Es ist sehr schwer zu beschreiben wie man sich als Austauschschüler, oder besser gesagt als Inbound fühlt. Ich weiß noch ganz genau, wie ich mich als Outbound gefühlt habe. Wie ein Frischling. Alle wussten Bescheid was passieren wird und ich nicht. Das war schon ein wenig nervig.
Aber wie gesagt, es ist schwer zu sagen, was dieses Gefühl eigentlich ist. Ich glaube es liegt daran, was man gesehen und erlebt hat. Wie als ob einem der Kopf und die Sicht aufgegangen ist und man eine Sache in der Welt jetzt aus mehreren Perspektiven sehen kann.
Ich weiß, dass das ein Satz ist den man oft hört, aber er ist wahr: Alle Vorstellungen über das Leben in einem anderen Land werden gesprengt. Und dabei habe ich mich doch sehr angestrengt keine Erwartungen zu haben. Trotzdem hat sich vor meinem Abflug in das fremde Land Chile ein winziges Bild in meinem Kopf breitgemacht. Ich wollte es nicht, aber es war nicht zu verhindern. Als ich dann ankam und überall die Graffitis, Straßenhunde und Stacheldrahtzäune sah war ich schon sehr überrascht. Doch der erste Eindruck ist nicht immer der richtige. Ich bin im Winter hier angekommen. Alles sah dunkel und trüb aus. Doch als es dann wärmer wurde und die Sonne überall hin geschienen hat alles quasi einen anderen Anstrich bekommen.
Auch klingt es nach einem Standartsatz, wenn ich sage: Ich hatte Momente von denen ich nie gedacht hätte sie mal zu sehen oder zu erleben. Aber es ist so wahr. Das sind lustige Momente – dass mit der ganzen Schule an einem Tag nur Spiele gespielt werden und die Jungs sich gegenseitig rappend auf der Bühne auf schlimmste beleidigen dürfen – sehr gewöhnungsbedürftige Momente – dass viele Leute einem den Hitlergruß zeigen und mit all dem sehr offen umgegangen wird, woran ich mich immer noch nicht gewöhnt habe und mich vermutlich auch niemals werde – und auch die wunderbarsten Momente, die man sich vorstellen kann. Ich war jetzt im Mitte Dezember mit Rotary in Patagonien und kann es immer noch kaum glauben, dass ich an dem Ort stand wo sich die zwei großen Ozeane treffen, dass ich Pinguine und den Rücken eines Wals gesehen habe und in dem wunder-, wunderschönen Torres del Paine Nationalpark war.
Irgendwann werden all diese Momente, ausgenommen Patagonien, zum Alltag und man freut sich immer wieder, wenn man etwas Neues erlebt, fühlt sich aber auch zuhause und merkt: Das ist normal. Irgendwann wird es schwierig über den Inhalt eines Quartalsberichtes nachzudenken. Wie soll man nur so viele Dinge zusammenbekommen, die spannend, neu und einzigartig über meinen Austausch sind? Was sollte man en Outbounds sagen? Was dem Club? Es ist nicht so, dass ich nichts erlebe über das man berichten könnte, aber nach vier Monaten, die ich jetzt hier lebe, fühle ich mehr und mehr: Ich wohne hier. Ich spüre die Unterschiede nicht mehr so stark, bis gar nicht.
Dennoch werde ich immer das gleich, tolle Gefühl haben, wenn ich ein neu gelerntes Wort zum ersten Mal richtig verwendet habe. Oder wenn ich früh aufwache und bemerke, dass ich auf Spanisch geträumt habe. Auch wenn ich im Radio die Lieder verstehe und vielleicht auch mitsingen kann. Leider kommt das nicht von alleine. Ich habe Tage an denen es mir schwer fällt die andere Sprache zu verstehen oder zu sprechen, aber es gibt auch Tage an denen man mich am Abend fragt, was heute mit mir los war, weil ich ständig geredet habe. Ich weiß aber immer, dass ich von meinen Gasteltern oder von den Leuten aus meinem Rotaryclub verstanden werde, wenn ich sage: „Ich finde gerade nicht die Worte.“ Oder wenn ich dreimal einen auf einen einfachen Satz eine Erklärung benötige. Sie verstehen mich. Und wir können alle Witze über mein Spanisch machen. Und die sind manchmal echt lustig. Beispielsweise habe ich mit Bildern meine Familie und Freunde vorgestellt. Dabei habe ich eine Mischung zwischen zwei verschiedenen Wörtern für „Ehemann“ benutzt, die sich wie das spanische Wort für Schmetterling anhört, aber eigentlich manchmal für „schwuler Lebensgefährte“ verwendet wird.
Das war gleich mehrmals lustig. Erst haben sie gelacht, nach der Erklärung ich und später der Ehemann, den ich im Bild beschrieben habe. Ihm musste ich die Geschichte natürlich auch erzählen. Ich habe nicht nur in der Sprache, sondern auch sonst mit jeder Sache, die ich nicht verstehe Hilfestellungen von allen Seiten. Und ich verstehe mich hervorragend mit meinem Rotaryclub. Wir gehen zusammen auf Vorträge, bei denen ich mich vorstellen und reden darf. Wir verkaufen für den guten Zweck Lose auf dem Markt und im Einkaufszentrum, das trotz schlechtem Spanisch für mich echt lustig war und irgendwann sogar zu einem kleinen Wettbewerb geworden ist. Und ich besuche regelmäßig das Haus meines YEO´s oder anderen Rotarieren. Darüber bin ich sehr
Im Gesamten kann ich sagen, dass vier Monate von den zehn, die ich hier bin nicht viel ist, aber ich habe schon so einiges gelernt. Und ich weiß, dass wenn ich zurück bin: Ich werde die Outbounds ebenso wie „Frischlinge“ behandeln wie ich angesehen wurde. Nicht aber, weil ich gemein sein will, sondern weil man dieses unbeschreibliche Gefühl hat.
Ich glaube die Erklärung, die dem am nächsten kommt ist: Es ist wie als ob man in einem Jahr in ein großes Geheimnis eingeweiht wird, das nur wir verstehen. Und da kann man noch so oft in dem Land Urlaub machen, Bücher lesen und Fotos anschauen und man kommt doch nicht dahinter was das Geheimnis ist. So fühlt man sich. Und es ist ein tolles Gefühl.