Chile – 1. Bericht von Eve-Jil

Liebe Rotarier,

nun bin ich über einen Monat in Chile, dem wunderschönsten Land, was ich bis jetzt kennengelernt habe. Ich kann es kaum glauben, was schon alles passiert ist und wie schnell die Zeit vergangen ist. Ich könnte Bücher voll schreiben mit all den Eindrücken, die ich bis jetzt gesammelt habe. Ich hoffe ich kann euch einen kleinen Einblick in die ersten Wochen meines Austausches geben.

Alles fing am 19. August 2016 an. Die Reise war bis jetzt einer der anstrengendsten aber auch spannendsten Sachen. Sobald es immer weniger Tage wurden, bis das Abenteuer beginnt, fängt man automatisch an, zu realisieren, was man eigentlich vor hat. Aber wirklich realisiert habe ich es, als ich in einem Flugzeug mit 33 anderen Reiselustigen saß und mir vor Augen hielt, dass sich ab jetzt ALLES ändern wird. Es war ein trauriges und gleichzeitig auch schönes Gefühl, aber bei allem waren mir die vielen anderen Austauschschüler, die mit mir geflogen sind, eine riesige Hilfe. Der Gruppenflug war eine der besten Sachen, die mir passieren konnten, da man einfach wusste, dass man mit den etlichen Gefühlen und auch Ängsten nicht alleine war und man sich auch bei Problemen gegenseitig helfen konnte. In Santiago angekommen, hieß es dann für uns alle: Auf zu der ersten Orientation! Ich kann immer noch nicht beurteilen, ob das eine gute Variante war oder nicht. Auf der einen Seite war es total aufregend sich direkt gegenseitig kennenzulernen, mit allen etlichen Austauschschülern zu reden, so viele Informationen zu erhalten und nebenbei noch tolle Dinge zu unternehmen und reichlich Spaß zu haben. Auf der anderen Seite hatte ich allerdings das Gefühl, dass es kaum einer richtig genießen bzw. realisieren konnte, da wir alle so unfassbar müde von dem endlosen Flug waren. Deswegen waren wir auch, trotz den tollen 2 Tagen zusammen, froh als es zu unseren Gastfamilien ging. Da hatte ich das erste Mal das Gefühl, wirklich angekommen zu sein. Und es war einfach wunderbar direkt so herzlich und liebevoll empfangen zu werden. Um generell etwas zu meiner Gastfamilie zu sagen: ich bin mehr als zufrieden. Ich habe eigentlich nur eine Gastmama, da meine Gasteltern getrennt sind und mein Gastbruder nur jedes 2. Wochenende zu Hause ist, da er sonst in Santiago studiert, aber das ist überhaupt kein Problem für mich. Meine Gastmama sorgt sehr gut für mich, wir unternehmen viel miteinander und sie probiert wirklich immer für mich da zu sein. Auch wenn sie, meiner Meinung nach, manchmal ein bisschen zu überfürsorglich ist, habe ich immer das Gefühl, dass es ihr sehr wichtig ist, dass es mir rund um gut geht und das ist mir sehr viel wert. Auch mein Gastbruder (und seine Freundin ebenfalls) ist mir eine große Hilfe. Immer wenn er da ist unternehmen wir viel miteinander und da er vor ein paar Jahren ebenfalls im Austausch über Rotary war, versteht er mich oft und kann mir mit seinen Erfahrungen helfen. Im Januar muss ich meine Gastfamilie dann wechseln.

Hier in Chile, lebe ich in Santo Domingo, das ist ein kleiner Ort, direkt am Meer. Und ich bin mir sicher, dass ich nie die Worte finden werde um die Schönheit dieses Ortes zu beschreiben. Ich war von der ersten Sekunde absolut verliebt und ich fühle mich von Tag zu Tag wohler. Es ist für mich ein absolutes Privileg hier wohnen zu dürfen- ich bin unendlich dankbar dafür. So gut wie alle Austauschschüler meines Distriktes wohnen in riesigen Städten. Etliche wohnen in Santiago und auch viele in Rancagua, Talca,… Das heißt: Action, etliche Aktivitäten, viele Austauschschüler, die was miteinander unternehmen und Massen von Menschen.

Viele fragen mich, ob es nicht ein Problem für mich darstellt, in einem Ort mit knapp 8000 Einwohnern zu leben, wo anscheinend jeder jeden kennt und ich werde immer wieder mit einem Lächeln antworten: „Nein, überhaupt nicht.“. Ich fühle mich total wohl und kann mich über rein gar nichts beklagen. In meiner Freizeit habe ich einiges zu tun und es gibt so gut wie nie Tage, in denen ich zu Hause bin und mal nichts zu tun habe. Meine Mama hat in ihrem ‚Abschiedsbrief‘ geschrieben, dass ich vor allem die kleinen Dinge schätzen muss, da diese im Nachhinein oft wertvoller sind als die Großen. Und das kann ich jetzt schon absolut bestätigen. Jeder Nachmittag am Strand, jeder spontane Spaziergang an der Promenade, jedes Sushi Essen und Shoppen gehen in der etwas größeren Nachbarstadt, jede kleine Party am Wochenende,… bedeuten mir so viel und prägen eigentlich meinen Alltag. Es ist immer wieder schön neue Seiten des kleinen aber so vielfältigen Ort mit meinen Freunden zu erkunden und ich kann mein Glück eigentlich tagtäglich wenn ich Abends schlafen will, nicht fassen.

Wobei Freunde ein gutes Stichwort ist. Ich hätte niemals erwartet, dass ich in der kurzen Zeit Menschen finde, denen ich wirklich absolut vertrauen kann. Ich denke, auch das ist, meiner Meinung nach ein großer Vorteil davon, dass ich in so einer kleinen Stadt lebe. Ich kenne nicht Unmengen von Menschen, aber die Menschen, die ich kenne, sind wirklich 24h am Tag für mich da. Es haben sich in den letzten Wochen Freundschaften entwickelt, bei denen ich mir sicher bin, dass sie tiefer sind, als manche „Freundschaften“; die in Deutschland schon über Jahre bestehen. Ich hätte nie damit gerechnet, dass es möglich ist, dass ich mich so schnell, so gut öffnen kann und dass nach nicht mal 2 Monaten schon fühle, als würde ich die Menschen mein ganzes Leben lang kennen. Wir unternehmen alle sehr viel zusammen, ich wurde allen Eltern meiner Freunde bereits vorgestellt und ich spüre täglich, dass sie nicht nur mit mir zusammen sind, weil ich „die Austauschschülerin“ bin, sondern weil sie es wirklich wollen und weil es ihnen wichtig ist, dass es mir gut geht. Und das ist ein wunderbares Gefühl. Ich muss sagen, dazu trägt vor allem meine Schule bei.

Ich gehe auf eine sehr kleine Schule (wie soll’s auch anders sein), wo logischerweise jeder jeden kennt, was mir persönlich total gut gefällt. Ich habe mich bereits nach den ersten 2 Tagen total wohl gefühlt und mir wurde von Anfang an das Gefühl gegeben, dass sich um mich gekümmert wird und ich vollkommne integriert werde. Der Unterricht war am ersten Tag eher schockierend für mich aber auch daran habe ich mich gewöhnt. Es ist das absolute Gegenteil von meinem Unterricht in Deutschland: jeder macht was er will. Es ist laut, man geht mit seinem Lehrer um, wie mit einem guten Kumpel, jeder hört Musik und ist am Handy, etc. Ich finde dieses Prinzip von Unterricht absolut nicht gut, da die Schüler, meines Erachtens nach, mehr Spaß haben, als dass sie irgendwas lernen. Doch im Endeffekt ist das für meinen Bildungsweg nicht entscheidend und trägt nur dazu bei, dass ich mich sehr schnell sehr wohl gefühlt habe, da „Druck“ ein Fremdwort für die chilenischen Schüler und Lehrer ist. Dafür steht Herzlichkeit an erster Stelle, denn es ist absolut normal, dass man Lehrer umarmt und küsst. Generell mag ich die Atmosphäre meiner Schule sehr. Auch wenn man mal einen schlechten Tag hat, wird man eigentlich direkt von der guten Laune und der positiven Stimmung angesteckt. Außerdem ist es Standard, dass permanent gesungen, musiziert oder getanzt wird. Auch Sport spielt eine große Rolle. Direkt an meinem ersten Schultag hat es mich in das Volleyball Team der Schule verschlagen. Nach anfänglichen Zweifeln, war es eine der besten Entscheidungen überhaupt, denn auch auf dem Weg habe ich etliche neue Leute kennengelernt und bin durch Training oder Spiel gegen andere Schulen, unter der Woche, sehr gut beschäftigt.

Mein Gastclub hier in Chile, ist ein sehr kleiner Club und es ist auch nur eine weitere Austauschschülerin mit mir Mitglied. Wir verstehen uns aber gut und wir haben ca. alle 1-2 Wochen ein Meeting im Haus eines Rotariern. Da besprechen wir immer, was es Neues gibt und essen zusammen. Mit meiner Counselorin habe ich nur bei diesen Treffen Kontakt, was aber okay für mich ist, da es keinerlei Probleme gibt, über die ich mit ihr sprechen müsste. Ansonsten hatte ich mit meinem Distrikt bis jetzt, abgesehen von der ersten Orientation eine City Tour durch Santiago. Das hat Spaß gemacht und es war toll alle Austauschschüler wieder zu sehen. Dennoch war es wieder sehr krass zu sehen, wie sich alle Austauschschüler irgendwie kennen, da sie so viel Zeit miteinander verbringen, ich allerdings nur was mit den „Einheimischen“ mache. Ich bin zufrieden freue mich aber auch auf die Reisen mit Rotary, bei denen ich dann auch die Austauschschüler aus all den Ländern besser kennenlernen darf. Bereits in fast einem Monat geht es auf zu den Osterinseln. Des weiteren bekomme ich die Chance im Dezember mit meiner Klasse nach Argentinien zu reisen, worüber ich mich unfassbar freue. Es ist zwar sehr teuer, aber ich bin mir sicher, dass es ein unvergessliches Erlebnis wird, vor allem, weil ich mich mit meiner Klasse super verstehe. Außerdem gehe ich davon aus, dass ich im Dezember dann Spanisch sprechen kann, was alles auch nochmal besser machen wird.

Meine Gastfamilie muss ich im Januar wechseln. Im Moment habe ich ein sehr mulmiges Gefühl dabei, da ich auch Santo Domingo verlassen werde und in einer größeren, meiner Meinung nach nicht so schönen Stadt, leben werde, aber bis dahin ist noch eine Menge Zeit und auch das gehört dazu.

Ein „Problem“, obwohl man das eigentlich nicht so nennen kann, stellt in manchen Situationen, die absolute Spontanität und Gelassenheit der Chilenen dar. Es ist wirklich unfassbar wie sich dieser Punkt von den Deutschen unterscheidet und es gibt tatsächlich Momente, wo mir die Pünktlichkeit und Ordnung in Deutschland fehlt. Hier geht oft alles drunter und drüber und etwas, was in Deutschland 2 Monate vorher geplant wird, wird hier 2 Minuten bevor es los geht, beschlossen. Aber ich probiere nicht viel darüber nachzudenken und mich so gut es geht darauf einzulassen. Leicht ist das oft nicht.

Zusammenfassend kann ich sagen, dass ich sehr glücklich bin und mich total gut eingelebt habe. Ich bin sehr dankbar, dass ich die Chance bekomme so ein Abenteuer zu erleben. Ich fühle mich nach nur so wenig Zeit unglaublich wohl. Doch trotzdem gibt es auch Momente, in denen es schwer ist. Es ist nicht immer alles einfach und ich merke doch oft, in kleinen, alltäglichen Situationen, dass es eine große Umstellung für mich ist, manche Dinge alleine meistern zu müssen. Auch Heimweh ist manchmal ein Thema und es fließen auch ab und zu ein paar Tränen, aber dann rufe ich mir immer wieder in den Kopf, warum ich das hier mache und wie es mich letztendlich weiterbringen wird. Ich habe das Gefühl, dass ich mich jetzt schon ein wenig besser fühle und mich die so positive und herzliche Art der Chilenen angesteckt hat. Ich bin, wie schon oft erwähnt, für die Menschen hier an meiner Seite, sehr dankbar. Gleichzeitig weiß ich auch meine Eltern und meine Freunde in Deutschland viel mehr zu schätzen. Sie sind trotz der riesigen Distanz irgendwie immer bei mir und wir haben oft Kontakt, was (obwohl es viele andere Austauschschüler nicht verstehen können) für mich persönlich was sehr schönes ist, da ich von ihnen, genau wie sie von mir, wissen wollen, ob alles in Ordnung ist. Ich bin gespannt, wie es für mich weiter geht und ich kann nur hoffe, dass ich weiterhin so glücklich in meinem neuen zu Hause sein werde.

Herzliche Grüße nach Deutschland, Eve!!!

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