Mexiko – 3. Bericht von Katharina

Das Datum meines Rückfluges rückt immer näher und um ehrlich zu sein, weiß ich nicht, wie ich mich deswegen fühle. Obwohl ich meine Zeit hier sehr genieße, freue ich mich inzwischen auch auf Deutschland. Ich habe angefangen, meine Stadt und all das Bekannte zu vermissen. In den letzten sieben Monaten habe ich mich in Mexiko gut eingelebt. Ich habe mehr oder weniger einen geregelten Tagesablauf und kenne mich in der Stadt, meiner Schule und meiner Gastfamilie aus. Um ehrlich zu sein erstaunt es mich immer noch, dass man sich so schnell an alles anpassen kann. All die Sachen, die ich hier erlebe, die teilweise in Deutschland überhaupt gar nicht möglich wären, wie beispielsweise letztes Wochenende, als ich mit meiner Familie zu ihrem Ferienhaus gefahren bin, das an einem privaten See liegt. Wir haben die Tage damit verbracht, Jet Ski, Wasserski und Kajak zu fahren und uns auf einem aufblasbaren „Donut“ mit ihrem Boot durch den ganzen See ziehen zu lassen. Das habe ich sehr genossen und mich dabei unglaublich glücklich gefühlt, dass ich so etwas in Mexiko erleben kann, vielleicht auch weil ich das eben so noch nie in Deutschland gemacht habe. Außerdem hat meine Familie eingeladen, da sie sich gut mit ihr verstehen. Darüber war ich auch sehr froh, weil ich so zumindest eine bekannte Person unter mehr oder weniger Fremden hatte. Vor zwei Wochen habe ich nämlich ziemlich spontan meine Familie gewechselt und kenne sie daher noch nicht so gut. Eigentlich war für alle Austauschschüler hier bloß ein Wechsel geplant und der Grund, dass ich wechseln musste, war auch nicht, dass ich irgendwelche Probleme mit meiner vorherigen Familie hatte, sondern dass es hier zwei andere Austauschschüler gibt, die zusammen bei einer Familie gewohnt haben, die furchtbar waren. Inzwischen wurden beide Austauschschüler aus der Familie herausgeholt, diese aus dem Rotary-Austauschprogramm ausgeschlossen und ihre Töchter, die momentan selber im Austausch sind, wurden zurückgeschickt.

Damit aber die zwei Austauschschüler wechseln konnten, mussten sich zwei freiwillige Familien finden und eine kann nur ein Mädchen aufnehmen, weswegen ich zu dieser wechseln musste und einer der beiden Austauschschüler ist nun in meiner vorherigen Familie. An einem Freitag wurde mir Bescheid gesagt, dass ich am Wochenende wechseln würde, was ziemlich überraschend kam. Mein erster Gastvater, der mir die Nachricht ausgerichtet hat, meinte, ich könne auch sagen, dass ich bei meiner Familie bleiben könnte, aber ich glaube nicht, dass das tatsächlich möglich gewesen wäre. Aber eigentlich hatte ich keine großen Probleme mit dem Wechsel. Meine neue Familie ist super nett und anders als in der vorherigen Familie, wo ich allein mit meinen Eltern gelebt habe, habe ich jetzt zwei Gastgeschwister, mit denen ich mich sehr gut verstehe. Eine 20-jährige Gastschwester, mit der ich mir mein Zimmer teile und einen 16-jährigen Bruder, der nächstes Jahr mit Rotary nach Deutschland gehen möchte. Meine Gasteltern scheinen nett zu sein, die sehe ich aber nicht so wirklich oft, weil ich nachmittags meist unterwegs bin und zumindest mein Vater viel arbeitet. Wenn ich meine Familie sehe, ist das meistens bei einem der vielen Familienessen, die es gibt. Pro Woche steht nämlich vier Mal an, dass man mit der ganzen Familie isst, von den Großeltern bis zu den Enkeln – und mein Gastvater hat neun Geschwister! Das macht meine Nachmittagsbeschäftigungen manchmal ein bisschen schwer zu planen, weil diese Essen durchaus bis zum Abend dauern können. Dadurch, dass ich aber mit meinen Gastgeschwistern und -cousins zusammen bin, ist es gar nicht schlimm und das Essen ist sehr gut.

Zu Clubtreffen meines Rotaryclubs gehe ich jeden ersten Mittwoch des Monats, neben diesen Treffen gibt es allerdings noch viele andere Events von Rotary, zu denen ich gehe. Gestern wurden beispielsweise die besten Stadtbewohner meiner Stadt geehrt, was von Rotary veranstaltet wurde. Im Januar hatten wir eine Distriktkonferenz in unserer Stadt. Unser Distrikt besteht aus fünf Bundesländern, woraus der Chairman für die Konferenz aus jedem einen oder zwei Austauschschüler gewählt hat, um eine kurze Rede zu halten. Für Aguascalientes hat er einen Brasilianer und mich ausgewählt, was mich sehr gefreut hat.

Ich hatte das Glück – oder Pech, je nachdem wie man das sieht – und habe aus allen Clubs des Distrikts genau den erwischt, in dem der Chairman, der Gobernador und auch mein City Counselor sind. Mit meinem Chairman verstehe ich mich sehr gut, weil er immer versucht, mit mir auf Deutsch zu reden, allerdings kaum etwas spricht. Mit dem Gobernador habe ich nicht viel zu tun, weil er für das Austauschprogramm nicht wichtig ist und mit meinem City Counselor verstehe ich mich grundsätzlich auch gut, auch wenn ich denke, dass er ein furchtbarer Counselor ist, genauso wie mein YEO. Ich hatte bis jetzt zum Glück noch nicht irgendwelche größeren Probleme, bei denen ich unbedingt Rotary involvieren musste, ein paar meiner Freunde allerdings schon und bei ihnen war es echt schwer, die Rotarier hier davon zu überzeugen, ihnen zu helfen. Oft ist es der Fall, dass Austauschschüler hier Probleme haben, beispielsweise mit der Familie, und Rotary dann meint, dass sie sich einfach besser anpassen müssen. Im Fall von Fanny, die auch bei der schlechten Familie war, welche jetzt vom Programm ausgeschlossen wurde, hat sie im September oder Oktober das erste Mal erwähnt, dass sie Probleme mit ihrer Gastfamilie hat. Bis tatsächlich mal etwas passiert ist, war Dezember und in ihrem Fall, war das nichts, was so lange hätte warten können. Oft schenken die Rotarier uns hier keinen Glauben, sondern unterstützen viel mehr die Familien. Und natürlich ist das nicht immer so, aber generell habe ich sehr den Eindruck, dass Rotary sich hier nicht sehr um die Austauschschüler schert. Außerdem haben von 16 Austauschschülern in meiner Stadt schon fünf ein Warning. Teilweise aus Gründen wie das Zuspätkommen zu einem Meeting oder dass eine Taiwanesin nicht schnell genug Spanisch lernt. Ich will nicht sagen, dass Rotary hier komplett schlecht ist, weil es natürlich immer noch genug Sachen gibt, die wunderbar von ihnen für uns organisiert werden. Beispielsweise hatten wir vor einem Monat eine Kurzreise zur Huasteca Potosina, die wunderschön war. Aber trotzdem fühle ich mich so, als könnte ich mit Rotary hier nicht über meine Probleme reden, weil ich nicht ernst genommen werde.

Meine Schulsituation bleibt unverändert. Das einzig Gute, was ich durch die Schule hier erreicht habe, ist dass ich erkannt habe, wie toll meine Schule und das ganze Schulsystem in Deutschland ist. Ich habe tatsächlich versucht, irgendetwas zu finden, das mir an der Schule gefällt, aber ich find sie einfach nur furchtbar. In meiner jetzigen Familie werde ich zum Glück später hingebracht und früher abgeholt, also ist es vollkommen in Ordnung, aber immer wenn ich dort bin, fühle ich mich einfach komplett unnötig. Als das neue Semester angefangen hat, habe ich Rotary gefragt, ob die Möglichkeit eines Schulwechsels besteht, sie meinten allerdings nur, dass das nicht möglich wäre. Als ich nachfragte, warum es nicht klappen würde, hat mir nicht mein YEO, mein Counselor oder mein Chairman eine Antwort darauf gegeben, sondern mein erster Gastvater. Die Gründe sind für mich immer noch fragwürdig, aber ich habe es akzeptiert und bin tatsächlich einfach nur froh, dass ich bald eh nicht mehr zur Schule gehen muss.

Nach der Schule (wenn ich nicht grade Familienessen habe), treffe ich mich viel mit meinen Freunden oder gehe in den Sportclub, in dem meine Familie angemeldet ist. Inzwischen habe ich mich auch bei einer Musikschule für Gesang angemeldet, weil mir Singen viel Freude bereitet. Generell geht es mir hier deutlich besser, als es jetzt vielleicht wirkt. Ich erlebe hier auch nach fast acht Monaten noch immer so viele unglaubliche und schöne Sachen. Ich habe immer noch nicht mal ansatzweise alles von Mexiko gesehen, noch nicht mal von meiner Stadt! Ich habe immer noch ganz viel vor mir, was ich von der Kultur lernen kann, so viele neue Gerichte, die ich probieren muss. Und ich bin noch immer so froh, dass ich hier bin. Würde mir alles gefallen, wäre es doch langweilig.

Ich hoffe, Sie hatten alle wunderschöne Ostern!

Katharina Trutschler

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