Argentinien – 2. Bericht von Sylvia

Liebe Rotarier, liebe Familie, liebe Freunde, lieber Rest der Welt!

4 Monate sind vergangen, seit ich Deutschland verlassen habe. Es kommt mir vor wie eine Ewigkeit. Es ist viel passiert, seit ich den letzten Bericht verfasst habe. Vielleicht eine kurze Zusammenfassung: Anfang Oktober hatte ich die Möglichkeit eine tolle fünftägige Reise nach Buenos Aires zu machen, bei der ich sehr viel von der Stadt gesehen habe. Kurz danach ging es zur bekannten Rotary Südreise. 53 Austauschschüler, 9000 km im Bus, atemberaubende Landschaften. Innerhalb von 17 Tagen konnte ich Wale und Pinguine, Seelöwen, Delfine und Seeelefanten in ihrer natürlichen Umgebung sehen und auf dem letzten noch wachsenden Innlandsgletscher wandern. Bis nach Feuerland zur südlichsten Stadt der Welt, Ushuaia reisten wir. Und ins Schokoladenparadies Bariloche, dass mich sehr an Deutschland erinnert hat. Als wir von der Südreise wiederkamen blieb mir nur noch eine Woche Schule übrig… Am Wochenende darauf war eine Orientation für die Outbounds hier in San Luis und so war ich kaum zu Hause. Danach begannen meine ewig langen Ferien, da ich die Jahresabschlussexamen nicht mitschreiben musste. Ich nutzte den November um alleine ein bisschen das wunderschöne Mendoza zu erkunden, da meine Gastfamilie mir leider nur wenig von der Stadt zeigt. Anfang Dezember war die Zeit der Abschlussbälle der verschiedenen Schule … und auch die Temperaturen stiegen deutlich an. Die Zeit verging so unheimlich schnell… plötzlich war Weihnachten. Und jetzt, kurz vor Silvester sitz ich hier und schreibe diesen Bericht. Weihnachten in Argentinien, das war so anders. Es ist so warm hier… ich fange einfach an zu schwitzen ohne was zu machen  und mein Leben verlagert sich auch immer mehr auf die Nacht. Bis kurz vor der Bescherung war ich nicht in Weihnachtsstimmung. Weihnachten wird hier eh nicht so gross gefeiert, man hat nicht überall Weihnachtsschmuck. Am 8. Dezember wird der Baum geschmückt, aber das wars auch schon mit der Adventszeit. Am 24. sind wir abends um 22 zu meinem Gastonkel zum Abendessen gefahren. Dann um 24 Uhr haben sich alle mit Feuerwerk (so ähnlich wie an Silvester) frohe Weihnachten gewünscht und danach gab es die Geschenke. Wir waren ungefähr 30 Mann und so war es ein wirklich toller und interessanter Abend, der erst um 4 Uhr endete. Als sich alle so in den Armen lagen, war ich plötzlich voll in Weihnachtsstimmung. Gestern haben wir den Tag dann gemeinsam verbracht und heute war ich bei meiner Gastoma zum Mittagessen. Dieses Weihnachtsfest vergesse ich sicher nicht so schnell. Morgen Abend unternehme ich dann etwas mit meinen Freunden denke ich mal. Schade, dass meine beste Freundin hier, Marlene aus Österreich, gerade auf Urlaub mit ihrer Familie ist. Aber na ja, so wird’s denk ich auch ganz lustig, nur mit Argentiniern…
Mendoza wird (abgesehen von der Hitze) immer mehr zu einem Traum für mich. Die Stadt verzaubert mich, mit den vielen grünen Plätzen, den netten Bars und Cafes und den Bussen, die nicht wie in Nochten nur bis 18 Uhr fahren… ich habe schon einige andere Städte in Argentinien gesehen, aber es gibt bisher keine, in der ich lieber wohnen würde. Vielleicht liegt es auch an den vielen lieben Menschen, die ich kennen gelernt habe…
Es haben sich so einige Sachen geändert. Meine Familie zum Beispiel, habe ich viel besser kennengelernt… einige Familienmitglieder mag ich jetzt mehr, andere weniger. Meine beiden Gastbrüder und meine älteste Gastschwester, die leider ihr Baby verloren hat, sind mir sehr ans Herz gewachsen. Zu meiner 16-jährigen Gastschwester habe ich leider kaum Kontakt, zu mal sie sich dafür entschieden hat, nicht nach Deutschland zu gehen und den Rotaryaustausch abzubrechen. Das hat die Situation in der Familie auch ein wenig kompliziert. Gerade in den ersten zwei Monaten hatte ich gehofft, dass sie mehr mit mir unternehmen würde. Mittlerweile ist mir das relativ egal, da ich meine eigenen Freunde gefunden habe und kaum Zeit habe. Mit meiner jüngeren Gastschwester komme ich soweit klar, obwohl ich gemerkt habe, dass 5-jährige Mädchen ziemlich anstrengend sein könne. Sagen wir mal so, am liebsten ist sie mir, wenn sie gerade schläft… Mein Gastvater ist mir gegenüber aufgetaut und mit meiner Gastmutter verstehe ich mich auch recht gut, obwohl das Verhältnis gespannter ist, da Macarena jetzt nicht ins Ausland geht und so weiter und so fort. Am liebsten würde ich die Familie nicht wechseln, aber ich muss.
Wie gesagt, die Schule spielt gerade keine Rolle für mich, was meinem Tagesablauf ein bisschen den Rhytmus genommen hat, aber mir dafür endlich mal Freiraum zum entspannen lässt. Weil ich eben doch recht wenig zu tun hatte, hab ich mich mitte November bei der Sociedad Goetheana Mendoza gemeldet, ein Verein der in Zusammenarbeit mit dem Goetheinstitut steht. Dort gibt es eine Bibliothek, man kann Deutschkurse belegen und natürlich habe ich auch andere Deutsche, die gerade in Mendoza sind, kennen gelernt. Na ja, und die Direktorin meinte dann ich kann so eine Art Praktikum machen. Deshalb geh ich jetzt da hin wenn ich Zeit und Lust hab und helf zum Beispiel ein bisschen in der Bibliothek mit. Und als mein erster Spanischkurs endete, wurde mir dort auch ein weiterer Kurs angeboten.
Zum Basketballtraining geh ich weiterhin ab und zu, allerdings komm ich im Team nicht so gut zurrecht, weil es einfach mit der Verständigung nicht klappt und das Training mir auch nicht so gefällt. Aber ganz ohne geht einfach nicht  Um nicht all zu doll zu zulegen, besuche ich jetzt dreimal die Woche das Fitnesstudio meines Vertrauens (oder Grauens je nach dem). Es ist also nicht so, dass ich gar nichts zu tun habe, ich bin relativ ausgelastet.
Wenn ich jetzt noch mal meinen ersten Bericht lese, merke ich, dass mir Dinge, die mir damals schwer gefallen sind jetzt total leicht fallen. Bus fahren zum Beispiel. Ich kann ich mich auch schon super im Stadtzentrum orientieren und wenn ich mich verlaufe, ist das auch kein Problem mehr.
Der Anfang war sehr schwer. Jetzt wo ich eine Weile hier bin geht alles viel leichter. Ich weiss noch, wie ich Argentinien in der ersten Zeit als Land überhaupt nicht richtig angenommen habe, weil ich es nicht verstanden habe und auch nicht verstehen wollte. Umso länger ich hier bin, desto mehr verstehe ich – von den Leuten, den Problemen und der Kultur. Ich wollte immer unbedingt nach Australien, aber im Moment würde ich nirgendwo lieber sein als hier. Die Sache ist, wenn man noch als Outbound in Deutschland sitz, dann stellt man sich alles toller und einfacher vor. Aber na ja, das Leben geht trotzdem weiter und auch im Gastland geht es einem nicht jeden Tag super. Und man weiss zwar, dass es Probleme geben kann, aber man glaubt nicht, dass man sie haben wird – was im Gastland dann oft anders ist. Aber das ist ok so. Es ist sogar schön und wichtig so.
Argentinien als Land hat mich verzaubert – nicht nur wegen dieser genialen Landschaft, die ich auf einer der besten Reisen meines Lebens sehen konnte, sondern auch wegen den Menschen, die einen aufnehmen, wie man ist. Meine Familie hätte mir kein grösseres Geschenk machen können, als mich am Heiligen Abend einfach in ihre Familie aufzunehmen und mich ihnen diesen Moment zu feiern. Egal auf welchen Geburtstag , auf welche Feier man kommt, egal wie gut man die Leute kennt, man wird mit offenen Armen empfangen. Ich glaube, das wird mir in Deutschland sehr fehlen. Genauso übrigens die argentinischen Partys und Diskos, denn die sind in Argentinien schon eine Ecke besser würde ich sagen 

Vielen Dank an alle die mich unterstützen, besonders an den Rotary Club Weisswasser, den Distrikt 1880  und an meine Eltern. Ich wünsche euch allen ein frohes, erlebnisreiches, unvergessliches Jahr 2011.

Viele liebe Grüße aus Argentinien,
Sylvia Hoffmann

Schreibe einen Kommentar