Taiwan – 1. Bericht von Laura Sophie

Rotary Youth Exchange 2012/13                                   Hualien,29.09.2012
Laura Sophie Ritter, Hualien, Taiwan
1. Quartalsbericht

Sehr geehrter Herr Krawczyk,  Sehr geehrter Herr Stehr,
sowie alle weiteren Mitglieder des Rotary Clubs Freital,
   
herzliche Grüße aus Taiwan! Heute vor genau sechs Wochen ging mein Flieger gen Osten, und jetzt sitze ich hier am Küchentisch und schreibe den ersten Bericht über meine erste  Zeit hier in Taiwan.

Doch bevor ich über mein neues Leben berichte, möchte ich mich noch einmal bei allen bedanken, die mir das hier ermöglichen.  Ein großes „Dankeschön!“ an meinen Sponsoring Club und natürlich auch Distrikt und besonders an Sie, Herr Krawczyk und Herr Stehr, die Sie mir bei all‘ meinen Fragen und Problemchen jederzeit geholfen haben. DANKE!
Eineinhalb Monate lebe ich jetzt schon 9000km entfernt der Heimat und ich muss wirklich sagen: Ich bin hier sehr glücklich. Vor gut einem Jahr habe ich noch gesagt: „Alles! Bloß nicht Asien!“ und jetzt geht es mir ausgerechnet an diesem Fleckchen Erde so gut.
Ich wurde am Flughafen von meiner Gastfamilie herzlich in Empfang genommen und seit dem baue ich Stück für Stück eine Beziehung zu meiner neuen Familie auf. Ich fühle mich bei ihnen sehr wohl. Alle sind darum besorgt, dass es mir gut geht.  Wenn es irgendwas zu diskutieren gibt, wird das klar angesprochen, was ich sehr angenehm finde. Mein neues zu Hause liegt sehr zentral, so dass ich in drei Minuten mit dem Fahrrad in der Stadt bin und auch bis zur Schule sind es nicht viel mehr als fünf Minuten. Wenn ich das Haus verlasse kann ich sowohl das Meer als auch die Berge sehen (wenn sie nicht wie so oft von dicken Wolken verhangen sind).  Ich finde das Schöne an Hualien ist, dass es neben einer vielseitigen Natur auch ein aufregendes Stadtleben gibt. In unzähligen Seitenstraßen und natürlich den großen Hauptstraßen (Roads) kann man einiges entdecken, seien es die verschiedenartigsten taiwanesischen Snacks oder die unzähligen kleinen Läden und Straßenhändler.
Seit ich hier bin, habe ich schon wahnsinnig viel erlebt. Gleich an den ersten Wochenenden habe ich an insgesamt drei Festivals der Aborigines teilgenommen. Ein wirklich atemberaubendes Erlebnis, mit hundert Menschen in traditioneller Kleidung über den Platz zu tanzen. Auch habe ich mit meinem Rotary Club im Rahmen des diesjährigen Mottos „Peace through service“ Reis angepflanzt und Fische gefangen. Gemeinsam mit dem Austauschschüler aus Korea hat das sehr viel Spaß gemacht. Mit meiner Gastfamilie war ich schon mehrmals in Taipei, richtig Zeit zum Sightseeing hatten wir allerdings noch nicht. Was ich schon gesehen habe ist der 101 Tower und der Shilin-Nachtmarkt, einer der größten und berühmtesten Taipeis, der mich sehr fasziniert hat. Zudem hat schon unsere erste Orientation stattgefunden, wo ich alle anderen Austauschschüler aus dem Distrikt kennen gelernt habe. In meiner Stadt leben neben dem Koreaner noch drei Schüler aus Brasilien, ein Thailänder und in der Nähe ein Junge aus Kanada. Wir verstehen uns sehr gut, doch leider wurde uns jetzt mitgeteilt, dass wir uns alle nur einmal im Monat treffen können, was wir nicht so toll finden, war doch unser gemeinsames Treffen immer das Highlight der Woche.
An das Essen habe ich mich mittlerweile ganz gut gewöhnt, ich gehe mit meiner Familie eigentlich nur außer Haus essen, mein Frühstück kaufe ich drei Häuser weiter und in der Schule gibt es entweder eine Reisbox, Essen in der Kantine oder ein Sandwich. Es gibt hier Brot, was mich sehr erstaunt hat, allerdings ist es sehr süß und nicht zu vergleichen mit deutschem Brot. Es erinnert mehr an ein Milchbrötchen. Ich versuche alles zu probieren, denn erst dann kann ich sagen, ob es gut ist oder nicht. Doch ich kann Schweineohren noch so oft kosten, ich mag sie trotzdem nicht. Genauso wenig wie Schweinedarm und Tintenfisch. Aber ich habe eine Leidenschaft für Sushi und Muscheln entdeckt.
Meine Schule ist sehr groß und umfasst mehr als 1500 Schüler. Da es eine Berufsschule ist, sind das überwiegend Jungs. Von 40 Schülern in meiner Klasse sind 6 Mädchen, plus ich sieben. Auf den Gängen werde ich auch nach vier Wochen immer noch neugierig angestarrt, begrüßt und wenn ich sie anlächle kichern sie. Auch außerhalb der Schule kommen mir überall neugierige Blicke entgegen und ich werde sehr oft auf meine Herkunft angesprochen, sogar an der Ampel.
Im Unterricht jedenfalls verstehe ich wirklich nichts. Hinzukommt, dass meine Klasse auf Computer Wissenschaften spezialisiert ist, was nun nicht unbedingt das ist, wofür ich mich besonders interessiere. Aber das macht nichts, da ich die Zeit nutze, um viel Chinesisch zu lernen. An sich darf ich im Unterricht alles machen, außer schlafen (was manchmal ein bisschen schwer fällt). Nach der Mittagspause legen sich  alle für ca. 40 Minute auf ihre Bank und schlafen. Derzeit habe ich auch Schwimmunterricht, was ganz lustig ist. Ich bin an der Schule die einzige Austauschschülerin, im Winter soll noch ein Junge aus Brasilien kommen. Zweimal in der Woche habe ich Chinesischunterricht. Mit meiner Lehrerin verstehe ich mich sehr gut und der Unterricht ist unglaublich effektiv. Seit ich hier bin, lerne ich wirklich sehr viel, was ich von mir selbst gar nicht so erwartet habe, doch zum einen will ich in der Schule die Zeit nicht nur absitzen und zum anderen will ich endlich verstehen, was alle Welt um mich herum erzählt. Das ist besonders so, wenn ich genau weiß, dass sie über mich reden, aber ich weiß nicht was sie sagen. In der ersten Zeit hatte ich wirklich das Gefühl stehen zu bleiben und überhaupt nicht voran zu kommen. Aber seit ungefähr einer Woche zeigen sich die ersten kleinen Fortschritte. Ich kann mich besser verständigen, verstehe besser, wenn irgendjemand was von mir will und verstehe sogar gelegentlich etwas in meiner Umgebung. Am Mittwoch habe ich mit Schreiben angefangen, und es macht mir wirklich viel Spaß. Und ich freue mich über jedes Zeichen, was ich im Alltag erkenne. Ab Januar ist geplant, dass ich Kalligraphie Unterricht bekomme.
Mein Schultag ist sehr lang. Er beginnt halb acht und ist erst um fünf zu Ende. Da bleibt wenig Zeit für andere Aktivitäten. Ich versuche drei Mal in der Woche auf einem nah gelegenen Sportplatz joggen zu gehen, da ich nicht mit 10 Kilo mehr zurückkommen möchte. Allerdings  macht mir das Wetter manchmal einen Strich durch die Rechnung. Ich würde gerne tanzen, aber ich weiß noch nicht so richtig wo. Meine „Schwester“, eine Austauschschülerin, die letztes Jahr im Ausland war und sich jetzt mit um mich kümmern, versucht gerade etwas für mich zu finden.
Das habe ich schnell gelernt, wenn man etwas will, muss man sich selbst darum kümmern oder Leute finden die einem helfen können. Es wird niemand auf einen zukommen und einem alles aus der Nase ziehen. Ich wollte beispielsweise ziemlich zeitig einmal alleine die Stadt erkunden, fragte meine Gasteltern und das war dann auch kein Problem. Sie hätten mich allerdings nicht gefragt, ob ich mal alleine in die Stadt wollte. Man muss da schon selbst die Initiative ergreifen. Das ist vielleicht ganz wichtig zu wissen, für alle zukünftigen Austauschschüler.
Ich lerne hier nahezu jeden Tag neue Leute kennen, sei es in der Schule, wo ich zum Mittag eingeladen werde, die Frau, die mir am Bankautomaten hilft oder Leute in der Stadt. Gemeinsam mit meinen Klassenkameraden war ich schon auf einen Nachtmarkt und am Strand.
Für mich steht erst einmal noch das Chinesisch lernen im Vordergrund. Ich versuche viel zu sprechen, aber oftmals verstehe ich die Menschen nicht, weil sie so schnell sprechen und denken, ich wüsste alles. Da in der Woche meist nichts Spektakuläres passiert, versuche ich, wenn nichts geplant ist, selbst am Wochenende was zu unternehmen, in die Stadt zu fahren. Aber ich weiß noch nicht wie das werden soll, wenn ich die anderen Austauschschüler nicht mehr sehen darf.

Heute werden wir gemeinsam mit meinen Rotaryclub das Moonfestival feiern, nächstes Wochenende geht es nach Taipei und in der Schule werde ich wieder viel lernen.

Auf den Tag genau in neun Monaten werde ich zurück nach Deutschland fliegen, und in manchen Momenten denke ich mir: „Um Gottes Willen, wie soll ich denn all‘ das schaffen, was ich mir vorgenommen habe?“  In meinem Taiwanführer habe ich mir überall einen Zettel dran geklebt, wo ich in meinem Jahr gewesen sein möchte. Mal sehen, wie viele Klebezettel Ende Juni noch da sein werden.

Im Moment kann ich einfach nur sagen, dass es mir hier sehr gut geht. Auch wenn sich langsam nach der ersten Euphorie, einige ein wenig eigenartige Dinge zu erkennen geben (wie beispielsweise, dass meine Klasse manchmal wie ein Kindergarten ist, was sie sich hier rumschubsen und rumbrüllen, das ist doch etwas verstörend), geht es mir wirklich gut. Ich denke oft an meine Eltern und Freunde, ja, aber ich kann nicht sagen, dass ich irgendwen oder etwa vermisse. Dazu geht es mir einfach zu gut.

Ich hoffe Ihnen hat mein kurzer Bericht gefallen und ich konnte Ihnen einen kleinen Einblick in mein Leben fernab der Heimat ermöglichen.

Liebe Grüße,

Laura Sophie Ritter

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