Brasilien – 1. Bericht von Pia

Eigentlich beginnt die Reise und das Austauschleben ab dem Tag des Abfluges erst richtig, aber nein. Die Zeit davor gehört auch schon dazu: Koffer packen, Dokumente bereitlegen und Visum beantragen, Abschied nehmen und vor allem Kontakt mit dem Gastdistrikt und den Gasteltern aufnehmen. Da geht es los. Wenige Tage vor meinem Abflug hatte mir mein Gastpapa noch eine wunderschöne Nachricht geschrieben, dass sie mir einen guten Flug wünschen, ich ihre Gasttochter für immer und ewig bin und sie in diesem Jahr einen Meilenstein in meinem Leben setzen wollen. Später oder genauer gesagt bei der Ankunft habe ich schon gemerkt, dass kein Wort dieser Nachricht gelogen war. Aber erstmal war der Flug echt angenehm und ich war froh, dass noch andere Outbounds dabei waren, weil ich jetzt auch nicht so der „Vielflieger“ bin und da war es gut, dass ich jemanden zum Reden hatte. Allerdings dachte ich im Nachhinein, dass es auch garnicht schlimm wäre ganz allein zu fliegen. Trotzdem war es umso schöner, dass wir alle zusammen geflogen sind und neue Freundschaften in knappen 12 Stunden Flugzeit geschlossen haben, denn es war nun wirklich genug Zeit zum Reden. Ich traf sogar ein brasilianisches Mädchen, welches mit uns auch nach Brasilien flog, weil ihr Austauschjahr in Deutschland schon vorbei ist.

Bei der Ankunft ging alles soweit gut und reibungslos vonstatten, bis auf mein Gepäck. Jeder von uns hatte es, nur ich nicht. Innerlich begann ich schon leicht zu verzweifeln, aber ich erinnerte mich an meine letzten Flüge, denn da kam es auch ziemlich am Ende erst und in der nächsten Sekunde sah ich mein Gepäck auch schon. Dann stieg die Spannung langsam mit jedem Schritt, mit dem ich dem Ausgang näher kam. Ich sah meine Familie sofort und wurde mit einer so großen Herzlichkeit empfangen. Ich war überwältigt und einfach nur überglücklich mit meiner Gastfamilie. Im Anschluss halfen wir noch paar anderen jetzigen Inbounds zum nächsten Terminal zu gelangen, bevor wir zum Apartment von meiner Gasttante und meinem Gastonkel nach São Paulo gefahren sind.

Am selben Tag haben wir noch einige Plätze in São Paulo angeschaut, sind bisschen durch die Stadt gefahren und Abend waren wir essen. Am nächsten Tag haben wir auch nochmal so eine Stadttour gemacht wie am vorherigen Tag. Allerdings kam am Abend noch die Tochter meiner Gasttante mit ihrem Mann und es gab ein Abschiedsdinner für meine Gastschwester. Denn am nächsten Tag mussten wir früh zeitig aufstehen und zum Flughafen fahren, weil meine Gastschwester nach Kolumbien flog. Danach sind meine Gasteltern und ich auch schon aufgebrochen und sind 4,5 Stunden bis zu meinem neuen Zuhause in São José do Rio Preto gefahren. Es war echt toll die ersten Tage in São Paulo verbracht zu haben und ein wenig diese große Stadt kennengelernt zu haben.

Das Sich-Eingewöhnen ging ziemlich schnell, weil ich alles nicht wirklich realisiert habe, dass ich wirklich hier bin. Es hat sich angefühlt wie ein Traum und es war ja auch so lange Zeit mein Traum ein Austauschjahr zu machen. Es ist einfach perfekt. Ich verstehe mich super gut mit meinen Gasteltern und der Familie, die super groß und genauso herzlich ist. Ich habe auch sehr engen Kontakt zu meinen Gastcousinen. Seit der ersten Sekunde die wir uns kennen, fühlte es sich an, als würden wir uns schon sehr lange kennen. Wie richtige Cousinen eben. Aber generell fiπnde ich, dass die Mentalität der Menschen hier wirklich anders ist als in Deutschland und ich mag das.

Da meine Gastfamilie so sehr groß ist, gibt es wirklich viele Familienfeiern und Geburtstage. Wir gehen zu allen hin und es ist auch immer sehr lustig. Vor allem das Essen und die Kuchen sind unglaublich lecker. Meine Gasteltern sind religiös, ich aber nicht. Macht mir aber nichts aus, denn ich gehe jeden Sonntag freiwillig mit ihnen in die Kirche und sie bedanken sich jedes Mal bei mir dafür. Selbst in São Paulo hatte ich den Wunsch geäußert, eine Kirche zu besuchen.

Die ersten Tage nach meiner richtigen Ankunft in meiner neuen Heimatstadt hatte ich immer noch einen Jetlag, somit habe ich viel Zeit mit meinem Gastpapa verbracht, denn ich bin noch nicht zur Schule gegangen. Mein Gastpapa kann etwas Englisch und so half es mir erstmal überhaupt so richtig mich zu verständigen. Wir haben einige Sachen besorgt, ich habe auch schon paar Rotarier kennengelernt und einen anderen Inbound aus Kolumbien. Alle waren so lieb zu mir und ich könnte tausend Mal mich bedanken, dass ich das alles hier erleben darf. Mit meiner Gastmama komme ich auch super zurecht und sie ist eher so der ruhigere Part in der Familie. Ich bin einfach so glücklich in dieser Familie.

Am Donnerstag, den 16. August 2017, war mein erster Schultag. Als ich mit der Sekretärin in meinen Klassenraum gegangen bin und sie gefragt hat, bei wem ich sitzen kann, gingen soweit fast alle Hände sofort hoch. Ich war echt überrascht gewesen. In den Pausen wurde ich natürlich mit Fragen überhäuft. Darunter auch: „Wann hast du Geburtstag?“ Wir haben uns alle auf anhieb verstanden und das hat mich so gefreut, weil man sofort gespürt hat, dass es einen Zusammenhalt in der Klasse gibt und das erinnerte mich an meine deutsche Klasse. Darüber war ich sehr glücklich und ich wurde sogar schon in den Klassengruppenchat auf WhatsApp aufgenommen. Ich habe so zwei beste Freundinnen in meiner Klasse gefunden, aber es ist nicht so, dass ich zu den anderen Leuten in meiner Klasse keinen Kontakt mehr habe. Ganz anders, sie sind auch meine Freunde geworden. Außerdem habe ich auch Freunde aus anderen Klassen gefunden und viele erzählen ihren Freunden aus anderen Schulen von mir, die mich dann auch kennenlernen möchten. Ich kann nicht sagen wie mich das freut und ich gehe auch mega gern zur Schule. An manchen Tagen bin ich „traurig“, weil schon Freitag ist. Heute wurde mir gesagt, dass ich die liebevollste und tollste Austauschschülerin bin, die sie je an ihrer Schule hatten. Ich schreibe auch alle Tests soweit mit. Ich kann dafür meine Übersetzer App benutzen. Allerdings ist es manchmal bisschen schwierig zu antworten, weil ich den Stoff nicht hatte und keine Mitschriften. Aber bei meinem Philosophielehrer kann ich in Englisch antworten und da habe ich heute sogar mal 10 Punkte erreicht.

Die Lehrer sind auch alle super gut drauf und sind viel lockerer als in Deutschland. Allerdings hatte ich nach meinem ersten Schultag Kopfschmerzen, weil das Unterrichtsklima ganz anders war, als ich es gewohnt bin. Es ist verdammt laut während des Unterrichts und das ist normal wie ich später merkte. Meine Mitschüler helfen mir auch mit der Sprache, was ich echt nett von ihnen finde und immer wenn ich etwas nicht weiß, sage ich: „I need my book!“, weil ich so ein Kinderlernbuch habe und da sind viele Sachen echt süß beschrieben. Die wenigen Tage bis zu meinem Geburtstag vergingen rasch. Als ich in meinen Klassenraum gekommen bin, haben sie mir alle gratuliert und das Geburtstagslied gesungen. Plötzlich hieß es, wir müssen den Klassenraum wechseln und ich hätte es echt nicht geahnt, aber in der Aula haben sie für mich eine Überraschungsparty organisiert für die Pause. Ich war überwältigt. Es gab einen großen Kuchen und anderen kleine Naschereien. Ich werde diesen Tag nie vergessen. Am Abend hatten wir noch eine kleine Geburtstagsfeier bei mir Zuhause in Familie und meine Counselorin mit ihrem Mann war auch gekommen. Aus irgendeinem Grund wurde meine Counselorin getauscht, aber mit meiner jetzigen Counselorin bin ich echt super zufrieden, auch wenn sie nicht so viel Zeit hat.

Ab dieser Woche in der mein Geburtstag war, gehe ich zusammen mit 4 anderen Inbounds jeden Freitag Nachmittag zu einer Sprachschule und nehme an 2 Stunden Portugiesischunterricht teil. Manchmal ist der Unterricht ein kleines bisschen zu schnell für mich, jedoch kann ich aber die Hausaufgaben selbstständig lösen. Mittlerweile verstehe ich auch immer mehr, aber man muss schon noch langsam mit mir sprechen. Einige kurze Sätze kann ich auch schon bilden, aber ich gebe mein Bestes, damit ich Fortschritte mache. Meine Gasteltern loben mich immer, wenn ich neue Wörter sage und das gibt mir dann so eine Art Kick um weiter zu lernen.

Einmal hatten wir ein verlängertes Wochenende, weil in Brasilien Independence-Day war und da hat mein dritter Gastpapa seine Gasttochter und mich mit nach Brotas zum Rafting genommen. Das war echt ein tolles Erlebnis.

Leider kann ich mich zur Zeit nachmittags noch nicht mit meinen Freuden aus der Schule treffen, weil wir gerade in Test-Wochen sind und sie lernen müssen. Aber ich war schon auf zwei Geburtstagsfeiern von ihnen. Das hat mich echt gefreut, dass sie mich eingeladen haben. Am 15. September haben wir Austauschschüler uns in einem mexikanischen Restaurant getroffen, weil zwei Mexikaner in unserer Lerngruppe sind, und sie mit uns den mexikanischen Feiertag feiern wollten.

Jeden Freitag bringt mich mein Gastpapa nach meinem Portugiesischunterricht zu einem Café in dem ein Klavier steht. Ich bin super glücklich, dass ich meiner Leidenschaft, dem Klavierspielen, hier auch weiter ausleben kann. Mich nacht es auch glücklich, dass sich die Menschen aus dem Café immer freuen wenn ich komme. Meine Gastfamilie erzählt auch vielen Menschen, dass ich Klavier spiele und so war ich heute den ganzen Tag bei einer Familie, die einen Flügel hat. Die Frau hatte mich dann auch sogar von ihrem Austauschjahr in den USA erzählt. Ich hatte auch schon Kontakt zu dem Polizeipräsidenten, denn in dem Haus steht in der Aula ein Flügel und somit kann ich vielleicht dort auch mal spielen. Vom 16.-17. September hatten wir eine Inbound-Orientation in meiner Stadt. Es war echt toll, dass wir uns jetzt alle auch endlich kennengelernt haben und wir haben uns auch gleich alle richtig gut verstanden. Am Samstag haben wir zusammen gefrühstückt und dann gab es eine Präsentation. Nach dem gemeinsamen Mittagessen hatte jeder Inbound seine Flagge mitgenommen und wir sind den ganzen Nachmittag mit so einem offenem Bus durch die Stadt gefahren und haben gejubelt und die Flaggen geschwungen. Das war ziemlich schön. So schön, dass ich vor Freude geweint hab. Danach sind eine Inderin und eine Mexikanerin mit zu mir nach Hause gekommen und haben bei mir geschlafen, aber am Abend haben sich noch einige bei meiner zweiten Gastfamilie Zuhause getroffen und wir haben zusammen zu Abend gegessen. Am Sonntag gab es nach dem Frühstück eine sportliche Aktivität: Capoeira. Danach wurden uns noch die Reisen vorgestellt und wir mussten einen Brief an uns selbst schreiben, was wir uns von unserem Austauschjahr erhoffen. Diesen Brief bekommen wir am Ende unseres Austauschjahres wieder zurück. Viele der Jungs haben das nicht ernst genommen und nur Kritzeleien drauf geschmiert, währenddessen ich so viel Text geschrieben habe, aber dann ging es auch schon dem Ende zu. Abschied nehmen ist wieder mal schwer & so war es auch bei uns, denn wir sind in diesen zwei Tagen echt zu einer „Familie“ geworden und wir haben auch weiterhin alle Kontakt und tauschen uns gegenseitig aus.

Ich war einmal vor dem Rotary-Wochenende und einmal danach bei Interact. Ich finde es faszinierend, dass sich so viele Jugendliche daran beteiligen. Einem Mädchen begegne ich auch öfters in der Stadt. Das ist jedes mal ziemlich lustig.

Heute, am 29.September 2017, bin ich genau 50 Tage hier und ich bin so unglaublich dankbar dafür. Es ist das Beste was man machen kann als Jugendlicher. Man lernt nicht nur ein neues Land kennen, die Kultur und den Alltag, sondern man knüpft auch sehr viele neue Kontakte und wer weiß, vielleicht sind auch Freundschaften für ́s Leben dabei. Jedenfalls bin ich überglücklich hier mit allem und keineswegs enttäuscht oder etwas anderes dergleichen.

Ich kann nur nochmal DANKE sagen.

Es ist grandios! Liebe Grüße, Pia

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