USA – 1. Bericht von Till

Jetzt sitze ich hier…natürlich schon ein paar Tage zu spät für meinen 1. Quartalsbericht und 9.587,34km von Zuhause entfernt. Nun ja was gibt es jetzt wohl zu erzählen…ich fürchte zu viel. Im Folgenden werde ich mal versuchen die positiven und negativen Erfahrung dieses Schüleraustausches ein wenig zu trennen, auch wenn das eine sehr ungleiche Trennung sein wird.

Bevor ich irgendetwas bewerte oder beurteile, sollte ich vielleicht einen kleinen Bericht meiner letzten 5 Wochen geben. Ich kam also in Los Angeles an (von einem sehr entspannten 12,5h Flug wie ich finde) und wurde nicht groß von meiner Gastfamilie empfangen sondern von meiner Distrikt Leiterin/Club Präsidentin/YEO/Mama für Alles in einem typisch amerikanischen Truck abgeholt. Nachdem ich mich eine Woche lang in ihrem Haus eingelebt habe und ein unfassbares Programm hatte bin ich dann zu meiner Gastfamilie gekommen. Natürlich war ich sehr glücklich endlich meine neue Familie kennenzulernen, aber das bedeutet auch mit 4 jüngeren Gastgeschwistern und einem Hund auf engstem Raum zu leben…dazu später aber noch mehr. Nach einer weiteren wunderbaren Woche ging dann auch die Schule und damit mein heißgeliebtes Football-Training los…ja ich bin ein stolzes Mitglied des Football-Teams meiner Highschool (auch dazu später noch mehr). Und nun sitze ich hier um 21:49 an meinem Laptop und schreibe meinen ersten Quartalsbericht…unfassbar wie ich finde. Alles in allem hatte ich einfach unglaubliches Glück, aber seht selbst:

Wie schon angekündigt werde ich zuerst ein paar negative Aspekte auflisten die mir bis jetzt auf meinem Weg begegnet sind (nicht viele wie ich finde). Ganz oben steht definitiv das amerikanische Schulsystem. Es ist weder die enorm große Schule an sich, die Mitschüler oder die Lehrer die mir Probleme bereiten…es ist das Schulsystem. Fairer Weise muss ich zugeben, dass ich es mir durch meine sehr schweren Kurse und mein Football-Training, das jeden Tag bis circa 17:45 geht, nicht gerade einfacher mache…trotzdem. Ich habe jeden Tag ungefähr 2-3 Stunden Hausaufgaben und jede Woche 3-4 Leistungsnachweise…das bedeutet einfach sehr viel (zu viel) Arbeit und somit auch Stress. Jede Hausaufgabe wird hier benotet und die Lehrer haben keine Gnade. Die Leistungsnachweise wiederrum werden teilweise von Mitschülern benotet oder man bekommt die Tests nie wieder zurück und erfährt nur seine erreichten Punkte…Lernfaktor gleicht also null. Die einzige andere wirklich negative Erfahrung, neben Kleinigkeiten natürlich, habe ich leider in meiner Gastfamilie gemacht. Wie schon gesagt bin ich sehr zufrieden da ich wie ein ganz normales Familienmitglied behandelt werde, etwas Unersetzliches wie ich finde, jedoch macht einer meiner Gastbrüder mir zu schaffen. Vermutlich fühlt er sich in seinem Revier bedroht und fährt deswegen seine Krallen aus oder mag mich einfach nicht. Natürlich klingt es nicht so wild mit einem elfjährigen Streit zu haben aber leider zieht es meine Stimmung nach meinen sehr anstrengenden Tagen dann doch gehäuft nach unten. Außerdem ist diese Familie durch die vielen Leute auf engstem Raum oft totales Chaos und nicht der Ort an dem ich mich nach meinen erschöpfenden Tagen eigentlich erholen sollte. Anfangs war da außerdem das Problem, dass ich mein Zimmer mit einem absoluten Schnarcher teilen muss, doch mit Ohrenstöpseln und ein paar wutvollen Tritten in der Nacht ist das Problem schon beseitigt. Man lernt eben dazu und wird extrem selbstständig auch schon nach einem Monat womit wir dann bei den positiven Erfahrungen meines Austauschs angekommen wären.

Zu aller Erst möchte ich meinen amerikanischen Rotary Club/Distrikt/Multi-Distrikt loben und somit vielleicht auch den deutschen Rotariern einen Anstoß geben sich ein paar Ideen abzuschauen. Die Tatsache, dass ich von meinem YEO willkommen wurde und danach über eine Woche in ihrem gigantischen Haus mit ihrem Mann und deren Hund lebe mag vielleicht ungewöhnlich klingen, aber bringt enorme Vorteile mit sich. An erster Stelle steht das unglaubliche Programm das ich hatte, mit Flugzeugshow, Barbecue am Strand oder auch Mountainbike-Touren, die ich bis heute regelmäßig mache und die mir neben unglaublichem Spaß auch neue Freunde und Umgebungskenntnis bereiten. Außerdem bin ich fest davon überzeugt meine Mountainbiking-Kenntnisse waren ein entscheidendes Kriterium, dass ich nach Camarillo gekommen bin und hier den unvergleichlichen „Kalifornien-Lifestyle“ leben kann. Außerdem wurde in meiner ersten Woche alles Wichtige, was es zu organisieren gab, von meinem YEO geregelt, was meiner Gastfamilie einen Haufen Arbeit gespart hat und mir natürlich eine gewisse Sicherheit gegeben hat. Zusätzlich wurde ich unglaublich toll in meinem Rotary Club aufgenommen, durch den ich nicht nur nette und interessante Leute kennengelernt habe, sondern auch tolle Angebote für die Zukunft bekommen habe (ich spreche hier von Privatflügen oder Skiausflügen in die Rocky Mountains). Wer den Ort Camarillo noch nicht gegooglet hat der bekommt nun eine kleine Zusammenfassung der Lage. Paradies für Mountainbiker – Paradies für Surfer – Kleinstadt an der Küste circa eine Stunde nördlich von Los Angeles. Noch Fragen…? Diese unglaubliche Lage führt mich dann auch zu meinem nächsten Punkt auf meiner Liste. Während meinem Aufenthalt hatte ich zusammengerechnet wohl nicht mehr als eine Stunde Langeweile (Schule zählt natürlich nicht). Es gibt hier unendlich viele Möglichkeiten seine Freizeit zu gestalten, was natürlich auch auf die unglaubliche Lage meiner Stadt zurückzuführen ist. Natürlich könnte ich nun eine Liste von all den tollen Erlebnissen, wie surfen, Barbecueing am Strand oder dem Besuch von Venice-Beach, Hollywood und Co. machen, doch dafür ist hier wohl kaum die Zeit. Vielmehr sollte ich berichten wie es mir ergangen ist, Anschluss und Freunde zu finden. Dazu kann ich ganz einfach sagen: Bevor ich richtig angekommen bin wurde ich schon zu Strandbesuchen, Poolpartys oder auch einfach nur zum Essen eingeladen. Durch die super nette Kirchengemeinschaft meiner Gastfamilie war Anschluss finden kein Problem und durch mein Football-Team kamen schon am 2. Schultag Leute aus allen Richtungen auf mich zu um mich willkommen zu heißen oder mich kennen zu lernen. (Ein sehr positiver Aspekt der Kalifornier: Offenheit und Interesse). Inzwischen kennt mich gefühlt die halbe Schule (also ungefähr 1300 Schüler), doch leider bin ich noch auf der Suche nach dem einen wahren Freund mit dem ich alles teilen kann was mir auf dem Herzen liegt, aber das hat ja wohl noch etwas Zeit. Um meine nächste positive Erfahrung zu teilen muss ich etwas weiter ausholen: Wie schon erwähnt sind meine Tage hier extrem lang und durchgeplant was wiederrum zu sehr kurzen Wochen führt. Nach meinen fünf Schulkursen…ja jeden Tag der exakt selbe Stundenplan (ein weiterer Nachteil des amerikanischen Schulsystems, da dies für viel Langeweile während den Stunden führt)…hab ich dann direkt von 2:00-c.a 5:30 Footballtraining. Football ist hier zu meiner großen Leidenschaft geworden, da mein Team wie eine Familie für mich geworden ist und ich es durch meine Fußballerfahrung geschafft habe, jedes Spiel als der so genannte Kicker eingesetzt zu werden (Google hilft). Nachdem ich dann zuhause angekommen bin bleibt üblicherweise nicht mehr viel Zeit zwischen Abendessen und all den vielen Hausaufgaben. Und wo bleibt der Vorteil…? Ganz einfach: Ich bin so beschäftigt und überarbeitet, dass ich keine Zeit für Heimweh oder deutsche Freunde habe. Eine kleine Ausnahme muss ich jedoch fairer Weise erwähnen. Durch meine unvorstellbar tollen ersten Wochen werden die Erwartungen leider immer höher und höher geschraubt und wie wir alle wissen: Hochmut kommt vor dem Fall. Jedenfalls war ich letzte Woche einfach ein wenig erschüttert, dass dieser erste Enthusiasmus nun vorbei ist, doch auf so etwas wurde ich in Deutschland ja gut vorbereitet, weshalb mittlerweile wieder alles beim alten ist und ich jeden Tag genießen kann. Zu guter Letzt möchte ich noch erwähnen wie stark die Bindung zu all den anderen Austauschschülern in meinem Distrikt wird oder eigentlich schon ist. Leute zu haben, die ähnliche Probleme, Interessen und Erfahrungen teilen ist unvergleichlich und führt meiner Meinung nach zu wahren Freundschaften. Deshalb steht für mich jetzt schon die Mitgliedschaft im Rotex-Club fest.

Wie ihr hoffentlich alle bemerkt habt ist mein vorrausgestelltes Statement, unglaublich viel Glück gehabt zu haben, sehr wahr und ich hoffe ich weiß das auch in Zukunft zu schätzen. Da es nun schon bald Mitternacht ist und meine Verspätung nicht geringer wird, sollte ich langsam über einen passenden Abschluss nachdenken und mich schlafen legen…übermorgen ist ein wichtiges Football-Match. Wenn mich jetzt nach einem Monat meines Austausches jemand bitten würde ein aktuelles Statement zu geben (wozu dieser ganze Aufsatz ja vermutlich auch dient), ist dieser Satz wohl zusammengefasst perfekt: Ein Jahr Application hat sich schon jetzt, nach diesen wenigen Wochen meines Austausch-Jahres, voll und ganz ausgezahlt und ich würde es jeden Tag wieder machen, egal wie anstrengend dies ist.

Till Sandkühler, 04.10.17, 1. Quartalsbericht

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