Taiwan – 2. Bericht von Michaela

Ein glückliches Hallo an alle in Deutschland!

Als erstes tut es mir leid das es so viel ist, ich glaube ich bin auch ein bisschen taiwanesisch geworden und möchte das man weiß wo mein Land zu finden ist 😉

Nein, ich habe immernoch nicht die Nase voll von komisch aussehendem Essen, anderen Tischmanieren und Verhaltensweisen, den ulkigen abergläubischen Geschichten, den süßen Taiwanesen…im Gegenteil, ich will immernoch mehr davon!! Es gibt noch so viel zu sehen und zu erleben! Schonwieder ist die Zeit wie im Flug vergangen…das macht mir echt Angst, es geht viel zu schnell. Da ich den ganzen Tag in der Schule bin und mittlerweile durch den entfernteren Wohnort meiner zweiten Gastfamlie in Danshui erst um 8 nach Hause komme, bleibt mir kaum Zeit noch einmal alles Revue passieren zu lassen. Meine zweite Gastfamilie ist sehr lieb und kümmert sich auch, jedoch ist kein wirkliches Familienleben vorhanden – jeder lebt etwas für sich. Meine Gasteltern sprechen nur Chinesisch und Taiwanesisch (was ich somit jetzt auch etwas lerne, was nocheinmal komplizierter ist) und sind sehr beschäftigt. Weswegen wir leider kaum reden. Meine Gastschwester war ein Jahr in Finnland und ist jetzt Rotexer in dem Distrikt meiner Gastmutter, 3490. Dadurch lerne ich alle Austauschschüler in diesem Distrikt auch noch kennen!!! Mein Chinesisch macht ziemliche Fortschritte, ich kann mich jetzt schon ganz gut unterhalten und verstehe so langsam auch den Unterricht (außer die  ganzen speziellen Fachworte). Manchmal fehlen mir noch einige Vokabeln die ich dann einfach nachfragen muss. In unserer Chinesischschule haben wir jetzt neue Klassen, je nachdem wie gut unser Chinesisch mittlerweile ist. Ich hätte nie für möglich gehalten dass ich in die beste Klasse komme, was mich aber unglaublich stolz macht und mich nochmehr motiviert härter zu lernen. Somit habe ich wiedermal Glück…denn unsere Klasse lernt sehr schnell und viel. Man muss sich sehr viel selbst motivieren und üben üben üben wenn man Chinesisch lernen will. Anfangs ist es hart, kompliziert und man denkt: „Mein Gott, wenn höre ich endlich mal den Unterschied zwischen dem Wort und dem Wort, das klingt doch total gleich!“ Dann lernt man, hat Geduld mit sich selbst, lernt zusammen mit den Taiwanesischen Freunden die einen immer loben – auch wenn es vielleicht totaler Unfug ist was man sagt, aber es hilft trotzdem und motiviert. Man fängt an zu verstehen..langsam, aber sicher. Dann  ist man vielleicht etwas frustriert weil man immernoch einen „kleinen“ Freundeskreis hat unter den Taiwanesen, obwohl man sich doch schon etwas unterhalten kann. In der Phase bin ich jetzt. Und dann will man mehr und mehr und nochmehr lernen, die Motivation kommt von selbst – und das zahlt sich aus.

Ich denke ein Auslandsjahr ist sowieso immer ein kleiner Kampf mit sich selbst. Von Nichts kommt Nichts. Nur wer etwas tut, der bekommt es. Und meistens gibts noch etwas hinterhergeworfen dabei. Sei es durch ein einfaches Lächeln überall wo man ist: es kommt zurück, und Freundschaften kommen hinterher. Wer lernt und versucht zu verstehen und immer wieder neues ausprobiert, egal wie komisch es auch sein mag – der bekommt einen Einblick in die ganze Kultur geschenkt, darf mitmachen und wird Teil des ganzen. Wer durchhält und Geduld hat wird damit belohnt über sich selbst zu lernen.

In meiner richtigen Schule heisst es jetzt also auch für mich noch mehr Power geben – meine taiwanesischen älteren Mitschüler haben ein großes  Problem sich zu trauen Englisch mit mir zu sprechen. Plus die meisten wissen immernoch nicht dass ich jetzt schon so einiges verstehe. Allgemein ist wohl ihre Ansicht: „Ausländer?! Englisch reden!“ Die Junior High School hat mit Englisch kaum ein Problem – entweder sie reden einfach drauf los oder wir reden in Chinesisch, was immer eine super Übung für mich ist. Ich habe jetzt auch den Club gewechselt, vom HipHop tanzen zum Gitarre spielen – ich will mal etwas neues ausprobieren, mein Gastbruder hat mich mit Gitarre spielen angesteckt =) Ich hab auch ein Ziel dabei – die Chinesischen Songs die ich jetzt schon singen kann dann auch zuhause in Deutschland zu spielen. Außerdem lerne ich in dem Club eine ganze menge anderer Mitschüler kennen, da der Club der beliebteste in der ganzen Schule ist. Meine „Lehrer“ müssen mit mir reden, irgendwie. Ich muss es schaffen ihre Angst wegzubekommen. Es ist nicht so dass ich keine Freunde hier habe – im Gegenteil, ich habe viele Menschen gefunden die sich total lieb um mich kümmern und an denen ich sehr hänge. Meine erste Gastfamilie – ist hier meine richtige Familie, und das wird sie immer bleiben =) Mein Gastbruder Yoyo wird auch mit Rotary ein Auslandsjahr machen – sein Wunsch: Deutschland! Ich hoffe soo sehr dass es klappt und dass er in meine Nähe kommt. Er hat mir so viel geholfen und tut es immernoch.

Mein Rotaryclub Taipei-Northwest ist einfach super! Sie kümmern sich alle sehr lieb um mich und sagen ich bin die Tochter des Clubs. Wir unternehmen sehr viel zusammen, letzte Woche kam durch das 50Jährige Jubiläum der Japanische Partnerclub zu Besuch. Rotary ist hier in Taipei wirklich fast überall zu finden und sehr angesehen. Die beiden Distrikte in Taipei sind sehr streng mit den Regeln und kontrollieren wirklich alles genaustens, weswegen sie auch ALLES wissen. Selbst die Gasteltern haben Hausaufgaben und sollen eintragen wie lange wir mit unserer Gastfamilie reden, wie lange wir mit ihnen Fernsehen gucken, zu spät kommen, ob wir außerhalb essen oder zuhause, wie oft in der Woche wir weggehen, die Chinesischschule gibt uns ein Hausaufgabenheft das wir immer vom Lehrer und von den Gasteltern unterschreiben lassen müssen…und, und, und. Mir tun da die Gasteltern bisschen Leid um ehrlich zu sein, da wird man als Austauschschüler irgendwie noch mehr zur Last.

Weihnachten und Neujahr..aumann, das war mal was!! =)
Weihnachten nicht zuause zu sein…ja, komisches Gefühl, ich hab die ganze Zeit an zuhause gedacht, lebe aber HIER. Ich hab einfach versucht das Beste aus dem Fest der Liebe, dass hier nur so zum Spass der Geschenke wegen gefeiert wird, zu machen. Und so war mein Weihnachten sehr schön. In der Schule bin ich den ganzen Tag mit Weihnachtsmannmütze herumgelaufen – ja, SCHULE! =D Man schenkt sich hier kleine gebastelte und geschriebene Frohe-Weihnachts Karten und wichtelt ein bisschen unter den Freunden oder in der Klasse. Abends bin ich dann zu meiner ersten Gastfamilie nach Hause gekommen, meine Gastmutter hat extra ein großes Mahl zubereitet und wir haben angestoßen – ich mit Cola die es nur wegen mir gab =D Dann haben wir uns beschenkt – wobei ich die Geschenke meiner Gastmutter und von meinem Gastbruder schon vorher bekommen hatte und ich sie mit ihnen zusammen gekauft hab – beides lustige Geschichten die ich nie vergessen werde =D Die Weihnachtsfeiertage hatte ich dan
n Weihnachtsfeiern – mit den Austauschschülern des 3490 Distrikts und mit meinem Rotaract Club, der sich auch um mich kümmert =)

Neujahr. Das war wohl das beste, verrückteste und längste das ich je erlebt habe. Erst – ja, wirklich – zur Schule gehen. Ich hatte erst geplant zum Konzert bei der City Hall zu gehen, bei dem die größten Stars auftreten würden – kostenlos Open Air. Mein Gastvater meinte es sei für meine eigene Sicherheit besser wenn ich nicht gehen würde – viel zu viele Menschenmassen aus ganz Taiwan würden da sein, die erste Reihe sei schon längst früh um 7 vergeben. Somit habe ich mich nach der Schule um 4Nachmittags mit einigen Austauschschülern bei der Sun Yat Sen Memorial Hall (die hier übrigens keiner unter dem Namen kennt =D) getroffen und wir haben uns unterhalten. Dort gibt es einen kleinen See mit einem Haus, das wir uns gleich mal für den Rest der Nacht reserviert hatten. Nach und nach kamen immer mehr Austauschschüler, auch aus den anderen Distrikten mit Rotexern. Und zusammen hatten wir ab 6Uhr die verrückteste und längste Party überhaupt =) Um 12…wir waren al
le sooo gespannt auf das RIESEN Feuerwerk beim Taipei 101. Ein Jahr lang darauf hingefiebert, jetzt sind wir hier, zum Richtigen Zeitpunkt.

Wer mal ungefähr eine Ahnung bekommen möchte wie das aussah…http://www.youtube.com/watch?v=FFlCx6ODhVg

Ja, es war der Wahnsinn. Unbeschreiblich einmalig. Und ich lebe jetzt in einem Neuen Jahrhundert hier =D Wir haben das Jahr 100. Jede Wette das es nächstes Jahr, 101, beim Taipei 101 noch größer wird, der Tower wird sein bestes geben und seinem Namen alle Ehre machen. 12.30 sollte ich wieder zuhause sein – ich habe bei meiner ersten Gastfamilie für die Nacht gewohnt, sie wohnt nur 10min entfernt von der SunYat Sen Memorial Hall. Mein neues Jahr begann damit einen Ausdauerlauf so schnell wie möglich nach Hause zu machen – vielleicht gleich schon der Vorsatz fürs neue Jahr, mehr Sport um die ganzen Kilos wieder wegzubekommen!? =D Ich war sogar noch 2min eher da, Yoyo kam später auch nach Hause. Mit ihm zusammen habe ich dann noch im Fernsehen die Konzertaufnahmen von Taipei, Kaohsiung und Taichung angesehen, inclusive der Feuerwerke. Einfach der Wahnsinn was Taiwan veranstaltet für ein neues Jahr. Taiwan ist wirklich verrückt manchmal =) Und ja, das waren wir auch – wi
r saßen nämlich bis 6.30am vor dem Fernseher und haben meinem Gastvater der um 6 aus seinem Zimmer geguckt hat noch einen guten Morgen gewünscht =D Die Story werde ich NIE vergessen! =D Bis halb 5pm haben wir dann geschlafen, bis wir geweckt wurden – Rotaryclub Neujahrsparty!
Ihr glaubt garnicht wie viele Partys sie hier feiern und wie viel sie hier unternehmen. Jedes Wochenende und fast immer in der Woche auch noch. Und ganz ehrlich – so gut wie in Taiwan, mit dem Rotaryclub – hab ich noch nie gegessen =D Wir sind der drittälteste Club in ganz Taiwan – haben somit sehr viel Ansehen und ja, auch eine ganze Menge Geld. Somit bestehen die Partys immer aus Programm, Spaß, Seriöse Themen, und dem feiern. =)

Wie Taiwan Deutschland sieht. Sagen wir mal so, Taiwans Nachrichten sind rund um die Uhr am laufen, weswegen ich auch beispielsweise den Wetten Dass… Unfall mitbekommen habe, ein…nicht gerade Vorteilhaftes Bild von Frau Merkel, das Schneechaos oder die Bombenwarnung in den Flughäfen. Gerade letzteres hat mich traurig gemacht. Meine Gastmutter kam zu mir und sagte: Die Nachrichten sagen es ist sehr gefährlich nach Deutschland zu reisen!!! Man muss ganz sehr aufpassen!!“ Um dann von meinen Eltern zuhause zu hören – „Du, eigentlich war nur Panik wegen garnichts.“ Ansonsten – „Deutsche Autos – GUTE AUTOS! Eisbein, Bier, Oktoberfest“ Das kennt man. Ich habe hier auch eine deutsche Wendel`s Bäckerei und Restaurant gefunden – ich schwöre, so langsam hab ich noch nie Bratwurst mit Kartoffelbrei und Sauerkraut gegessen =D Das war das erste Mal nach 3 Monaten das ich Deutsch esse =D Sie haben dort auch Weihnachts-Kalender, Glühwein, Kekse und Plätzchen, Milkaschokolade…eig
entlich alles =) Und in jedem 7eleven gibt es Kinderschokolade und Überraschungseier. Allerdings bisschen teuer ;D

Heimweh? …Ich denke zur Zeit öfters mal an meine Familie und Freunde, und ich habe gemerkt wie SEHR ich an ihnen hänge und ich freue mich das sie mich alle so unterstützen. In Deutschland ist mein Zuhause. Aber. In Taiwan ist auch mein Zuhause. Genauso wie Deutschland es ist. Ich habe Familie und Freunde hier, ich habe ein Leben hier. Und ich werde immer an Taiwan hängen, so unterschiedlich auch alles sein mag – ich liebe den Unterschied. Und es gibt eine Menge Dinge die ich hier vermissen werde – das fängt schon beim Essen an =D Schon schlimm das ich jetzt schon über den Abschied nachdenke. Es ist wirklich so – lebe jeden Tag als wäre es dein letzter und genieße so gut wie es geht; gib dem Tag mehr Leben, denn du kannst deinem Leben hier nicht noch mehr Tage geben. Erstmal. Wie es in der Zukunft aussieht weiß ich für mich auch noch nicht – vielleicht komme ich nochmal zurück, das steht alles in den Sternen.

Taiwans Politik – macht mich traurig. Erstens weil Taiwan sooo viel versucht, sich so sehr bemüht von anderen Ländern gesehen zu werden. Die international Flora Expo, das Feuerwerk beim Taipei 101, das Verhalten der Taiwanesen gegenüber Ausländern, das Auftreten im Ausland – da denke ich speziell an die liebe Hilfe von Taiwans Vertretung in Berlin! – die vielen Werbematerialien für das Land, die Bemühung gute Produkte herzustellen und den Tourismus hier so gut wie möglich weiterzuentwickeln…und doch wissen viele nicht wo Taiwan ist, wie Taiwan ist, haben vielleicht Angst vor dem ganzen Unbekannten. Taiwan wird nicht gesehen. Und unter China wird das auch nicht möglich sein. Beziehungsweise auch unter der jetzigen Regierung Taiwans. es ist als ob Taiwan an zwei Enden eines Strickes gleichzeitig zieht, und nie vorwärts kommt. Auf der einen Seite will Taiwan gesehen werden, will auf sich aufmerksam machen, will als eigenes Land anerkannt werden – auf der anderen Seite
knüpft die jetzige Regierung unmengen an Verträgen mit China, will die Freundschaft zeigen. Das einzige was beide Seiten wollen ist Frieden. Mit den Raketen Chinas die dabei auf Taiwan gerichtet sind steckt Taiwan also in einer riesigen Zwickmühle und kommt nicht heraus. Unabhängikeit = Krieg, Abhängigkeit = Freiheitseinschränkung. Jetzt ist zum Glück keines von beiden. Es ist echt fraglich wie die ganze Situation ausarten wird…

So, ich denke ich hab alles verewigt was in meinem Kopf so herumschwirrt. Viel zu viel um jemals alles aufzuschreiben – und ich bin dankbar dafür dass es so viel ist was ich schreiben könnte! Jedes geschriebene Wort ist ein Stück Erfahrung die ich hier gewonnen habe – und dafür möchte ich mich nochmals herzlich bei allen bedanken!!!

Liebe Grüße aus meinem kleinen Paradies – Taiwan.
Michaela

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