Chile – 1. Bericht von Friederike

Den Flug habe ich tatsächlich genossen. Fast alle Austauschschüler aus Deutschland sind mit dem selben Flug geflogen und es war toll, nicht alleine fliegen zu müssen und die anderen kennen zu lernen. Auf dem langen Flug nach Sao Paulo saß ich leider allein, aber es gab ein tolles Angebot an Filmen.

In Sao Paulo sind wir dann reibungslos umgestiegen und in dem zweiten Flug saßen wir dann auf einem Haufen und ich hatte echt Spaß. Als ich angekommen bin, war erstmal mein Koffer weg. Ziemlich viele haben ihr Gepäck verloren. Wir sind in einem Bus nach El Quisco, eine kleine Stadt am Meer, gefahren, in ein Rotary Camp mit allen anderen Inbounds in 4340 aus der ganzen Welt. Das war richtig schön. Es war eine Mischung aus Lernen und Spaß, ich habe so viele Leutekennen gelernt! Am 3. Tag, der Tag der Abreise aus dem Camp, sind die Koffer wiederaufgetaucht und ich war unglaublich glücklicklich. Als wir dann in den Bus gestiegen sind, um an einen Treffpunkt in einer kleinen Stadt zu fahren, an der uns unsere Gasteltern abholen, war ich ziemlich traurig, dass das Camp vorbei war. Bei meiner Ankunft war ich zu erst total erschöpft und aufgeregt. Angst war natürlich auch dabei. Als ich aus dem Bus gestiegen bin und die Horden an Menschen gesehen habe, habe ich sofort ein Schild mit „Willkommen Friederike“ gesehen. Wir, meine Gastfamilie, der Freund meiner Gastschwester, meine Counselorin und ich, sind in Autos gestiegen und in Richtung meines neuem zu Hause gefahren. Dort angekommen war ich erst mal sehr verwirrt. Nicht so wie in Deutschland, aber das habe ich auch nicht erwartet. Ich fühle mich schlecht, wenn ich das schreibe, aber ich hatte es mir anders vorgestellt. Es war alles sehr klein, vor allem die Küche, es fehlten sehr viele der Lebensmittel, die ich erwarte ( was sich vor allem dann als schwer herausgestellt hat, als meine Gastmutter meinte, ich müsste Pancakes für sie machen, aber auch chefkoch.de findet man viele Rezepte ohne die Grundlagen des Rezeptes) und manchmal kam kein warmes Wasser, es gab kein Auto und sehr aggressive Hunde, die auch manchmal in mein Zimmer machten. Aber ich hoffte, ich würde mich damit arrangieren.

Am 2. Tag sind wir schon sofort mit der Metro zum PDI gefahren, der Zivilpolizei in Chile, wo ich geschlagene 3 Stunden in der Kälte (hier ist es wirklich KALT!) stand, um Dokumente zu bekommen. Als ich dann im Gebäude war, habe ich 2 andere Austauschschüler aus Frankreich getroffen, mit denen ich mich sogar auf meinem eher spartanischen Schulfranzösisch-Niveau unterhalten konnte, weil wir darin noch eine Wartezeit von 2 Stunden hatten. Wir sind in eine andere Einrichtung gefahren, wo wir so etwas wie einen Personal Ausweis erhalten sollten. Dort traf ich noch andere Austauschschüler, auch 2 Deutsche, mit denen ich mich dann unterhalten habe. Sie waren alle super zufrieden mit ihrer Familie. Ich habe zu dem Thema erst mal nichts gesagt, bis der eine Deutsche dann gesagt hat, ob wir uns mal alleine unterhalten wollen. Er meinte, dass er gemerkt hätte, dass es mir nicht so gut geht.. Ich habe ihm ehrlich erzählt, wie ich mich fühle. Er hat mir sehr geholfen.

Zwei Tage Tag später sind wir dann in die Schule mit der Metro gefahren. Es ist ein sehr langer Weg (60 Minuten) mit Umsteigen. Die Metro ist immer zum Bersten überfüllt, weswegen ich manchmal auf die nächste Bahn warten muss. Das Umsteigen ist sehr schwer, weil es einfach zu viele Menschen und zu wenig Zeit ist. Außer dem starren mich die Leute wegen meiner „Andersartigkeit“ an (groß, helle Haut, vergleichsweise helle Haare) und streichen mir auch manchmal übers Haar. Ich fühle mich sehr unsicher in der Metro.

Ich verstehe nicht, warum ich eine Stunde zu einer schlechten Schule fahren muss, an der es anscheinend öfters Probleme gibt, wenn die beiden anderen Austauschschüler an eine Schule 15 Minuten von meinem Haus entfernt gehen. In der Schule lief erst mal irgendwas mit dem Papierkram schief, weswegen ich erst nach 2 Tagen den Unterricht besuchte. Mein erster Schultag war grauenvoll. Die Mädchen interessierten sich 2 Stunden für mich-aber als ich dann Alkohol ablehnte, war ich uninteressant. Aber das ich auch Marihuana und erneute Angebote zu Alkohol ablehnte, schien sie auf die Idee zu bringen, aus mir eine Aufgabe zu mache. Wer bringt sie zuerst zum Trinken, zum Rauchen, wer küsst sie zuerst… Im Unterricht sitze ich größten Teils alleine. Ich verstehe viel und konnte in Ethik auch zum Unterricht beitragen. Nach der Schule fuhr ich wieder mit der Metro nach Hause und saß dann 3 Stunden alleine im Haus herum, dass sehr klein war und nicht viele Unterhaltungsmöglichkeiten bot, weil ich ohne meine Gasteltern keine Freunde im Haus haben durfte, ich nicht alleine das Haus verlassen durfte und meine Gasteltern sehr spät nach Hause kamen. Die beste Zeit hatte ich, als ich bei den beiden anderen Austauschschülern war. Ich habe mich sofort willkommen gefühlt und es wurde auch etwas unternommen (z.B. in die Mall fahren oder zusammen einen Film schauen). Das Problem ist, dass die Prozedur, das heißt die Eltern der anderen Gastschüler müssen mich abholen oder zurückbringen, sehr schwer ist.

Mit meiner Counselorin hatte ich auch viel Spaß. Sie hat mich einmal von zu Hause abgeholt und wir sind zu ihrem Haus gefahren und ich habe viel mit ihren Söhnen (der eine hat einen Austausch nach Deutschland gemacht) unterhalten. Ich war mit einem ihrer Söhne im Baumarkt und ich war froh, einfach einmal etwas anderes zu sehen. Dann war ich mit Patricia (meine Counselorin) und ihrer Enkelin einkaufen und es war einfach wunderbar. Die Kleine konnte mir so viel verständlich erklären!

Am Wochenende unternahm meine Familie, außer zum Einkaufen laufen, nichts mit mir. Ohne Ablenkung zog es mich natürlich zurück nach Deutschland oder an mein Handy. Es war eine Erleichterung, als mir eine andere Austauschschülerin mitgeteilt hat, dass sie gerne was mit mir machen würde.

Mit meiner Gastmutter hatte ich manchmal Auseinandersetzungen. Als ich zum Drogeriemarkt neben der Schule gegangen bin, hat mir meine Mutter danach erklärt, dass ich das nicht alleine darf und ich sie informieren muss. Als ich nach einem sehr schweren Tag an der Schule fast weinend nach Hause kam und meine Gastmutter meinte, sie müsste das mit den Schülern klären und mir, in einer komplett emotionsüberladenen Situation, klargemacht hat, dass ich nicht zu entscheiden hätte, ob ich die Schule wechsle oder nicht.

Ich bin ehrlich gesagt so selbstbestimmt, dass ich darüber entscheide, was ich wann trinke und esse und das ich mir alleine eine Zahnbürste und Seife kaufen kann. Ich bin 16 und in dem Alter sollte man so selbstständig sein.

Als ich in den Ferien bei meiner Counselorin übernachtete, da ich sonst die ganze Zeit alleine wäre, haben wir über die Probleme gesprochen. Eine Woche später wechselte ich die Familie. Das war das beste, was mir passieren konnte. Ich bin noch nicht einmal eine Woche in meiner neuen Familie und fühle mich zu Hause. Wir unternehmen sehr viel zusammen, wir reden viel und meine Gastbrüder und ich verstehen uns super. Mein einer Gastbruder war vor 3 Jahren in Deutschland, er hilft mir immer, wenn ich eine Vokabel nicht weiß.

Das Essen, die Menschen, das gesamte Umfeld ist einfach toll. Ich bin froh, diesen, doch etwas schwere, Thema des Familienwechsel anzusprechen, denn jetzt habe ich eine Familie, die mir die chilenische Kultur und den Lebensstil vermittelt. Der Ausflug nach Valparaiso war wunderschön.

Ich hoffe auch auf einen Schulwechsel, aber natürlich bin ich erst mal froh, in meiner neuen Familie so glücklich zu sein. Ich danke Rotary und allen Menschen, die mir mein Austauschjahr ermöglicht haben und hoffe auf ein gelungenes Jahr.

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