Spanien – 2. Bericht von Paula

Ich bin etwas unzufrieden damit, dass ich mit den Familienwechseln auch in neue Dörfer ziehen muss. Mein jetziges Zuhause ist ca. 40 km von meinem neuen entfernt. Obwohl es in meiner Kleinstadt auch zwei Schulen gibt, gehe ich in Vic zur Schule, damit ich Familien wechseln kann, die alle dort in der Gegend wohnen. Dadurch ist meine Schule aber auch 40 km entfernt, weshalb ich jeden Morgen und jeden Nachmittag 1 ½ Stunden brauche, um zur Schule bzw. wieder nach Hause zu kommen. Weil ich den Ort wechsele, ist es schwierig, mir bei meinem jetzigen Wohnort dauerhafte Freizeitaktivitäten zu suchen und somit Freunde, weil ich nur eine begrenzte Zeit hier bin.

Es ist schwierig, meine Schulfreunde zu besuchen und zu sehen, denn sie wohnen in noch einem anderen Dorf, 70km entfernt. Und so geht quasi mein gesamtes Geld von Rotary für Fahrkarten drauf und ich sitze viel im Zug. (Auch wenn ich dabei durch atemberaubende Landschaften fahre ;)). Auch die Orte, in denen ich in den folgenden Monaten leben werde, sind etwas abgeschottet, wenn auch nicht ganz so weit von meiner Schule entfernt. Ich habe mir jetzt in meinem Ort einen Tanzverein gesucht und ein paar Freunde gefunden. Wenn ich in einem Monat aber umziehe, fange ich quasi nochmal von vorne an.

In den letzten 3-4 Wochen habe ich mehr gemacht mit meinen Freunden, was auch daran lag, dass deren Klausurzeit zu Ende war. Ich habe mich öfter mit Freunden getroffen, bin in der Stadt geblieben nach der Schule, aber es bleibt kompliziert. Meinen Counselor habe ich außerhalb der Meetings bis jetzt noch kein einziges Mal getroffen, trotz mehrfacher Anregung meinerseits.

Um keinen falschen Eindruck zu hinterlassen: Ich würde diese zwei Sachen nicht wirklich als Probleme beschreiben, eher als kleine Schwierigkeiten. Sie hindern mich nicht groß daran, mein Jahr hier zu genießen, aber sie stören mich. Vor allem das erste „Problem“. Ich bin immer noch begeistert von den Menschen, der Kultur, der Landschaft. Ich freue mich immer, neue Bräuche kennenzulernen. Einzigartige Bräuche, die es nur hier in Katalonien gibt, wie zum Beispiel den „Tió de nadal“. Ich bin fasziniert von der Landschaft: Berge und Meer auf so kleinem Raum. Ich wohne in einem Tal, umgeben von Bergen und 25 km vom Mittelmeer entfernt. Von Vic aus, der Stadt, wo meine Schule ist, sieht man die schneebedeckten Pyrenäen. Eine Freundin von mir, aus meinem Dorf, arbeitet als Skilehrerin, und ich werde am Ende der Ferien Skifahren gehen. Auch ist es nicht so kalt wie Zuhause, was mir ganz recht ist. Normalerweise haben wir hier über den Tag ca 15 Grad. Das ist, ungelogen, das, was ich mir als Kind erträumt habe. Im Sommer im Meer baden, im Winter Skifahren und immer vergleichsweise warmes Wetter.

Mein Spanisch bessert sich, auch wenn ich mir darüber zwischendurch nicht so sicher war, sehe ich jetzt den Unterschied zu vorher deutlich. Ich muss mich nicht anstrengen, die Leute zu verstehen. Es ist viel einfacher. Ich spreche flüssiger, mein Vokabular ist natürlich gewachsen. Mir wird gesagt ich habe kaum Akzent. Ich denke auf Spanisch. Katalanisch verstehe ich ziemlich gut, auch wenn ich mich konzentrieren muss. Ich habe Lehrbücher zum Katalanisch lernen gekauft, mit denen ich mich in den letzten Monaten oft in den Unterricht gesetzt und selbstständig gearbeitet habe. Das hat mir geholfen, die grammatikalischen Strukturen zu durchschauen, und dann hat es irgendwann klick gemacht, und ich habe angefangen mit meinen Freunden auf Katalanisch zu reden. Überall wird bewundert, wie schnell das auf einmal ging, und auch ich bin überrascht von mir selbst. Ich rede langsam und oft merke ich, dass ich auf Spanisch denke was ich sagen will, und es dann ins Katalanische übersetze. Ich versuche, so viel wie möglich auf Katalanisch zu reden und nicht aufs Spanische auszuweichen, was mir vor allem wenn ich mehr als zwei Sätze brauche um etwas zu erzählen, oft nicht gelingt, oder ich bewusst aufs Spanische ausweiche, um den Gesprächsfluss nicht zu lange aufzuhalten. Schreiben gelingt mir besser, auch wenn die katalanische Rechtschreibung sehr kompliziert ist.

Inzwischen bin ich sehr glücklich darüber, in einer bilingualen Zone zu sein. Ich habe die Möglichkeit, mein Spanisch zu verbessern und gleichzeitig eine neue und völlig andere Sprache zu erlernen, was mir immer schon Spaß gemacht hat. Es macht mir Spaß neue Strukturen zu durchschauen, Regeln im Chaos zu entdecken, und natürlich bemerkt man den Fortschritt in einer neuen Sprache viel deutlicher als in einer bereits erlernten. Am Ende dieses Jahres kann ich von mir behaupten 5 Sprachen relativ flüssig zu beherrschen! Das letzte Mal, dass ich meinen Gast- Rotary Club gesehen habe, war bei der Castanyada, die sie veranstaltet haben, was mittlerweile schon zwei Monate her ist. Mit meinem Counselor habe ich, zu meinem Bedauern, auch nicht mehr Kontakt. Nach dem erst Treffen mit meinem Club, im September, kam der Plan heraus, wie wir vier Austauschschüler die Familien wechseln würden, und es hatte sich zu meinem Erstaunen ein Rotarier freiwillig gemeldet, mit dem ich beim ersten Meeting geredet habe, der mich gerne aufnehmen würde. Er ist der einzige, mit dem ich etwas mehr Kontakt habe. Er hat mich außerdem eingeladen, mit ihm und seiner Familie am Ende der Ferien, in denen ich mich gerade befinde, Skifahren zu gehen, worauf ich mich schon riesig freue. Ende Januar ziehe ich dann zu ihnen.

Mit meiner jetzigen Gastfamilie verstehe ich mich super. Sie behandeln mich wie ihre Tochter, wir haben super viel Spaß zusammen und ich habe bei ihnen wirklich ein zweites Zuhause gefunden. Ich kann mit meiner Gastmutter über alles reden und tue das auch. In meinem Fall bedeutet das aber nicht, dass wir über Heimweh reden müssen. Bis jetzt hatte ich noch keine einzige Sekunde Heimweh. Nicht mal über die Weihnachtsfeiertage. Vielleicht wäre das anders, hätte ich eine andere erste Gastfamilie erwischt. Aber ich wusste auch, ich kann mich gut anpassen. Ich bin ein grundsätzlich positiver und lachender Typ Mensch und bin es noch hier. Ich sehne mich nicht danach, woanders zu sein. Ich bin glücklich, wo ich bin. Das sehe ich als positive Eigenschaft an. Es ist nicht so, dass ich meine Familie und Freunde aus Deutschland nicht vermisse, mir nicht manchmal eine Umarmung von Mama wünsche, aber es war nie so, dass ich mich nach Hause wünsche, lieber dort wäre als hier, auch zu diesem Preis nicht. Und ich bin froh darüber. Immerhin war das meine größte Sorge vor meiner Abreise.

In der Schule bin ich grundsätzlich auch glücklich, Die ganzen Fächer, die ich auf Spanisch habe, machen mir Spaß, was auch zum großen Teil an meiner Lehrerin liegt, die echt klasse ist. Das sind auch die einzigen Fächer in denen ich momentan die Klausuren mitschreibe. Meine Resultate sind gut, meine niedrigste Punktzahl 6/10, und bis jetzt alle ohne Orthographiefehler, womit mich meine Freunde scherzhaft aufziehen. Auch eine Klausur, in der 9 von 20 Schülern durchgefallen sind, eine Klausur über Gedichtsanalyse, habe ich bestanden, worauf ich ziemlich stolz war und es noch bin 😉 In den Fächern auf Katalanisch, außer in Mathe, sieht das etwas anders aus. Im Unterricht saß ich meistens mit Katalanischlehrbuch da und habe nicht mitgemacht. Außerdem fehle ich in einigen Stunden, weil ich stattdessen Spanischkurse belege. Ich habe mir aber vorgenommen, im kommenden Trimester im Unterricht mitzuarbeiten, weil ich denke, es hilft auch für die Sprache. Mit meinen Freunden läuft es gut, ich habe ein sehr gutes Verhältnis zu ihnen aufgebaut und sie sprechen jetzt schon darüber, dass ich nicht gehen soll und dass sie mich besuchen kommen. Das einzige Problem, wie oben schon erläutert, ist, dass sie weit weg wohnen. Es kommt also leider nicht so oft vor, dass wir etwas zusammen unternehmen können. Weihnachten war für mich dieses Jahr sehr anders. Die ganze Advents- und Weihnachtsstimmung, wie ich sie aus Deutschland kenne hatte ich dieses Jahr nicht. Kein Liedersingen, keine Weihnachtsdekoration, kein Keksebacken oder Basteln, kein Weihnachtsmarkt, kein Nikolaus. Das alles hat mir schon ein wenig gefehlt. Ich habe zwar hier für und mit meiner Familie Kekse gebacken, aber natürlich ist es nicht das selbe. Das Keksebacken kam übrigens sehr gut an, vor allem bei meinem Gastbruder, der noch nie Teig gesehen oder angefasst hatte. Für mich kaum vorstellbar, und er ist das erste Kind, das ich kennengelernt habe, das keinen rohen Keksteig mag!

In Spanien feiert man Weihnachten am 24. Abends und am 25. Dezember. In Katalonien aber feiert man am 25. und am 26.12. Und es gibt es noch eine weitere Tradition: den „Tió de nadal“. Dieser Brauch besteht daraus, dass man in der Vorweihnachtszeit einen Baumstumpf im Haus aufstellt. Auf der einen Seite ist ein Gesicht aufgemalt und er hat eine Mütze auf. Die andere Seite wird von einer Decke bedeckt. Jeden Abend wird dem Baumstamm Essen hingestellt, nachts essen dies die Eltern; den Kindern wird gesagt, er esse nur, wenn man nicht hinguckt. Am 24. Abends geht dann der eigentliche Teil los. Meine Gastfamilie hat das nicht gemacht, nur solange ihre Kinder noch klein waren, also ging ich zu einer Freundin, um dem beizuwohnen. Man schlägt auf den Baumstamm ein, so fest wie man kann, und dabei wird ein Lied gesungen, dessen Text im übertragenen Sinne besagt, er würde geschlagen, wenn er keine Turrons und Nüsse kackt. Wenn das Lied endet, hebt ein Kind die Decke und guckt nach, ob der „Tió de nadal“ gekackt hat. Dort liegen dann traditionellerweise Turrons, polvorones und Nüsse (typische Weihnachtssüßigkeiten aus Spanien), die die Eltern zuvor unter die Decke gelegt haben. Heutzutage liegen aber oft auch Schokolade, Gummibärchen oder kleine Geschenke darunter. Es war sehr lustig, das mitzuerleben, und ich hatte viel Spaß dabei, auch wenn es für mich zunächst eine schräge Vorstellung war, dass ein Baumstamm mit aufgemaltem Gesicht Geschenke kackt, und vor allem, dass man ihn dafür schlagen muss. Die folgenden Tage gab es viele Familienessen. Geschenke bekommen die Kinder zu Weihnachten zunächst kaum. Das kommt erst im Januar, wenn die heiligen drei Könige kommen, was hier entsprechend groß gefeiert wird. Auch Sylvester hat seine eigenen kleinen Traditionen wie zum Beispiel die zwölf Weintrauben an Mitternacht, aber das alles werde ich erst noch erleben.

Damit komme ich auch schon zu meinen Tipps für die zukünftigen Outbounds aus meiner Erfahrung. In einigen Punkten würden mir wahrscheinlich einige widersprechen, aber das folgende ist, was ich denke: Es ist wichtig, die Sprache zu beherrschen. Wenn du einmal in deinem Gastland bist, schrumpfen deine Kenntnisse. Das, was du denkst zu können, ist zwar theoretisch in deinem Kopf, du kommst aber nicht ran. Du benutzt es also nicht. Man erkämpft sich mit der Zeit sein Wissen zurück. Das heißt, man kommt schneller ran, aber in der ersten Zeit kann man erst mal noch weniger als man theoretisch weiß. Es ist schwierig jemandem zu beschreiben, wenn er es nicht erlebt hat. Aber deshalb ist es wichtig, dass man Vorkenntnisse hat. Je länger man die Sprache schon erlernt hat, desto besser. Ich sehe das am Beispiel der anderen Austauschschüler, die teilweise gar keine Vorkenntnisse hatten. Sie tun sich schwer, sowohl mit der Familie, als auch damit, Freunde zu finden. Und dadurch haben sie auch größere Probleme mit dem Alleinsein, Heimweh etc..

Versucht in der Schule mitzuarbeiten! Das ist eine der besten Möglichkeiten, die Sprache zu erlernen (wenn man schon die Grundlagen hat). Menschen, die ununterbrochen in der anderen Sprache reden, zuhören. Ich habe in den ersten Stunden nur versucht, soviel wie möglich zu verstehen, später dann aktiv teilgenommen und ich merke, wie es mir hilft, wie schnell ich Fortschritte mache. Ist die Sprache neu, ist das vermutlich nicht so sinnvoll, ich habe also erst mal versucht, irgendetwas von der Sprache zu lernen, und dann angefangen, nach und nach in den Unterricht einzusteigen und das Gelernte anzuwenden und zu verstehen.

Neugier und Offenheit. Nur so kann ein Austausch über Kulturen funktionieren. Man braucht die Neugier, um Neues mitzubekommen, und Offenheit um es auch zu verstehen und die Gründe zu erfassen. Wenn etwas befremdlich wirkt, seid offen und neugierig, fragt, wieso das so ist und tut es nicht ab mit „das ist komisch“ , sondern sagt euch: „für mich ist es komisch, wieso machen die das hier so und nicht anders?“. Ein banales Beispiel, aber es kommt mir gerade in den Sinn: Viele Inbounds fanden es ekelig, dass Familien hier erst nach mehrmaligem Benutzen der Toilette spülen und sich manchmal nicht die Hände waschen. Ich habe mit meiner Gastmutter darüber gesprochen. Sie meinte, wenn möglich und nicht zu unhygienisch, vermeiden sie damit hier so viel Wasser zu verbrauchen. Wasser ist hier rar und dadurch sehr teuer. In meiner Familie trinken wir zum Beispiel auch nicht das Wasser aus dem Hahn, sondern wir füllen jeden Abend Wasserkannen mit dem Wasser aus den öffentlichen Trinkbrunnen. Es gibt also einfach ein anderes Bewusstsein für Wasser. Bei uns in Deutschland regnet es viel, wir müssen nicht darüber nachdenken, wofür wir es benutzen. Eigene Erwartungen. Ich habe versucht meine eigenen Erwartungen, sowohl vor der Abreise als auch hier, zurückzuschrauben. Es wird nie so, wie du es erwartest. Außerdem, wer viel erwartet, wird leichter enttäuscht, wer wenig erwartet vielleicht positiv überrascht. Ich versuche immer positiv an die Sachen heranzugehen, versuche aber nicht so viel zu erwarten oder zu erhoffen. Ich hatte generell den Eindruck, dass die Menschen, die weniger erwartet haben, hier am Ende glücklicher waren. Erwartet nicht, dass ihr immer zufrieden seid, es euch immer gut geht. Es gibt Phasen in denen es schwierig für euch sein wird. Ich denke man hat weniger negative Phasen, wenn man sich darauf einstellt, dass man diese Phasen haben wird. Ein wenig paradox, ich hoffe aber, irgendwie verständlich.

Genießt es! Ein Jahr geht viel schneller vorbei als man denkt und danach ist es vorbei. Versucht, die positive Einstellung zu bewahren und das Beste aus dieser einmaligen Chance, die ihr bekommen habt, zu machen!

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