USA – 2. Bericht von Leonard

In ein paar Tagen wird mein vierter Monat in Poulsbo zu Ende gehen. Kaum zu glauben, dass ich schon so lange hier bin. Manchmal habe ich das Gefühl, dass die Zeit viel zu schnell vergeht und diese förmlich an mir vorbeirast. Anfang Dezember war mein erster Gastfamilienwechsel, dem ich gespannt, aber auch etwas nervös entgegenblickte. Zwar kannte ich die Familie schon von vorherigen Rotarytreffen, aber schließlich ist das Zusammenleben ja doch noch etwas anders als der Smalltalk eines Meetings. Der Wechsel jedenfalls war ganz unkompliziert und ich habe mich schnell in die neue Umgebung und die Familie eingelebt. Da diese Familie 11jährige Zwillingsjungs hat, auch etwas chaotisch ist und immer viel Leben in der Bude stattfindet, fühlt es sich schon fast wie mein zu Hause in Dresden an. Meine vorherige Gastfamilie hatte keine Kinder, so dass der bunte Haufen eine gute Abwechslung für mich ist und mich an meine eigenen Wurzeln erinnert.

Vor ein paar Tagen begannen die Weihnachtsferien. Es sollte das erste Weinachten ohne meine Familie werden. Auch wenn mich dieser Umstand ein wenig nachdenklich gemacht hat, war es ein wundervolles Weihnachtsfest. Wir feierten gemeinsam bei der Uroma. Sie ist irgendwann vor vielen Jahren aus Deutschland ausgewandert und ihr größter Wunsch war es, mit mir, einem deutschen Austauschschüler, Weihnachten zu erleben. Wir sind gegen 5 Uhr zum Haus der Uroma aufgebrochen und die gesamte Familie hat ein gemeinsames Abendbrot eingenommen. Es gab Gulasch und Sandwiches, was mich zum Schmunzeln brachte. Eine witzige multikulti deutschamerikanische Mixtur. Nachdem der Schmaus beendet war, haben sich alle vor der verschlossen Tür des Wohnzimmers versammelt. Die Uroma öffnete die Tür und hinter der Tür befand sich ein wunderschön geschmückter Weihnachtsbaum. Das ist vermutlich ein deutscher Brauch. Meine Eltern machen zu Hause auch immer einen Kult um den Tannenbaum. Er wird hinter verschlossener Tür geschmückt und erst bei der Bescherung am Weihnachtsabend dürfen wir Kinder herein. Die Geschenke in meiner Gastfamilie gab es allerdings erst am nächsten Morgen. Meine beiden Gastbrüder und ich packten alles aus und freuten uns über dieses wirklich wunderschöne Weihnachtsfest. 

Eigentlich sollte ich ja den neuen Outbounds ein paar Tipps und Hinweise geben. Weihnachten hat mich aber so berührt, dass ich es nicht unerwähnt lassen wollte. Trotzdem zurück zum eigentlichen Thema:

Liebe Outbounds, sobald ihr wisst, wo ihr hinkommt, LERNT DIE SPRACHE! Nichts Schlimmeres kann ich mir vorstellen, als die Sprache des Gastlandes nicht wenigstens in den Grundzügen zu beherrschen. Ihr tut euch und euren Gastfamilien keinen Gefallen, wenn ihr nur stammelt und euch nicht auszudrücken vermögt. Es ist so viel einfacher ein Gespräch zu beginnen, Kontakte zu knüpfen, Freunde zu finden und Dinge zu klären, wenn man über Grundkenntnisse dieser Sprache verfügt. Legt dabei insbesondere auch den Fokus auf die Vokabeln, die eure Emotionen beschreiben. Das hilft sehr sich differenziert auszudrücken und genauer zu sagen wie ihr euch fühlt. Das man mit guten Sprachkenntnissen einen besseren und leichteren Start hat, ist ja eigentlich selbsterklärend. 

Mein zweiter Ratschlag betrifft eure Position in dem euch aufnehmenden Rotary Club. Um auch da eine gute Anbindung und einen gelungenen Start zu haben, ist es richtig clever, jede angebotene Aktivität mitzumachen. Eine bessere Möglichkeit, die Umgebung und die Mitglieder des Clubs kennenzulernen gibt es nicht. Soweit es keine Terminüberschneidungen gab, habe ich wirklich alles angenommen, was mir angeboten wurde und das hat sich in jeder Hinsicht gelohnt. Dadurch habe ich sehr viele Rotarier kennengelernt, Freunde gefunden und wurde zu sehr vielen zusätzlichen Ausflügen mitgenommen. Außerdem finde ich es enorm wichtig und gebietet unser Anstand, den Menschen, die sich um uns bemühen, Respekt zu zeigen und sich gut zu integrieren. Abgesehen davon, bin ich von keinem Ausflug dümmer nach Hause gekommen oder hätte diesen je bereut. 

Der nächste entscheidende Punkt ist folgender: Überwindet einfach alle Hemmungen und Vorbehalte und geht beherzt auf alle Menschen zu. Den entscheidenden ersten Schritt müsst ihr einfach immer wieder selber tun. Das haben wir ja zu genüge bei den Orientations vorgebetet bekommen. Und es ist wirklich so. Zumindest in meinem Gastland, den USA. Nach meiner Erfahrung findet man so am leichtesten Anschluss bei Erwachsenen und Jugendlichen und die meisten Schüler finden es tatsächlich ziemlich cool mit einem Austauschschüler befreundet zu sein und mögen meinen Akzent. 

Um sich wirklich gut zu integrieren, ist es vor allem wichtig, Kontakt zu den Einheimischen zu pflegen. Versucht am besten, den Kontakt zu anderen Austauschschülern in eurer Stadt zu begrenzen und euch lieber auf die wirklich dort lebenden Menschen zu konzentrieren. Mein großes Glück ist, dass in meinem Ort nur noch ein Mädchen aus Brasilien ist. Mit ihr verstehe ich mich wirklich blendend, wir machen aber nicht ständig etwas zusammen. Zu den wöchentlichen Rotarytreffen sehen wir uns natürlich und einige gemeinsame Ausflüge gab es auch. Nichtsdestotrotz ist es eine verpasste Möglichkeit, sich nur auf die jeweiligen Inbounds zu konzentrieren, nur weil diese zufällig das gleiche „Schicksal“ mit euch teilen. 

Zeigt einfach Interesse an euren Gastfamilien, an dem Land, an der Kultur und nehmt an dem gemeinsamen Leben teil. Nichts ist schlechter, als in der Gastfamilien den Eindruck zu erwecken, nur Hotel und Imbissbude des jeweiligen Austauschschülers zu sein. Ein richtiger Austausch aus ganzem Herzen beinhaltet für mich einfach wesentlich mehr, als nur Spaß mit Gleichaltrigen zu haben und mit diesen abzuhängen. 

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