Finnland – 3. Bericht von Nadja

Liebe Outbounds,

ich finde es sehr toll, dass ihr, genau wie ich vor einem Jahr, die Entscheidung getroffen habt, ins Ausland zu gehen. Sicherlich freuen sich die meisten von euch schon sehr darauf, endlich loszulegen, wegzugehen, eine andere Kultur und neue Menschen kennenzulernen, aber viele haben bestimmt auch eine Menge Zweifel, ob es denn wirklich die richtige Entscheidung war, ein Jahr auf sein gewohntes Umfeld, seinen Freundes- und Familienkreis zu verzichten. Genau diese Zweifel hatte ich vor einem Jahr, und bestimmt auch viele meiner „Austauschkollegen“.

Trotzdem kann ich euch sagen, dass es sich lohnt, über diese Ängste hinwegzusehen und den Schritt einfach zu wagen, ohne groß darüber nachzudenken, was alles schieflaufen könnte. Ihr solltet euch lieber Gedanken darum machen, was ihr alles in eurem Gastland unternehmen möchtet, und wenn ihr erst einmal da seid, dann fangt am besten gleich an, eure Liste abzuarbeiten. Denn – es wird zwar von vornherein von vielen gesagt aber so richtig merkt man es, wenn man selbst im Austausch war –  die Zeit vergeht einfach viel zu schnell und schwupps schon ist ein Jahr rum, ohne dass man es richtig gemerkt hat und es bleibt kaum noch Zeit, alles das zu machen, was man sich vorgenommen hatte. Trefft euch so oft wie möglich mit Freunden, macht Reisen (nicht vergessen, Rotary vorher zu fragen) und unternehmt viel mit eurer Gastfamilie. So lassen sich die ersten Startschwierigkeiten im Gastland schnell beseitigen, man fühlt sich als Teil von diesem und die anfänglichen, üblichen Probleme wie „der Zeit die nur so dahin schleicht“ lösen sich in Luft auf. Denn obwohl so ein Austauschjahr im Nachhinein betrachtet eine sehr kurze Zeit ist, kann es trotzdem Momente geben, in denen ihr euch leer fühlt, träge, lustlos und die Zeit einfach nicht vergehen will.

Mir ging es hier in Finnland fast den ganzen Winter so, was noch dadurch verschlimmert wurde, dass ich „irgendwo im Wald“ gelebt habe. Solche Dinge können einem als Austauschschüler immer passieren. Stundenlange Busfahrten bis zur Schule, die Gastfamilie mitten in der Provinz – aber das muss nicht immer etwas Schlechtes sein. Ich bin fünf Monate bei Minusgraden und eiskaltem Wind jeweils eine halbe Stunde zur Bushaltestelle und zurück gelaufen. Wenn man das erst einmal hinter sich hat, weiß man die Temperaturen und die Entfernungen in Deutschland wieder richtig zu schätzen (obwohl es einige hier in Finnland auch sicherlich schlechter getroffen hatten als ich).

Und im Frühling kommen einem alle Wege lustiger weise viel kürzer vor als sonst. Nach jedem Regen kommt ein Sonnenschein. So ist es zum Beispiel auch, wenn ihr Probleme mit eurer Gastfamilie habt. Meinen Erfahrungen nach kann man sich da voll und ganz auf Rotary verlassen. Sie haben meine Probleme, auch wenn sie einigen vielleicht auch noch so kleinlich erscheinen, sehr ernst genommen und mir geholfen wo sie konnten. Mit meiner Counselorin und ihrem Mann habe ich ein super Verhältnis und sie haben sich gleich darum bemüht, eine neue Gastfamilie für mich zu finden, und haben mich auch einige Male zu sich eingeladen. Sollten mit euren Gasteltern Probleme auftauchen und auch nach mehrmaligen Diskussionen mit der Familie nicht gelöst sein, so denkt auf keinen Fall, dass es an euch liegt, wenn ihr euch sicher seid, dass ihr euch nicht falsch, unfreundlich oder respektlos verhalten habt. Natürlich sollte man immer sein eigenes Handeln zusätzlich hinterfragen, aber es muss nicht immer die Schuld des Gastschülers sein, auch einige Gastfamilien sind manchmal einfach nicht dazu imstande, sich um jemanden zu kümmern. Sei es aufgrund von Finanz-, Privat- oder Motivationsproblemen oder warum auch immer. Mir wurde zum Beispiel in der ersten Woche gesagt „Wir hätten nie einen Gastschüler aufgenommen, wenn wir mehr Geld für eine andere Austauschorganisation als Rotary gehabt hätten!“ Das sitzt. Aber lasst euch nicht entmutigen, es liegen immerhin noch 2-3 Familien vor euch und mindestens eine von ihnen wird gut zu euch passen, auf euch eingehen und sich für euch interessieren.

Ich bin zurzeit bei meiner dritten Gastfamilie und fühle mich richtig wohl hier und will gar nicht mehr weg, weil ich meine Gastschwestern so ins Herz geschlossen habe. Aber irgendwann ist für jeden einmal die Zeit gekommen, sich zu verabschieden und sein Austauschjahr loszulassen. Das heißt aber noch lange nicht, dass ihr euch alle die Freunde, Erfahrungen und schönen Erlebnisse, die ihr in eurem Gastland hattet, nicht bewahren könnt. Sie werden euch ein Leben lang begleiten, euch stärker machen und euren Blick auf die Welt und euer eigenes Leben verändern. Und denkt immer daran während eures Austauschjahres: ihr seid nicht allein! Ihr habt (höchstwahrscheinlich) eine tolle Familie und Freunde, die euch, egal was passiert, unterstützen werden. Auch euer Rotary Club (egal ob im Heimat- oder Gastland) wird euch immer zur Seite stehen! Solltet ihr doch einmal in einer schwierigen Situation daran denken, mitten im Austauschjahr abzubrechen, denkt immer daran und ruft euch auch in Erinnerung, dass dies eine einmalige Chance für euch ist, ein Privileg, dass ihr bekommen habt und ihr solltet euch diese Möglichkeit von nichts und niemandem verderben lassen – tut euch selbst diesen Gefallen.
Ich wünsche euch alles Gute, ein wunderschönes, erlebnisreiches Austauschjahr und viele wertvolle Bekanntschaften, die euer Leben verändern werden!

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