Mexiko – 1. Bericht von Katharina

  1. Knapp zwei Monate bin ich jetzt schon in Aguascalientes und obwohl ich schon so viel erlebt und Neues kennengelernt habe, fühlt es sich eher an wie zwei Wochen.

Am 07.08. bin ich von Dresden aus abgeflogen und auch wenn der Flug sehr anstrengend war und Fanny (sie kommt aus der gleichen Stadt wie ich und ist zufälliger- & glücklicherweise auch in Aguascalientes) und ich zuerst fast in das falsche Flugzeug eingestiegen sind, sind wir heile und halbwegs gut gelaunt in Mexiko-Stadt angekommen. Alle Austauschschüler, die mit uns im gleichen Flugzeug saßen, waren wie laufende Zombies, aber natürlich trotzdem aufgeregt und nervös, was uns erwarten würde. In Mexiko-Stadt wurde von Rotary organisiert, dass wir die Nacht bei einer rotarischen Familie verbringen, weil wir erst am nächsten Morgen nach Aguascalientes weiterfliegen würden. Das hat alles wunderbar funktioniert und auch der Anschlussflug war kein Problem. Von der Stadt habe ich leider nicht viel mehr als den Flughafen und einer Apotheke sehen können, aber das, was ich vom Flugzeug aus beobachten konnte, war definitiv anders, als alle anderen Hauptstädte, die ich bis jetzt gesehen hatte. Deutlich größer, aber auch deutlich ärmer, was ich ja schon von Mexiko gehört hatte.

Auf dem Flughafen am nächsten Morgen haben wir drei weitere deutsche Austauschschüler von Rotary getroffen, die das Jahr in Aguascalientes verbringen würden. Alle waren Deutsch und um ehrlich zu sein, dachte ich da noch, dass wir dieses Jahr nicht wirklich viel mit ihnen unternehmen würden, weil sie eventuell in einem anderen Teil Aguascalientes leben würden. Da aber alle der Austauschschüler aus unserem Bundesstaat in der Stadt Aguascalientes sind, sind wir insgesamt 18 Austauschschüler, davon sieben aus Deutschland, vier aus Brasilien, zwei aus Frankreich und Taiwan, eine aus den USA, einen aus der Türkei und eine Venezolanerin. Mit allen verstehe ich mich super, auch wenn wir erst ungefähr drei Mal alle zusammen waren, weil alle in unterschiedlichen Clubs sind und es nicht so oft Veranstaltungen von allen Clubs zusammen aus der Stadt gibt. Einmal haben wir uns relativ am Anfang zum Kennenlernen getroffen und vor zwei Wochen war anlässlich des Unabhängigkeitstages in Mexiko ein großes Essen.

Die größte Rotary Veranstaltung war das Distriktreffen vor knapp einem Monat. Mein Distrikt (4110) ist flächenmäßig einer der größten weltweit und wir sind über 110 Austauschschüler, wovon gefühlt die Hälfte Brasilianer sind. Tatsächlich sind wir auch „nur“ sieben Deutsche im ganzen Distrikt, weil Rotary bestimmt hat, dass wir alle nach Aguascalientes kommen.

Das Treffen war wirklich schön, auch wenn die Umstände nicht die Besten waren. Dadurch, dass wir so viele Austauschschüler sind, hatte ich gar nicht genug Zeit, um alle kennenzulernen, aber alle mit denen ich mich unterhalten habe, waren extrem nett und witzig. In den dreieinhalb Tagen, die das Treffen stattfand, hatten wir viel Zeit, um unsere Erfahrungen bis jetzt auszutauschen und Rotary hatte viele Gruppenspiele organisiert, damit wir uns noch besser kennenlernen. Die Highlights der Orientation waren definitiv ein „Mexikanischer Abend“, an dem so etwas Ähnliches wie ein Casino mit falschem Geld stattfand, wo man dann Minispiele spielen konnte, um noch mehr Geld zu gewinnen, was man letzten Endes für mexikanische Süßigkeiten eintauschen konnte. Sogar eine Pinata hat es gegeben!

Was mir noch wirklich gut gefallen hat, waren die Vorstellungen der einzelnen Länder. Dafür musste jedes Land einen Vertreter auswählen, der dann einen kurzen Ein-Minuten-Vortrag des jeweiligen Landes vortragen sollte. Wir Deutschen haben also zusammen den kleinen Vortrag vorbereitet, indem wir ein paar interessante und lustige Fakten über Deutschland herausgesucht haben und ich habe ihn später vorgetragen. Außerdem sollten wir später am Abend noch etwas Typisches unseres Landes vortragen, zum Beispiel einen Tanz. Ganz kreativ haben wir das Fliegerlied „getanzt“ und lauthals mitgesungen, da niemandem von uns irgendein typisch deutsches Lied eingefallen ist, zu dem man sonst noch tanzen könnte.

Der Einzige Nachteil des Camps ist, dass ich überhaupt keine Pins mehr habe, da ich alle schon getauscht habe. Fanny und ich haben uns allerdings ausgemacht, uns bald mal zu treffen und selbst welche zu basteln, damit wir auf der Ruta Maya wieder Pins zum Tauschen haben.

Mit den Mitgliedern meines Rotaryclubs verstehe ich mich bis jetzt gut, so wirklich kann ich das aber noch nicht beurteilen, da ich noch nicht viel mit meinem Club gemacht habe. Damit bin ich aber nicht alleine, keiner der fünf Austauschschüler meines Clubs wurde bis jetzt zu irgendwelchen Clubtreffen eingeladen. Dieses Wochenende fand eine Reise nach Zacatecas, einem Bundesstaat in der Nähe statt. Mitgekommen sind bloß wir fünf Austauschschüler, unser Präsident und seine Familie, sowie die Austauschschüler aus Zacatecas und ihr Präsident. Die Reise war eigentlich auch wirklich schön, auch wenn sie sehr kurz war.

Vergangenes Wochenende habe ich beim „Centro De Acopio“ geholfen, was im Rahmen von Rotary stattfand, aber nicht direkt von meinem Club, also waren auch noch Austauschschüler aus anderen Clubs dabei. Im Prinzip haben wir dort versucht, den Opfern der Erdbeben zu helfen, indem wir Essen und sonstige nützliche Artikel mit „donación“ oder „donativo“ beschriftet, eingepackt und verschickt haben. Aufgrund der drei Erdbeben hier in Mexiko sind alle sehr aufgebracht, aber jeder versucht tatsächlich zu helfen, egal wie. Selbst in meiner Schule gibt es Projektgruppen, die herumgehen und nach Spenden für die Opfer bitten, meistens in Form von Geld, aber es bringen auch viele Essen oder Hygieneartikel mit. Es ist wirklich schön zu sehen, wie stark der Zusammenhalt hier ist, auch wenn der Grund dafür nicht schön ist. In Aguascalientes hat man zum Glück von keinem der drei Erdbeben etwas mitbekommen.

Meinen Counselor kenne ich und ich verstehe mich gut mit ihm, da ich aber noch nicht wirklich viel mit ihm geredet habe, war’s das auch schon. Grund dafür ist einfach, dass meine Gastfamilie super ist. Ich hätte keine bessere erste Gastfamilie finden können und um ehrlich zu sein, bin ich jetzt schon traurig, wenn ich daran denke, dass ich im Januar wechseln muss. Ich habe eine 19-jährige Gastschwester, mit der ich mir ein Zimmer teile und obwohl ich darüber am Anfang nicht grade glücklich war, verstehen wir uns sehr gut. Auch das Zimmerteilen ist jetzt überhaupt kein Problem mehr. Sie steht immer ziemlich früh auf, weil sie in die Uni muss, also sehen wir uns eigentlich bloß am Abend. Oft gehen wir zusammen in einen Sportclub, in dem man unglaublich viele Sportarten ausüben kann. Da man dort auch Squash spielen kann habe ich mir in der ersten Woche zwei Squashschläger gekauft und versuche das jetzt Fanny und Diana, meiner Gastschwester, beizubringen, damit wir zusammenspielen können. Für mich heißt es jetzt allerdings erst mal Ruhepause mit dem Squashspielen, da ich mir blöderweise letzten Montag beim Spielen meinen Zeh gebrochen habe. Jetzt habe ich einen gegipsten Fuß und darf mindestens einen Monat nicht mehr spielen, was mich ziemlich stört, weil ich einerseits kaum Schmerzen habe und es andererseits wirklich liebe, Squash zu spielen. Außerdem befürchte ich, dass ich viel zu schnell zunehmen werde, wenn ich mich nicht mehr bewege; das Essen hier ist extrem fettig.

Neben Diana habe ich noch einen Gastbruder, der erst ein Jahr alt ist. Das war eine ziemliche Umstellung, wenn ich ehrlich bin, weil ich zuhause in Deutschland bloß größere Geschwister gewohnt bin und generell nicht so wirklich viel mit Kindern anfangen kann. Aber ich glaube, das ist schon besser geworden. Rafael ist grade dabei, Laufen zu lernen, also übe ich das manchmal mit ihm oder spiele einfach so mit ihm. So ganz verstehe ich allerdings immer noch nicht, was genau ihn zum Lachen oder Weinen bringt, das ändert sich in Sekundenschnelle… Meine Gasteltern sind supernett. Sie fragen immer nach, wie es mir geht, wie mein Tag war und versuchen, mit mir über allesmögliche zu reden, auch wenn das manchmal aufgrund der Sprachbarriere nicht ganz einfach ist. Ich werde überall hingefahren oder wenn es grade nicht klappt, bestellen sie mir UBER und bezahlen das dann auch, was super nett ist.

Manchmal vermisse ich es ein bisschen, einfach so alleine irgendwo hinzugelangen oder mit dem Fahrrad zu fahren, weil das in Deutschland viel leichter und üblicher ist. Hier ist es sogar so, dass ich erst die Schule verlassen darf, wenn meine Eltern schon auf mich warten. Mein Gastvater arbeitet ziemlich viel, weil er drei Fahrradgeschäfte besitzt, also sehe ich ihn überwiegend abends und auf den Wegen von und zur Schule. Meine Gastmutter arbeitet zwei Tage die Woche mit ihm Büro meines Gastvaters, ist aber ansonsten ziemlich viel mit meinem Gastbruder beschäftigt.

Manchmal wenn ich nur mit einem der beiden unterwegs bin, weiß ich nicht so genau, worüber ich mit ihnen reden soll, allerdings ist das schon viel besser geworden und wenn ich mich mit beiden gleichzeitig unterhalte, könnte ich auch Stunden mit ihnen reden. Beide zeigen Interesse an Deutschland, was mich freut, weil ich gerne über meine Heimat rede und versuche, ihnen die Kultur ein bisschen näher zu bringen. Außerdem haben sie vor, dass wir nächstes Wochenende aufgrund des 3. Oktobers einen Abend mit typisch deutschem Essen bei uns im Haus veranstalten, wozu ich meine Freunde einladen kann, die dann aber auch jeweils ein typisches essen ihres Heimatlandes mitbringen sollen. Neben meiner „eigentlichen Familie“ habe ich auch noch eine Cousine, mit der ich mich wirklich gut verstehe. Bevor ich angekommen bin, wusste ich überhaupt nichts von ihr und war dann am Flughafen ziemlich verwirrt. Aber wir haben uns von Anfang an verstanden und in der ersten Woche, in der ich hier war, jeden Tag getroffen. Sie ist extrem lustig und spricht zu meinem Glück ein sehr gutes Englisch, weshalb es mir leichter fällt mit ihr zu reden und tatsächlich ich zu sein.

Jetzt versuchen wir immer noch, uns regelmäßig zu treffen, das ist aber gar nicht so einfach, weil wir beide Schule haben und unsere Wochenenden meistens verplant sind.

Mein Spanisch ist, glaube ich, schon deutlich besser geworden, oder wenn nicht, bin ich zumindest sicherer geworden, eine mehr oder weniger fremde Sprache zu sprechen. Zu meinem Glück, hatte ich in Deutschland schon Spanischunterricht in der Schule und kann mich mit den meisten Menschen halbwegs unterhalten. Das ist auch ein Vorteil, den ich gegenüber manchen anderen Austauschschülern habe, vor allem im Spanischkurs, den alle Austauschschüler von Rotary besuchen müssen. Letzte Woche haben wir dort ein Examen geschrieben und während ich es ziemlich einfach fand, war es für andere doch ganz schön schwer. Allerdings ist mein Spanisch noch weit davon entfernt, so gut zu sein, dass ich mich mit jedem einfach so unterhalten kann. Vor allem wenn meine Mitschüler miteinander reden, stehe ich meistens daneben und verstehe bloß grob, worüber sie gerade reden. Aber auch das ist schon viel besser geworden und ich bin mir sicher, dass ich in ein paar Monaten kaum noch Probleme haben werde.

Schule generell ist sehr anders als erwartet. Ich dachte vermutlich, dass der Unterricht an sich einfacher wäre, aber meine Schule unterrichtet auch anders, als „normale mexikanische Schulen“. Die meisten Fächer (und ich habe nicht viele) sind Trabajo Personal, wo die Schüler im Internet Guides haben, die sie dann ausfüllen müssen. Oftmals gibt es also gar keinen Unterricht mit „der Lehrer erklärt, die Schüler schreiben mit“, sondern nur diese Guides. In manchen Fächern fällt mir das wirklich schwer, weil meine Kenntnisse dafür einfach noch nicht ausreichen. Meine Lehrer hier zeigen nicht großartig Interesse an mir, was in Ordnung ist, ich aus Deutschland aber ganz anders gewohnt bin. Mein Stundenplan hat mich am ersten Tag auch ziemlich geschockt. Ich habe pro Woche 17 Stunden Chemie und war in Deutschland super froh, dass ich nach der zehnten Klasse Chemie abwählen konnte und nie wiederhaben würde. Generell bin ich eher der Sprachentyp und habe hier aber zum Beispiel gar kein Englisch mehr, was in Deutschland mein Lieblingsfach ist. Dafür habe ich aber französisch, was eigentlich ganz interessant ist, allerdings ist der Lehrer ziemlich schlecht.

Was mir an der Schule allerdings gefällt ist der Sportunterricht, weil ich dort Beach-Volleyball gewählt habe und mir das viel Spaß macht. Außerdem kann man hier seine künstlerische Aktivität auswählen, die man das ganze Jahr machen wird. Wählen kann man zwischen Theater, Zeichnen, Tanz, Make-Up (ähnlich wie Maskenbildnerei) und Musik. Zu Musik allein zählt aber Gitarre, Geige, Klavier, Gesang kommen und Schlagzeug. Da ich schon in Deutschland Gesangsunterricht hatte und mir Singen viel Spaß macht, habe ich Gesang gewählt. Das coole an den künstlerischen Aktivitäten hier ist, dass wir im Rahmen eines Projektes alle zusammen ein Theaterstück aufführen werden. Das ist das dritte Jahr, dass dies stattfinden wird und dieses Jahr ist das Thema/die Inspiration der Disneyfilm Aladdin. Im März wird das Ganze dann im größten Theater Aguascalientes aufgeführt, schätzungsweiße passen dort 2500 Menschen rein. Das weiß ich, weil ich diese Woche zum Ballett „Schwanensee“ mit meiner Familie dort war. Im Vergleich zur Semperoper in Dresden ist das Theater aber um ehrlich zu sein nicht wirklich schön, aber das liegt aber daran, dass Dresden wunderschön ist. Generell war ich ziemlich überrascht über Aguascalientes, als ich angekommen bin, weil mein Gastvater mir zuvor geschrieben hatte, dass die Stadt sehr kulturell und historisch ist. Ich glaube sogar, dass es hier im Vergleich zu anderen Städten viel Kultur und historische Gebäude gibt, aber im Vergleich zu Deutschland oder generell Europa ist es aber sehr wenig.

Mit meinen Mitschülern verstehe ich mich gut, auch wenn ich bis jetzt noch nicht das Gefühl habe, wirklich gute Freunde gefunden zu haben. Es gibt viele, mit denen ich mich gut verstehe und mit denen ich in Zukunft vermutlich gut befreundet sein könnte. Geredet habe ich auch schon mit allen in meiner Klasse, die Sache ist bloß, dass hier letztes Jahr auch eine Deutsche war, die sich anscheinend richtig blöd benommen hat und jetzt alle schlecht von Deutschen denken. Die meisten meiner Mitschüler zeigen auch nicht wirklich Interesse an mir, deswegen war der Anfang schwieriger als ich es erwartet hatte. Inzwischen geht es aber eigentlich voll in Ordnung. Ich habe Freunde gefunden und mich an den langen Schultag gewöhnt.

Insgesamt bin ich hier sehr glücklich. Es ist ganz anders als erwartet, bestimmt schwerer, aber ich fühle mich wohl und auch wenn ich daran denke, dass ich noch neun Monate hier sein werde, überkommen mich keine Angst oder Zweifel, sondern eher Dankbarkeit, dass ich das alles erleben darf.

Also noch einmal; MUCHISIMAS GRACIAS an alle, die mir dieses wunderbare und spannende Jahr ermöglicht haben! Ich bin unglaublich glücklich und dankbar hier zu sein!

Muchos Saludos, Katharina

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