Chile – 1. Bericht von Katharina

Erste Eindrücke

Ich bin sehr glücklich und kann es nicht fassen, dass ich bis jetzt noch kein Heimweh hatte. Mir wird immer wieder bewusst, wie froh ich sein kann, diese Chance zu haben. Ich habe in einem Monat so viel erlebt und gelernt, was mir in Deutschland niemals so passiert wäre.

Sprache

Ich habe einen Spanischkurs für ein Jahr vor meinem Austausch gemacht, jedoch hier in Chile besuche ich keinen speziellen Kurs. Meine Sprachkenntnisse haben sich definitiv verbessert, was ich besonders nach einem Monat gemerkt habe. Ich muss aber noch relativ nachfragen, wenn jemand mit mir redet, im Vergleich dazu fällt mir das Sprechen leichter. Mich in andere Gespräche einzubringen gestaltet sich als schwierig. Es ist erstaunlich, wie viel ich alleine in dieser relativ kurzen Zeit gelernt habe. Besonders die Sprachbarriere hatte ich mir vor meinem Auslandsjahr als sehr schwierig vorgestellt, aber irgendwie kann man sich immer verständigen. In meiner Gastfamilie rede ich nur Spanisch und mittlerweile hauptsächlich auch mit meinen Klassenkameraden. Natürlich steigt man auch manchmal auf Englisch um (wenn der andere diese Sprache denn spricht), aber das wird immer seltener.

Die erste Zeit

Die letzten Wochen vor meinem Austausch herrschte in mir ein einziges Gefühlschaos, was jedoch auch ziemlich gut überschattet wurde durch den Stress, den ich noch hatte. Zimmer aufräumen, Leute verabschieden, Koffer packen…wirklich Zeit für mich und meine Gefühle hatte ich also eigentlich nicht und so kam es, dass ich selbst beim Abflug noch nicht realisieren konnte, dass ich nun wirklich für ein Jahr einfach weg bin. Ohne meine Familie, Freunde und der Sicherheit, sich in einer Sprache wirklich ausdrücken zu können. Der Flug verlief für mich mäßig gut, da ich einige Stunden mit Übelkeit und Bauchschmerzen zu kämpfen hatte, jedoch verging die Zeit am Ende dennoch sehr schnell. Ehe ich mich versah landeten wir schon in Santiago und ich traf zum ersten Mal auf meine Gastfamilie, welche mich wundervoll herzlich empfing, auch wenn ich in der Aufregung nicht im Stande war, wirklich sinnvolle spanische Sätze von mir zu geben. Beim Flughafen konnten wir Austauschschüler dann auch gleich zum ersten Mal den Nationaltanz „Cueca“ live miterleben, welcher nur ein kleiner Teil der interessanten Kultur Chiles ist.

Auf der Autofahrt nach Rancagua saugte ich vor allem die ganzen neuen Eindrücke von der Landschaft in mich ein und versuchte zu realisieren, dass ich wirklich hier leben werde für ein Jahr.

Im Vornherein habe ich mir sehr viele Gedanken gemacht, wie es wohl sein wird plötzlich in einer fremden Familie zu leben. Ich dachte ehrlich gesagt immer, dass man ein bisschen gehemmt ist und sich nicht als wirklicher Teil fühlen kann. Dass man, was auch passiert, immer nur ein Gast bleiben wird. Doch nun bin ich hier, und es ist komplett anders. Meine Familie ist wundervoll und so lieb zu mir, dass ich manchmal frage, womit ich das verdient habe.

Ich habe hier eine kleine Gastschwester, die 11 Jahre alt ist, bei der ich zuerst dachte, dass wir nicht wirklich einen Zugang zueinander finden, weil ich anfangs immer das Gefühl hatte, dass sie eher nicht so begeistert ist, dass ich nun da bin. Doch mittlerweile liebe ich die Unterhaltungen mit ihr und habe sie wirklich lieb gewonnen.

Weiterhin habe ich auch noch eine ältere Schwester, die jedoch in einer anderen Stadt studiert, weshalb wir uns nicht so oft sehen, aber auch sie ist bis jetzt sehr sympathisch.

Mein Vater arbeitet leider sehr viel, aber ich bewundere ihn immer dafür, dass er abends noch so gut gelaunt sein kann. Er ist sehr lustig und kennt sich sehr gut in Geschichte und Politik aus, was auch immer sehr interessant ist.

Meine Mutter spricht nur Spanisch und dennoch hat sie von Anfang an sehr viel mit mir geredet, wofür ich ihr unglaublich dankbar bin, weil ich sicher bin, dass das, besonders in der ersten Zeit, sehr nervenauftreibend war. Sie ist sehr fürsorglich und ich habe sie wirklich lieb gewonnen.

Vor dem ersten Schultag war ich unglaublich nervös, was jedoch völlig unberechtigt war. Meine Klasse hier ist so wahnsinnig offen und lustig, was den Aspekt, dass die Schule unglaublich langweilig ist, ganz gut weg macht. Weiterhin ist in meinem Kurs noch eine andere Deutsche, was besonders am Anfang ganz schön ist, weil man nicht ganz allein war. In den Pausen habe ich immer eine Gruppe mit der ich reden kann, jedoch habe ich mich bis jetzt, noch nicht so oft nachmittags mit Klassenkameraden getroffen. Aber ich bin optimistisch, dass das noch kommt. Diese Woche habe ich nun beschlossen mir auch endlich meine Hobbys aus dem breitgefächerten Freizeitangebot meiner Schule auszusuchen, wo ich mir erhoffe noch mehr Leute kennenzulernen und nebenbei meine Spanischkenntnisse zu verbessern.

Mein Rotary-Club hier heißt „Requinoa“ und besteht aus ungefähr zehn Männern im gehobenen Alter. Ich bin gemeinsam mit einer anderen Deutschen im Club, die auch meine Schule besucht. Wir verstehen uns sehr gut miteinander und besuchen uns auch häufig, jedoch haben wir auch jeder unsere chilenischen Freunde. Die Mitglieder sind alle sehr interessiert an uns und die Treffen sind immer sehr lustig, aber wir müssen bei diesen nicht regelmäßig anwesend sein.

Das schönste Erlebnis war bis jetzt die Reise mit meiner Familie nach Bariloche, einer Stadt im Süden von Argentinien. Ich bin meiner Familie so unglaublich dankbar für die Möglichkeit und habe die Zeit sehr genossen. Die Landschaft dort war einfach unglaublich und mit nichts zu vergleichen, was ich bis jetzt gesehen habe. Wunderschöne Seen, riesige Vulkane und schneebedeckte Berge. Ich hatte sogar die Chance für zwei Tage Ski zu fahren, was eine tolle Erfahrung war, da ich zwar schon sehr lange in Deutschland fahre, aber es in Bariloche etwas vollkommen anderes war. Ich denke außerdem, dass diese Reise meine neue Familie und mich auch mehr zusammengeschweißt hat.

Heimweh hatte ich bis jetzt noch nicht. Manchmal kommt es vor, dass ich enttäuscht bin, weil ich mich nicht so ausdrücken kann wie ich will in Spanisch oder ich habe das Gefühl, dass ich nicht offen genug bin, aber das hat für mich nichts mit Heimweh zu tun. Ich fühle mich sehr wohl und es immer so viel Neues zu erleben, dass ich gar keine Zeit habe an zuhause zu denken. Außerdem wird mir immer bewusst, dass ich nur ein einziges Jahr hier habe. Ein Jahr ist nicht viel und das zu vergeuden wäre wirklich ärgerlich. Schon allein die Zeit bis jetzt ist so schnell vergangen, was wirklich erstaunlich ist. Wenn es so weiter geht, bin ich schneller als mir lieb ist, wieder zurück in Deutschland.

Viele Grüße aus Chile,

Katharina

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