Brasilien – 1. Bericht von Willi

Liebe Rotarier, Freunde und Bekannte,

da ist er auch schon: der erste Bericht aus dem wunderbaren Brasilien!

Die ersten drei Monate sind so rasend schnell vergangen und die vielen neuen Eindruecke und Erlebnisse sind auf einen eingeschossen, dass ich es noch gar nicht so richtig glauben kann.

Ich bin unglaublich gluecklich, dass es bei diesem, meinem bereits dritten Versuch, ein Austauschjahr zu verbringen, endlich geklappt hat.

Dies habe ich zu einem nicht gerade kleinen Teil Herrn Fuhrmann zu verdanken, der alles in die Wege geleitet hat und bei Fragen und Problemen stets geholfen hat. Dafuer: Muito obrigado, also vielen Dank.

Bedanken moechte ich mich auch bei meinem Sponsor Rotary Club Weisswasser, bei meiner Familie, die mir bei den Vorbereitungen immer zur Seite stand, auch wenn es manchmal nicht so einfach war, bei meinen Freunden, die einfach grossartig sind und bei allen anderen Personen, die da irgendwo mit drin stecken.

Am 6. August war es endlich soweit, nachdem mein eigentlich geplanter Flug am 28. Juli aufgrund des Lufthansa Streiks gestrichen wurde, war die Freude nun noch groesser, mein lang ersehntes Austauschjahr beginnen zu koennen.

Den ersten Flug des Austauschjahres und auch meines Lebens hatte ich von Dresden nach Frankfurt. Von Frankfurt ging es dann mit der gesamten Truppe von zukuenftigen Rotary-Austauschschuelern nach São Paulo. Der Flug war mehr oder weniger angenehm, da ich mich mit meinen langen Beinen und den 12 Stunden Flug ziemlich eingequetsch gefuehlt habe.

In São Paulo am Flughafen von „Guarulhos“, wo auch ein Kamerateam von der VOX-Reportage „auf und davon –mein Auslandstagebuch“ gefilmt hatte, haette ich eigenltich einen Bus zum anderen Flughafen „Congonhas“ nehmen muessen. Dies blieb mir allerdings erspart, da zwei Maenner von Rotary mich und noch zwei weitere Austauschschueler im Auto mitgenommen haben. Mit dem einen bin ich dann gemeinsam zu meinen letzten Zielflughafen in Navegantes geflogen.

Als ich aus dem Flugzeug ausstieg, sah ich auch schon meine Gastfamilie durch die Glasscheiben des Flughafengebaeudes winken. Wir hatten schon seit einiger Zeit fast taeglichen E-Mail Kontakt gehalten und ich wusste, dass ich mit dieser Familie einen Gluecksgriff gemacht hatte.

Meine zwei Gasteltern kommen urspruenglich aus Argentinien, wohnen jedoch bereits seit 20 Jahren in Brasilien. Sie haben drei Kinder: Maitê (17), welche gerade ihr Austauschjahr in Deutschland in der Naehe von Koeln verbringt, Gabriela (14) und Rodrigo (10).

Das Leben in dieser Familie hat mir unglaublich Spass und Freude bereitet. Mit meiner Gastmutti habe ich jeden Tag sehr viel zu lachen. Ich habe auch Portugiesisch-Unterricht bei ihr genommen, da sie Lehrerin ist. Mein Gastpapa arbeitet als Karikaturenzeichner in dem Vergnuegungspark Beto Carrero hier in Penha.

Rodrigo geht zum Judo-Training, bei dem ich gerne zuschauen gehe. Ich spiele jeden Dienstag und Donnerstag (vorausgesetzt es kommt jemand) Volleyball. In der Turnhalle der Gemeinde werden viele Sportarten angeboten, bei denen man, ohne etwas zu bezahlen mitmachen kann.

Penha, meine Stadt hat ungefaehr 20 000 Einwohner im Winter. Im Sommer ist es noch um ein Einiges mehr, denn es kommen eine Vielzahl von Touristen und die Leute beziehen ihre Strandhaeuser.

Ja, Strand gibt es hier viel, denn die Stadt liegt direkt an der Kueste und mein Haus ist nur drei Minuten vom Meer entfernt.

Ich hatte bereits vorher gelesen, dass es in dieser Region, also im Bundesstaat Santa Catarina viele Nachfahren von Deutschen gibt. Als ich dann hier ankam, war ich jedoch geschockt, wie viele es sind. Ueberall, wo ich neue Leute treffe und sie erfahren, dass ich ein Austauschschueler aus Deutschland bin, fangen sie auf einmal an, Deutsch zu sprechen. Am Anfang hat mich das sehr verwundert, mittlerweile muss ich immer darueber lachen. Allein in meinem Gast-Rotary-Club hier in Penha gibt es mindestens fuenf Personen, die Deutsch sprechen.

Ansonsten merkt man die Anwesenheit der Deutschen in vielen Namen, zum Beispiel der Stadt Blumenau, welche auch jedes Jahr ein Oktoberfest veranstaltet, auf dem ich auch selbst war. Es gibt deutsche Volksmusik, die Personen tragen deutsche, bzw. bayrische Trachtenkleidung und viel Bier.

Die Schule hier ist komplett anders als ich es in Deutschland gewohnt war. Es gibt drei Tageszeiten, zu denen man zur Schule gehen kann: fruehs, am Nachmittag oder abends. Ich gehe fruehs von 7.30 Uhr bis 11.30 Uhr in eine nahegelegene Schule.

Der Unterricht sollte zwar 7.30 Uhr beginnen, aber das ist eigentlich nie der Fall, denn alle kommen zu spaet, auch die Lehrer.

Ich gehe hier in das 2. Jahr der Stufe Ensino Médio, was dem 10. Schuljahr in Deutschland entspricht. In Brasilien geht man 8 Jahre ins Ensino Básico, was der Grundschule entspricht und danach drei Jahre ins Ensino Médio. Danach entscheiden sich die Schueler, ob sie auf einer Uni weiterstudieren wollen.

Der Unterricht hier ist ziemilch locker und Anforderungen werden nicht wirklich gestellt. Die Lehrer werden mit ihren Vornamen angesprochen, ab und zu wird ihnen auch mal ein Kuesschen auf die Wange gegeben, oder sie werden umarmt.

Die Unterrichtsstunden sind sehr laut, weil sich jeder unterhaelt, Musik hoert (manchmal bringt jemand ein Radio mit zur Schule und stellt es im Unterricht an) oder es gibt Gruppen, die Karten spielen.

Die unterrichteten Faecher sind: Philosophie, Portugiesisch, Regionalgeschichte, Sport, Physik, Englisch, Soziologie, Biologie, Geografie, Geschichte, Chemie und Mathematik.

Im Dezember beginnen dann die Sommerferien, die bis Februar andauern.

Mein Portugiesisch hat sich in den drei Monaten ziemlich schnell entwickelt. Ohne zu wissen, wie man ein einziges Wort richtig ausspricht, bin ich auf meine grosse Reise gegangen. Jetzt kann ich so gut wie alles verstehen und mich mit Personen problemlos unterhalten. Man hat zwar vorher immer gehoert, dass man die Sprache ganz schnell lernt, wenn man einmal in dem jeweiligen Land ist, aber es ist schon lustig, es an der eigenen Person zu erfahren und ich muss sagen, es stimmt wirklich. Das Portugiesisch in Brasilien ist ueberall relativ gleich, also es gibt wenig Dialekte, nur einzelne Dinge, die in den einzelnen Regionen unterschiedlich genannt werden.

Jeden Donnerstag Abend gehe ich zu den Rotary Treffen meines Gastclubs. Die Leute dort sind sehr nett und ausserdem gibt es immer lecker Essen.

Ausser mir gibt es noch Jon, den Austauschschueler aus den USA, der ebenfalls in Penha wohnt.

Sonntags gehe ich immer zu den Treffen des Interact Clubs, wo sich Jugendliche bis 18 Jahre treffen. Manchmal bleibe ich auch zu den Rotaract Treffen, was die Personen ueber 18 betrifft.

Das Wesen der Brasilianer ist einfach viel freundlicher und aufgeschlossener, als man es von den Deutschen kennt. Man umarmt sich einfach und den Maedchen und Frauen gibt man „Beijos’, also Kuesse.

Da es die Brasilianer nicht so gerne moegen, zu arbeiten, gibt es ziemlich viele Feiertage um sich auszuruhen.

Im Moment haben wir Fruehling und das Wetter ist ein Mix aus Regen an einigen Tagen und widerum Sonne und Hitze an anderen Tagen.

Es ist lustig mit anzusehen, wie sich langsam die Straende mit Personen fuellen.

Am 12. November habe ich dann leider auch schon meine Gastfamilie wechseln muessen, die mir echt ans Herz gewachsen ist.

Zum Glueck wohnt meine neue Gastfamilie nur auf der anderen Strassenseite, sodass ein Besuch meiner ersten Familie kein Problem darstellt.

Die jetzige Gastfamilie besteht aus einem aelteren Ehepaar (und drei Hunde), die dem Rotary Club angehoeren. Mein Gastpapa hat ebenfalls deutsche Vorfahren und ab und zu faellt ihm auch noch ein deutsches Wort ein.

Meine Gastmutti hat sich kurz vor meinem Einzug den Arm gebrochen und hat immer noch sehr starke Schmerzen. Die meiste Zeit sitzt sie im Bett und schaut Fernsehen, da das das Einzige ist, was sie tun kann.

Dies ist uebrigens die Familie, in der Jon aus den USA vor mir gewohnt hat. Ich kannte sie also schon durch die Besuche bei Jon und weil sie mich immer zu den Rotary Veranstaltungen mitnehmen.

Meine naechste Gastfamilie erwartet mich im Februar, dann aber in der Nachbarstadt Piçarras.

Ich haette jetzt noch so viele Dinge zu erzaehlen, aber dann muesste ich wohl noch die ganze Woche hier sitzen.

Ich freue mich jedoch immer ueber Nachrichten, seien es Fragen oder sonstige Dinge. Ich bin ueber die E-Mail Adressen willim91@web.de oder biscuitcracker@hotmail.de, oder aber ueber facebook.com zu erreichen.

 

Liebe Gruesse und Abraços aus Brasilien!

 

Willi Mattuschka

Penha, 17. November 2008

Schreibe einen Kommentar