USA – 2. Bericht von Haiyen

 

Litchfield, 11. Maerz 2012

Sehr geehrter Rotary Club!

Es sind schon wieder einige Monate vergangen und ich bin schon seit mehr als einem halben Jahr in den Staaten. Und ich merke immer mehr, wie schnell die Zeit vergeht und es nicht mehr lange dauert, bis ich wieder auf deutschem Boden bin.

Es steht nun fest das ich in weniger als vier Monaten, am 07. Juli, in Berlin ankommen werde, wenn mein Flug nicht wieder gestrichen wird. Bis jetzt lebe ich immer noch mit den Grosenheiders, was ich immer noch sehr geniesse!

Eines der groessten und schoensten Erlebnisse am Ende des letzten Jahres waren natuerlich Weihnachten und Silvester. Am ersten Ferientag haben meine Freunde und ich noch die letzten Geschenke aufgetrieben und am Abend eine schoene Weihnachtsfeier mit selbstgebackenen Lebkuchen und Weihnachtsfilmen gehabt. Und schon ein paar Tage spaeter war Heiligabend. An dem Morgen sind wir zu den Grosseltern muetterlicherseits gefahren und haben dort mit Onkel, Tanten und Cousins ein Brunch gehabt, sassen spaeter alle im Wohnzimmer verbreitet und haben Geschenke ausgetauscht. Ich kann nur sagen, dass mir das Herz aufgegangen ist als ich alle drei Generationen so gluecklich zusammen gesehen habe. Jeder einzelne hat mich mit einbezogen und mir das Gefuehl gegeben, dass ich mit meiner eigenen Familie Weihnachten feiere. Ich dachte, dass das Heimweih zu Weihnachten zunehmen wuerde, aber da hab’ ich mich wohl geirrt. Am spaeten Nachmittag ging es nach Hause, damit wir, bevor wir zur Weihnachtsmesse in die Kirche gehen, noch etliche Bilder vor dem Tannenbaum machen konnten. Die Kirche war vollgepackt und es wurde natuerlich viel gesungen. Traurig aber wahr, ich musste meinen Gastbruder mindestens zwei mal aufwecken! Aber immerhim haben wir wirklich immer etwas zu Lachen in der Familie. Zum Dinner ging es zu den anderen Grosseltern, die nicht weit von unserem Haus entfernt wohnen. Auch dort kam die Familie zusammen. Nach viel zu viel fettigem Essen wurden die Geschenke geoeffnet und viel gequatscht. Da ich noch nie Weihnachten mit meinen Grosseltern verbracht habe, muss ich sagen, dass es sehr schoen war, in einem grossen Familienkreis zu feiern.

Wofuer meine Gastgeschwister einmal im Jahr gerne frueh aufstehen, war natuerlich Weihnachten. Ich dusche mich ja eigentlich jeden Morgen bevor ich mich irgendwo blicken lasse, aber an diesem Morgen haben mir Shayla und Cole keine andere Wahl gegeben als einfach nur in Schlafsachen ins Wohnzimmer zu rasen und den eigenen Stapel an Geschenken zu suchen. Jeder hatte dann seinen eigenen Haufen und seine Geschenke abwechselnd geoeffnet. Schliesslich haben wir auch mit meiner Familie geskypt und die hat mit zugesehen, wie ich die versteckte Gurke im Tannenbaum gefunden habe. Es war natuerlich keine echte Gurke, aber das lustige daran war, dass wir aus dem Wohnzimmer gehen mussten und meine Gastmama sie versteckt hat. Doch meine Familie in Deutschland hat ihr dabei zugesehen und als wir drei dann endlich suchen durften hat meine Schwester nur auf laut gerufen: “Neee, du must weiter oben suchen!” waehrend Cole und Shayla irgendwo rumgesucht haben. Somit hab’ ich die 20 Dollar gewonnen, mit der Hilfe moderner Technik. Keiner hat mitgekriegt, dass sie mir einen Tipp gegeben hat, aber ich habe zugegeben, dass ich ein wenig gemogelt hab und jeder konnte darueber lachen. Jedoch war das noch nicht alles. Da jeder ein “grosses” Geschenk bekommt, liegt es nicht einfach unter dem Tannenbaum, sondern irgendwo versteckt auf der Farm. Dafuer wurden wir in den Keller geschickt, bevor es auf den sogenannten “scavenger hunt” ging. Es gab einige Tipps und nach nur kurzer Suche habe ich ein Tablet gefunden! Ich hab’ mich super gefreut und durfte meine Freude mit meiner Familie teilen, die via Skype auf dem iPhone quer mit mir auf der Farm rumgerannt ist. Es war schoen zu sehen, wie sich jeder auch ueber meine Geschenke gefreut hat und natuerlich durfte eine Dresdener Stolle nicht fehlen.

Schon einige Tage spaeter ging es mit dem Pick Up Truck ueber Wisconsin nach Michigan. Nach einer 10 stuendigen Fahrt waren wir endlich angekommen und ich bin zum ersten mal Snowmobile gefahren! Ich bin meistens bei jemandem auf dem Ruecken mitgefahren, aber einige Male durfte ich auch mal ran! Und es hat echt “gefetzt”. Ueber einen gefrorenen See oder durch die Waelder in den Bergen zu fahren passiert nicht jeden Tag. Und die Routine der Tage war Aufstehen, Fruehstuecken, aufs Snowmobile setzen und bis zu einer Bar fahren, wieder ein Stueck fahren bis man die naechste Bar entdeckt hat und so weiter bis zum spaeten Abend. Und so haben wir auch Silvester verbracht. Zwar nicht mit vielen Feuerwerken, sondern eher gemuetlich in der Huette anstossen. Draussen hat es maechtig geschneit und war sehr kalt, also war es dieses Mal ein eher ganz ruhiger Rutsch ins neue Jahr.

Und dann hat auch schon das zweite Semester angefangen. Und ich muss sagen, dass ich nun wirklich langsam bisschen faul werde. Statt den schweren Faechern belege ich dieses Halbjahr nun einen Kurs in dem ich naehe und einen anderen, in dem ich lerne, wie ich Millionaer werden kann.  Ich freue mich schon regelrecht auf den Unterricht, in dem man gelegentlich ein Nickerchen machen kann, oder sich mit dem Lehrer ueber Deutschland unterhaelt. An den Wochenenden mache ich ueblicherweise was mit Freunden. Da jeder hier sein eigenes Auto hat, faehrt man zu Basketball Spielen, geht irgendwo essen oder faehrt von einem zum anderen Haus. Aber im Januar sind meine Gastmama, Gastschwester und ich nach St. Louis zu einem sogenannten “International Market” gefahren und haben in diesem ein wahres Paradies gefunden. Deutsche Schokolade, Nudeln, etc. Alicia und Shayla standen am Schokoladenregal und haben nicht eine Sekunde gezoegert und mindestens 20 Tafeln Schokolade fuer je $3 in den Einkaufswagen gepackt. Eierspaetzle, Erdbeermarmelade und Haribo hab’ ich auch gefunden. Ausserdem gab es auch viele asiatische Zutaten, sodass ich gleich mal asiatisch Kochen konnte. Seitdem ich hier bin, koche ich ziemlich viel fuer meine Familie, die eher von Tiefkuehlkost und Fast Food lebt. Schliesslich hat der Februar mit dem Superbowl gestartet, welches hier richtig gross gefeiert wird. Jeder hat an diesem Tag eine Haus Party, bei der man mit Herz und Seele das Spiel verfolgt, schreit, flucht und auch mal weint. Mir war es ziemlich egal wer gewinnt, aber diese Emotionen zu sehen, war schon sehr amuesant! Ansonsten war der Winter dieses Jahr ziemlich mild und brachte uns leider keinen Schnee.

Die anderen Austauschschueler in meinem Distrikt hatte ich bis vor einer Woche seit drei Monaten nicht gesehen, da diese ziemlich weit von Litchfield leben und wir kein Meeting im Januar hatten und ich das Treffen im Dezember wegen dem Trip nach Chicago verpasst habe. Und um ehrlich zu sein, sind die Treffen in meinem Distrikt nicht so aufregend, wie die von anderen. Und mit Deutschland ist es gar nicht zu vergleichen. Wir sind gerade mal acht Austauschschueler und gehen fast jedes Mal in ein Museum. Doch deshalb haben einige andere und ich die Initiative ergriffen und mal Vorschlaege gemacht, was man beim naechsten Treffen so machen koennte. Am kommenden Wochenende werden wir wieder zusammenkommen, und dieses Mal geht es nach Indianapolis, Indiana. Aber dieses mal kommen auch die Outbounds mit, die ziemlich aufgeregt sind. Fuer die Mehrheit geht es nach Europa, was mich natuerlich gefreut hat!

Mit meiner Familie skype ich fast jedes oder jedes zweite Wochenende. Heimweh ist bei mir nie richtig verflogen, es kommt nur darauf an, ob ich ueberhaupt Zeit fuer Heimweh hatte. Wenn man gut beschaeftigt ist, denkt man gar nicht so oft daran, dass man jemanden zuhause vermisst. Aber langsam kriege ich auch schon mit wie mein kleiner Bruder sich in der Zeit, in der ich weg bin, veraendert und entwickelt. Doch auch ich entwickle mich in dieser Zeit weiter und mein Englischlehrer hat mir oftmals gesagt, wie sehr sich mein Englisch verbessert hat und, dass ich gar keinen Akzent habe. Er hat auch mir anfangs nicht die beste Note gegeben, aber am Ende des ersten Semester stand ich dann auf einer glatten 1 und war sogar besser als meine aeltere Gastschwester, die im selben Kurs ist. Und da wir nach den Weihnachtsferien unsere Halbjahreszeugnisse bekommen hatten, waren meine Gasteltern super stolz, dass ich 4. von ueber 100 Schuelern in der 11. Klasse bin. Ich denke, ich kann es besser, aber ich werde immer wieder ermahnt, dass ich nicht so selbstkritisch sein soll.

Und nun hat auch Fussball angefangen! Jeden Tag, bis auf Sonntag, trainieren wir zwei Stunden. Da ich ja aus Deutschland bin und die andere Austauschschuelerin aus Brasilien, haben einige erwartet, dass wir es richtig drauf haben. Aber wir mussten alle enttaeuschen, denn wir wussten fast nichts mit dem Ball anzufangen! Zwar habe ich noch nie richtig Fussball gespielt, doch ich denke nach nun zwei Wochen Training sieht es gar nicht mehr soo schlimm aus. In einer Woche beginnt die Saison und das heisst, jede Woche mindestens zwei Punktspiele. Klingt vielleicht anstrengend, aber ich kann es kaum erwarten!

Ich hab’ meinen Platz hier gefunden und kenne nun so viele Menschen hier. Ich habe mich auch schon total an die Lebensweise hier gewoehnt. In der Woche geht es nur um Schule und Sport und an den Wochenenden geht man zu Wettkaempfen, Spielen und dann macht man was mit Freunden oder geht mit der Familie essen. Und in der Schule wird immer mal wieder Geld gesammelt, um Familien, die beispielsweise vor kurzem ihr zuhause durch einen Brand verloren haben, zu helfen  (zum Beispiel muss man $1 bezahlen, wenn man an dem bestimmten Tag eine Muetze traegt). Jeder hilft hier jedem und das mag ich so sehr an Litchfield. Man kennt jeden und ist bereit zu helfen.

Ich wusste, dass die Zeit zum Ende hin immer schneller vergeht, aber dass es nur noch ungefaehr 10 Wochen bis zum Schulschluss bleiben, ist uebertrieben schnell. Ich kam hier an als die Sojabohnenfelder vor dem Haus gruen sind; hab es erlebt, wie sie braun wurden, wie sie geerntet wurden; wie die Felder dann bearbeitet wurden und brach liegen; und schliesslich werde ich miterleben, wie die Bohnen aus der Erde spriessen. Deshalb geniesse ich jeden Tag hier und werde gerne nicht gehen, bevor ich wirklich muss!

 

Herzliche Gruesse aus Litchfield, Illinois

Haiyen

 

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