Chile – 1. Bericht von Sophia

Das längste Land der Welt. Ein Leben völlig anders im Vergleich zu meiner Heimat. Von Wüste, Trockenheit und Hitze im Norden bis hin zu weiten Eisflächen, Kälte und einer weißen Winterlandschaft im Süden. Chile ist ein Land voller Überraschungen und Gegensätzen. Ein Land der Faszination.

Diese Gründe, sowie das Erlernen einer neuen Sprache, waren auch mein Anreiz zum Erforschen dieser anderen Kultur am anderen Ende der Welt. Ich muss zugeben, ein paar Tage vor meiner Abreise war ich alles andere als motiviert meine Familie zu verlassen, meine Freunde, mein Leben und für ein ganzes Jahr in eine unbekannte Welt einzutauchen. Die Trennung war sehr schwer und der Gedanke für eine so lange Zeit nicht in meinem normalem Alltag zu leben war beängstigend. Auf der anderen Seite war aber auch eine gewisse Neugier und Abenteuerlust Teil meiner Gefühle.

Ich flog am 3. August 2017 am Flughafen Tegel in Berlin los und machte eine Zwischenlandung in Paris, wo ich alle anderen Leute von Rotary traf, welche aus Europa kamen und das gleiche Schicksal teilten wie ich. Wir verstanden uns auf Anhieb sehr gut und das machte den langen Flug von Paris nach Santiago um einiges angenehmer. In Chile angekommen, verbrachten wir unsere ersten Tage, zusammen mit allen anderen Inbounds, in einem Arrival- Camp in Saltos del Laja. Es waren mit die schönsten Tage meines Aufenthaltes bis jetzt. Wir kamen aus so vielen verschiedenen Ländern (Finnland, Dänemark, USA, Österreich, Polen, Frankreich und natürlich Deutschland) und trotzdem waren wir durch dieses Auslandsjahr miteinander verbunden. Nach einem Wochenende wurden aus Fremden, die ich auf dem Flughafen traf, eine neue Familie.

Nach ein paar schönen Tagen zusammen, mussten wir uns letztendlich trennen und uns auf den Weg zu unserer neue Heimat, für die nächsten 10-12 Monate, machen. Es war eine Busfahrt von circa sechs Stunden, in der die Anspannung stieg. Das erste Treffen mit meiner Gastfamilie war im Dunkeln an einer Bushaltestelle in Puerto Varas, meinem neuen Zuhause.

Wir fuhren gemeinsam zu ihrem Haus und ich wurde der ganzen Familie vorgestellt. Diese besteht aus meiner Mom Susan, meinem jüngsten Bruder Nicolas ( 8 Jahre), meiner kleinen Schwester Francisca ( 11 Jahre ), meinem ältesten Bruder Pablo ( 13 Jahre) und unserem Hund Macedaf, sowie dem Kater Tommy. Zum Zeitpunkt meiner Ankunft war außerdem meine älteste Schwester Carolin noch da, welche jetzt mit Rotary in den USA ist und ihr eigenes Auslandsjahr erlebt. Carolin war mir am Anfang eine riesen Hilfe. Sie konnte sehr gut Englisch sprechen, was eine große Erleichterung war, da ich in Deutschland nur Grundkenntnisse der spanischen Sprache erlernen konnte. Außerdem half sie mir in diesem neuen Leben hier zurechtzukommen, stellte mich ihren Klassenkameraden vor und übersetzte für mich Sätze, welche ich im Spanischen noch nicht beherrschte. Leider musste auch sie nach einer Woche ihre Reise antreten und ich war auf mich gestellt. Naja nicht ganz, da meine Gastmutter auch sehr gute Englischkenntnisse besitzt.

Der erste Monat in Chile verging unheimlich schnell. Mein Spanisch verbesserte sich von Tag zu Tag, aber trotzdem hatte ich immer noch große Problem mit der Verständigung und hielt mich deshalb, genau wie Eva (ein anderes Mädchen aus Frankreich, welche genau wie ich einen Austausch mit Rotary macht und in meine Klasse geht) in der Schule ziemlich zurück. Andererseits wurden wir Austauschschüler aber auch nicht richtig in die Klasse einbezogen und hatten deshalb die erste Zeit ziemliche Probleme uns in den Schulalltag einzuleben. Mit der Zeit besserte sich das aber und nun haben wir beide Freunde in der Klasse gefunden und finden uns gut mit den hier herrschenden Regeln und Unterrichtsstunden ab. Auch die Beziehung zu meinen Geschwistern, welche durch die Sprachbarriere anfangs eher unpersönlich war, hat sich nun zu einer starken Verbindung entwickelt. Ich liebe meine Geschwister und es macht mich unheimlich traurig beim Gedanken sie nach einem Jahr wieder zu verlassen. Meine Gastfamilie muss ich Gott sei Dank, wahrscheinlich, nicht wechseln und auch mein Rotary Club besteht nur aus netten Leuten, welche mich in Chile herzlich willkommen hießen.

Ich habe hier in Chile schon viel erlebt. Zwar hat meine Famile hier nicht so viel Geld, dass wir viele Ausflüge oder Ähnliches machen können; trotzdem gab es schon ein paar Gelegenheiten für mich, einen anderen Ort als Puerto Varas zu sehen. Meine Großeltern leben in Viña del Mar, eine Stadt nördlich von Puerto Varas am Meer. Wir fahren ein paar Mal im Jahr dorthin und es ist immer ein schönes Erlebnis. Ob wir eine Stadtbesichtigung machen, oder uns die nahgelegene Künstlerstadt Valparaiso anschauen. Es ist jedes Mal eine unvergessliche Zeit.

Nach zwei Monaten habe ich schon einiges gelernt. Erstens, dass man eine so starke Verbindung zu Leuten aufbauen kann, welche man erst seit kurzer Zeit kennt und das Gefühl hat, sie wären schon immer deine Familie gewesen. Zweitens, dass das ständige Hin und her der Sprachen einen ziemlich durcheinander bringt. Das man sich schon im Laufe kurzer Zeit an einen vollkommen anderen Alltag anpassen kann und diesen als normal betrachtet. Und zu guter Letzt, dass auch wenn man die Sprache nicht beherrscht, man sich mit den Menschen problemlos verständigen kann, wenn diese einen schon eine längere Zeit kennen und dadurch keine Worte brauchen.

Seit meiner Ankunft ist einiges passiert, alles hat sich verändert, ich habe mich verändert. Jedoch habe ich nicht das Gefühl, irgendetwas sei anders. Es scheint eher so wie ein paralleles Leben, so vertraut, so selbstverständlich. Der Gedanke, dass all das hier nach einem Jahr endet, klingt so absurd wie beängstigend.

Sophia Klausnitz, Puerto Varas (Chile)

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