu verbringen.

Im nachhinein kann ich sagen, dass ich doch schon relativ nervös war, in Anbetracht dessen, dass ich ja nun wirklich gar keine Ahnung hatte, was da so alles auf mich zu kommen wird. Das war wohl auch der Grund, warum ich in den 12 Stunden die wir bis zu unserem Zwischenaufenthalt in Sao Paulo gebraucht haben, kein Auge zu gemacht habe.

Ansonsten war der Flug recht angenehm und da wir ja einige Austauschschüler waren, gab es auch einiges zu erzählen, so dass die Zeit recht schnell verging.

In Sao Paulo hatten wir dann rund eine Stunde Zeit. Danach hat sich die Gruppe dann noch einmal geteilt, da einige weiter nach Argentinien flogen oder Brasilien ihr Endziel war. Für mich und 5 andere Jugendliche gings dann zum letzten Teil der Reise, mit dem Zielflughafen: Santiago Airport.

Ihr glaubt gar nicht wie wir erstmal gestaunt hatten, als das Flugzeug gelandet war und der Bordcomputer kalte 8 Grad anzeigte. Wir wussten zwar, dass es in Chile zu dieser Zeit gerade Winter war, trotzdem hatten wir es uns doch schon etwas wärmer vorgestellt.

Nachdem wir dann durch alle Sicherheitschecks durch waren und ich gerade mein Gepäck abholen wollte, kamen auf einmal 2 Frauen auf mich zu mit 3 Hunden und fragten mich auf Spanisch, ob ich denn zufällig Äpfel mit mir führen würde. Da mein spanischer Wortschatz zu dieser Zeit jedoch sehr begrenzt war, verstand ich natürlich nichts. Zum Glück kam dann auch schon meine Counselerin mit ihrem Sohn, der ein Jahr in Deutschland war und mir übersetze, was die 2 freundlichen Damen mit den 3 nicht ganz so freundlichen Hunden den von mir wollten. Na ja, nachdem ich meine Äpfel dann abgegeben hatte, gings raus ins Ungewisse, raus zu den Personen, die ein halbes Jahr meine Familie sein sollten.

“Bienvenido en Chile Johannes” sah ich das Schild schon von weitem und dann auch meine Gasteltern mit ihrem ältesten Sohn, Martin. Nach einer herzlichen Begrüßung, wie ich sie später noch oft erfahren sollte, und einer kurzen Vorstellung gings dann auf in mein neues Zuhause. Wenn ich mich jetzt an die erste Unterhaltung mit meiner Gastmutter erinnere, muss ich heute lächeln. Als sie den Satz “hace frio” zum 5. mal wiederholen musste, schaltete sich dann mein Gastvater ein, der ein wenig Englisch sprechen kann und übersetzte mir, das sie eigentlich nur sagen wollte, das es kalt ist.

Auf der Fahrt nach “Hause” erklärten sie mir dann, dass schon 2 kleine Brüder auf mich warten würden und eine Nana. Was mit Nana gemeint war erfuhr ich dann erst als wir ankamen. Auch versuchten sie mir schon, ein paar spanische Wörter beizubringen, was sich aber als recht schwierig erwies. Zu hause angekommen öffnete uns dann meine “Nana” die Tür und dann verstand auch ich, dass

mit “Nana” Luisa, unser Hausmädchen gemeint war.

Auch begrüßten mich sofort meine 2 kleinen Brüder, Emilio und Maxi. Emilio ist 13 Jahre alt, verbringt viel seiner Freizeit vor dem Rechner und ist der etwas Ruhigere von beiden. Maxi, mit 7 Jahren das jüngste Familienmitglied, ist ein ziemlich aufgewecktes Kerlchen und manchmal etwas anstrengend. Da ich in Deutschland nur 2 ältere Geschwister habe, war es erstmal eine ganz schöne Umstellung für mich, aber ich glaube ich habe die Sache bis jetzt ganz gut gemeistert.

2 Wochen später wurde dann Martin, der älteste der 3 Brüder nach Hawaii verabschiedet, um dort ein Jahr als rotarischer Austauschschüler zu verbringen. Es war sehr gut das ich die erste Zeit nicht ganz auf mich allein gestellt war, da mir Martin etwas von Santiago gezeigt hat, mich in seiner Schule vorgestellt hat und mir das Bussystem Santiagos erklärt hat.

In Santiago wurde vor kurzer Zeit “BIP” eingeführt. BIP, so heißt die Karte die man hier in bestimmten Geschäften kaufen und später wieder aufladen kann und die man bei jeder Busfahrt an einen kleinen Automaten im Bus dranhalten muss. Dann macht es kurz “BIP” und es wurden einem 360 Pesos abgezogen. Das gilt dann rund 2 Stunden bis man wieder neu bezahlen muss.

Eigentlich eine ganz gute Idee, da man so Zeit spart und nicht jedes Mal beim Fahrer eine Karte kaufen zu braucht, bloß halt schlecht wenn man seine Karte mal verliert.

In meine Klasse konnte ich mich sehr schnell integrieren und wurde auch ohne Probleme aufgenommen. Es war natürlich am Anfang etwas schwierig, mit den Kenntnissen von drei Wörtern in spanischer Sprache. Da ich mir jedoch aus der Heimat mein Spanischlehrbuch mitgebracht hatte und ich so in Freistunden bzw. während Klausuren ( die ich natürlich nicht mitschreiben konnte bzw. musste) gelernt habe, ging es mit dem Spanisch sehr schnell und gut voran, so dass ich nach 2 Monaten auch schon meinen ersten kleinen Vortrag in Geschichte über “Kirche in Deutschland” halten konnte.

Das Schulleben lief um einiges lockerer ab als ich es von meiner Schule gewohnt war.

Da kam es schon mal vor, dass ein Lehrer während einer Prüfung fast einschläft oder die Schüler sich miteinander unterhalten, ohne dass es den Lehrer großartig stört.

Was mich hier sehr beeindruckt hat war die Initiative die von den Schülern ausgeht im Zusammenhang mit einigen schulischen Veranstaltungen.

Meine Schule ist zum Beispiel sehr aktiv in der Behindertenhilfe. Jedes Jahr wird für eine Behinderteneinrichtung gesammelt und eine Gruppe von Jugendlichen besucht und verteilt dann das Gesammelte. Für mich war der Besuch dieses Ortes und das Engagement der Schüler in dieser Richtung eine sehr beeindruckende Erfahrung.

Eine weitere Veranstaltung, die man auch unbedingt in Deutschland einführen sollte, sind die so genannten “Allianzen”. Jedes Jahr, wenn die Schule um ein Jahr älter wird, werden die Schüler in 3 Gruppen geteilt, und diese Gruppen werden Allianzen genannt.

Jede Gruppe hat in einen vorgegebenen Zeitraum bestimmte Aufgaben zu erfüllen, dies geht vom Modeln bis zum Besteigen eines Berges oder das Singen in der U-Bahn. Auch muss sich jede Gruppe präsentieren und am letzten Tag wird dann die jeweils beste Gruppe mit den meisten Punkten bestimmt und als Preis gibt es einen freien Schultag.

Was die Schüler für diesen Anlass alles auf die Beine gestellt haben, war wirklich unglaublich. Was mich auch noch sehr beeindruckt hat, ist das Schüler-Lehrer- Verhältnis. Es kommt halt schon mal vor, dass ein Lehrer zum gemeinsamen Wandern einlädt oder sich die Lehrer in der Pause zu den Schülern setzten und sich miteinander unterhalten wird. Auch der Klassenzusammenhalt ist ein anderer, so etwas wie Ausgrenzung unter den Schülern ist sehr selten anzutreffen.

Nun habe ich bis März Sommerferien und dann geht es mit der Schule wieder los.

Leider war der 10. Dezember der letzte Tag in meiner Schule, da ich diese nach den Ferien wechseln werde. Leider gab es keine Gastfamilie in der Nähe der jetzigen Schule. Ich sehe einen Schulwechsel aber ganz positiv, da ich mir so ein viel besseres Bild und eine bessere Meinung über das Land machen kann, wenn ich 2 Schulen besucht habe.

Jetzt zu ein paar von meinen vielen Aktivitäten die ich hier schon erlebt habe.

Zu erst ein großes Lob an den Chilenischen Rotaryclub. Uns wird hier wirklich ein super Programm geboten. Ob es die Reisen sind, oder kleine Events wie eine Halloween Party oder ein Wochenende am Strand, Rotary ( und auch Rotex) tun wirklich alles, damit wir uns wohl fühlen. Mit meiner Counslerin habe ich auch ein super Verhältnis, und wenn ich Probleme habe (die ich bis jetzt zum Glück noch nicht hatte) weiß ich, dass ich jeder Zeit zu ihr kommen kann.

Da mir Rotary natürlich nicht jeden Tag ein Programm bieten kann, habe ich hier noch andere Aktivitäten, wie zum Beispiel das Volleyball. Ich bin sehr froh darüber das ich meinen Lieblingssport hier 4mal die Woche ausüben kann und seit 2 Wochen bin ich auch offizielles Mitglied eines Vereines.

Als Hauptstadt und mit mehr als 5 Mill. Einwohnern, hat Santiago natürlich alles zu bieten, und für jemanden wie mich, der nun wirklich vom Land kommt, wird es hier eigentlich nie langweilig.

Jetzt dauert es nicht mal mehr eine Woche bis wir die Geburt von Christus feiern.

So die richtige Weihnachtsstimmung ist bis jetzt bei mir noch nicht eingekehrt. Vielleicht liegt es daran, dass ich Weihnachten bis jetzt immer mit Schnee in Verbindung gebracht habe, was hier jedoch bei rund 30 Grad etwas schwierig ist, dafür fällt das Schnee schippen weg 🙂

Natürlich freue ich mich trotzdem schon sehr auf Weihnachten und denke, dass es eine wunderbare neue Erfahrung werden wird, das Fest der Liebe in einem Land feiern zu können, welches mir das Gefühl gibt, wirklich willkommen zu sein.

Am 27. Dezember feiern wir dann auch noch mal mit Rotary zusammen und Silvester werde ich vielleicht mit meiner Gastfamilie zusammen in Valparaiso feiern.

Am 5. Januar heißt es dann auch schon wieder Abschied nehmen von meiner jetzigen Familie, denn dann werde ich zu meiner neuen Familie wechseln. Bisher weiß ich nur, dass ich einen großen Bruder haben werde und da ich mich auch schon einmal mit meinen neuen Eltern unterhalten habe, glaube ich sagen zu können, dass ich in eine mindestens genauso liebe Familie kommen werde wie ich schon vor 5 Monaten das Glück hatte.

Zum Schluss vielleicht noch ein paar Sätze zu dem was mich bis jetzt hier in meiner Zeit am meisten beeindruckt hat.

Chile ist ein Land mit vielen Gesichtern. Ob es seine Natur ist, die von Wüste bis Gletscher wirklich alles zu bieten hat, oder seine Menschen.

Ich selber habe das “Glück” in einer recht wohlhabenden Familie leben zu dürfen. Jedoch habe ich auch Familien kennen gelernt, die mit sehr wenig Geld auskommen müssen. Was mich aber beeindruckt hat, das egal wie viel Geld die Familie besitzt, ich immer willkommen war und mit einer Offenherzigkeit und Freundlichkeit aufgenommen wurde, die leider vielen von uns Deutschen fehlt. Ich denke, wir sollten in vielen Sachen gelassener denken und vor allem nicht alles als selbstverständlich annehmen, sondern dankbarer werden und die Dinge die wir haben, mehr schätzen. Das ist eine Sache die mich hier bis jetzt geprägt hat, das große Herz und die Nächstenliebe die ich hier jeden Tag aufs Neue zu spüren bekomme.

Ich hoffe ich konnte euch mit diesem Bericht einen kleinen Einblick über mein Leben hier in einem großartigen Land geben.

Natürlich gibt es jeden Tag Neues zu berichten und vieles lässt sich auch einfach besser in Bildern ausdrücken, deswegen möchte ich euch noch meine Hompage nennen, auf der ihr euch gerne meine Berichte und Bilder durchlesen und anschauen könnt :www.hannes-in-chile.de

Ich danke Rotary für diese einmalige Chance die mir hier geboten wurde und auch für Alles, was Rotary hier und in Deutschland für uns ermöglicht.

muchos saludos y hasta luego

euer Hannes

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