USA – 1. Bericht von Willy

Letztes Jahr um diese Zeit als ich noch in Deutschland war, wurde mir oft gesagt, dass die Zeit um Weihnachten und um Neujahr die schwierigste sei. Jetzt kann ich dem größtenteils zustimmen. Denn das ist die Zeit in der man oft an Zuhause denkt, die Familie und die guten alten Traditionen vermisst. Zwar unterscheidet sich das Weihnachtsfest in den USA nicht so sehr von dem in Deutschland, dennoch gibt es gewisse Unterschiede, z. B. gibt es keinen guten alten Weihnachtsmarkt.

„Weihnachtsmarkt ist doch nichts wirklich Besonderes.“ werdet ihr euch jetzt vielleicht denken. Genau so ging es mir auch. Aber während der Zeit in der anderen Kultur lernt man diese Dinge zu vermissen – Weihnachtsmarkt ist da nur ein Beispiel. Öffentliche Verkehrsmittel ist auch etwas was ich vorher als fast selbstverständlich angesehen habe. Während ich daheim so gut wie überall und zu jeder Zeit mit Bus und Bahn hin konnte, ist man in den USA ohne Auto aufgeschmissen. Kleiner Tipp, versucht so viele Freunde wie möglich mit einem Führerschein zu haben, das wird später ungemein nützlich sein. Klar, es gibt die vereinzelten Intercity Linien, doch nur um dort hinzukommen ist man mal eben eine gute Stunde unterwegs. Und die weltbekannten gelben Schulbusse fahren nur 3-mal am Tag von der Schule bis zur Haustür. Schulbusse sind in den USA eine Wissenschaft für sich selbst. Es wird peinlich genau darauf geachtet, dass alles nach Plan abläuft. Zum Beispiel kann ich nicht mit meinen Nachbar aussteigen, und um auf der anderen Straßenseite auszusteigen (was mir 10 Minuten Backtracking ersparen würde) braucht man eine „Lizenz“.

Dennoch ist die Mentalität der Amerikaner eher gelassen und es wird dem Prinzip „Nicht so lang quatschen – einfach machen“ gefolgt. Doch wenn es um „offizielles“ wie Schulveranstaltungen geht, kann sich selbst unsere Bürokratie eine Scheibe abschneiden. Ich erlebe es gerade selbst, denn ich organisiere ein Team für die „Cornell Model United Nations Conference“ (kurz: CMUNC) im April. Die CMUNC ist eine wunderbare Gelegenheit für drei Tage in Cornell, eine der Top 20 Universitäten, zu sein, zusammen mit mindestens 500 anderen Schülern aus aller Welt, die auch in Debatten und internationale Politik interessiert sind. Ich habe die Seite am Ende des Berichtes verlinkt. Es hat sich zwar für mich herausgestellt, dass es viel mehr Arbeit ist als ich es anfangs gedacht habe, aber meine Gastfamilie unterstützt mich dabei auch sehr, wofür ich sehr dankbar bin.

Wenn wir gerade bei dem Thema sind, der Gastfamilienwechsel hat für mich mit einer eher nicht so tollen Überraschung angefangen. Ich habe meine erste Familie kurz vor Thanksgiving verlassen und bin mit meiner jetzigen nach Connecticut gefahren um dort mit der gesamten Familie zu feiern. Als ich dann zurückgekommen bin hatte ich schwere Magenbeschwerden. Wie sich später herausgestellt hat, ist mein Blinddarm geplatzt, welcher dann auch operativ entfernt wurde. Ich habe dann auch eine Woche im Krankenhaus verbracht. Nun, um total in eine Kultur einzutauchen, muss man auch die Krankenhäuser testen.

Abgesehen davon war ich auch etwas froh, die Gastfamilie zu wechseln, denn ich war gespannt darauf wie die die neue sein wird. Der Wechsel an sich lief sehr schnell ab. Trotzdem war es ein komisches Gefühl den Koffer mit allen Sachen wieder zu packen und eine weitere vertraute Umgebung zu verlassen. Ich habe mich aber auch wieder ziemlich schnell in die neue Umgebung eingewöhnt. Größtenteils weil mein jetziger Gastvater auch sehr an globaler Politik interessiert ist, hatten wir zahlreiche gute Gespräche. Er war es auch der mich mit der Cornell International Affairs Society verbunden hat, welche die CMUNC organisiert. Ich bin sehr froh dort zu sein, denn ich genieße es sehr mit den Studenten dort Meinungen und Ideen auszutauschen. In meiner Schule habe ich da leider nicht so viele Gelegenheiten.

Die Newark Valley High-School ist eine kleine Schule mit gerade einmal etwas mehr als 1000 Schülern. Das bedeutet, dass sich hier jeder seit dem Kindergarten kennt und am Anfang ist es schwer in die Freundeskreise herein zu kommen. Doch wenn man eine Person gut kennt, kann man sich regelrecht vor neuen Kontakten nicht mehr retten.

Auch der normale Schulalltag sieht sehr anders aus. Als ich meinen Stundenplan zum ersten Mal gesehen habe, habe ich überhaupt nicht durchgesehen. Eine Tabelle mit dutzenden Zahlen, Buchstaben und Wörtern lag da nun vor mir. Zum Glück konnte mir meine Gastschwester helfen. Wenn man das System einmal verstanden hat, ist es wirklich super einfach. Man muss nur wissen, dass M1, M2, M3, etc. die „Markingperiods“ (Semester) sind, danach löst sich das Puzzle wie von selbst.

Auch der Unterricht selbst läuft anders ab als in Deutschland. Zum Beispiel hat jeder Lehrer einen eigenen Raum und nur die Schüler wechseln. Auch sind die einzelnen Klassen sehr viel kleiner, manchmal nur 5 Leute, denn hier hat jeder seinen eigenen Stundenplan. Die einzelnen Fächer, welche man belegen möchte, werden ausgesucht bevor das Schuljahr beginnt. Und da hat man nicht nur die „Wahl“ zwischen Kunst oder kein Kunst wie bei uns in der 11. Klasse, nein hier hat man wirklich (fast) freie Auswahl. Das einzige was man beachten muss ist, dass es bestimmte Fächer nur in bestimmten Klassenstufen gibt, zum Beispiel Chemie Klasse 11 und Physik Klasse 12. Auf Naturwissenschaften im Allgemeinen wird nicht sehr viel Wert in der High-School gelegt. Es gibt viel mehr Kurse in die sozialwissenschaftliche und handwerkliche Richtung. Ich kann „Participation in Governement“ (kurz PIG) empfehlen, sowie „Entrepreneurship“, „Creative Writing“ und „Speech“. Entrepreneurship ist mein Lieblings Unterrichtsfach, denn dort wird ein kompletter Business Plan erstellt. Ich werde im Juni an der Greater Binghampton Scholastic Challenge teilnehmen und meinen Business Plan vor einer Jury und hunderten Zuschauern vorstellen. Auf den Tag kann ich fast nicht mehr warten! Übrigens, wenn ihr kein Mathe mögt, dann müsst ihr als Austauschschüler auch kein Mathe nehmen!

Jetzt, das ja schon Februar ist, habe ich schon mehrere Male ans zurückgehen gedacht. Es sind ja nur noch gute 4 Monate, bis es wieder soweit ist Abschied zu nehmen. Es ist schon ein komischer Gedanke, denn alles hier ist wie ein zweites Zuhause geworden. Trotzdem kann ich es eigentlich kaum mehr erwarten nach Hause zu gehen um zu sehen was sich verändert hat und wie ich mich verändert habe. Aber auch um meine Familie und Freunde wiederzusehen. Ich glaube, dass jeder das durchmachen wird.

In der Zeit in der ich jetzt schon fort bin habe ich gelernt besonders die Dinge zu schätzen, die einem als selbstverständlich erscheinen. Und das wichtigste, ich habe nicht nur meinen Horizont erweitert, sondern den von so vielen anderen. Ich lerne hier jeden Tag etwas Neues, Wichtiges für das Leben – auch mit diesem Bericht geht eine wichtige Lehre einher.

Willy Zosel

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