Brasilien – 1. Bericht von Lisa

Natürlich habe ich mir vor meiner Abreise viele Gedanken gemacht, wie das wohl wird ein Jahr im Ausland zu verbringen, eine absolut fremde Kultur, Sprache, Menschen, eine Freunde und Familie zu Hause zulassen und sich das erste Mal völlig allein in ein Abenteuer zu stürzen.

Doch all meine anfänglichen Sorgen hatten sich sofort aufgelöst als ich meine neue Familie, mit einem riesigen Banner mit dem Aufdruck „Bem-vinda Lisa Richter“ (Herzlich Willkommen Lisa Richter), schon ganz ungeduldig am Flughafen in Ribeirao Preto auf mich warten, sah. Voll von Zufriedenheit und Neugier überwältig begann ich sofort meinen Gasteltern auf englisch zu erzählen (weil ich im Vorfeld mit ihnen nur auf englisch geschrieben hatte, da ich noch so gut wie keine Portugiesischkenntnisse besaß) ,dass ich unglaublich froh bin, endlich da zu sein und dass die Zeit, die wir gemeinsam verbringen werden, sicher wunderbar wird, als ich nach einigen Sekunden bemerkte, dass sie nichts von dem was ich erzählte, verstanden (da sie ohne dass ich es bemerkt hatte jedes Mal mit Google-Übersetzer gearbeitet hatten). Nun musste ich sofort damit beginnen ausschließlich portugiesisch zu sprechen, was schon mal für den ersten Schock sorgte. Glücklicherweise war vor einigen Jahren im Haus meines Onkels hier in Brasilien eine Schweizerin, die zu der Zeit ihre alte Umgebung bereiste, zu Besuch, die mir die ersten Tage beim Kommunizieren mit meiner Gastfamilie half.
Die zweite Überraschung erfuhr ich dann in dem kleinen Haus in dem ich mit meiner Schwester und meiner Mutter wohne. Denn hier leben nicht nur wir, sondern zudem noch drei Hunde, eine Katze, zwei Kanarienvögel und eine Schildkröte, die frei in der Küche herumläuft und einem in die Zehen beißt wenn sie hungrig ist. (Kleine Anmerkung nebenbei: In Deutschland hatte ich nie ein Haustier besessen, außer einmal für zwei Jahre ein Kaninchen) Aber glücklicherweise bin ich tierlieb und hatte keine Schwierigkeiten damit, dass die Hunde die Hälfte der Nacht auch in meinem Bett schlafen.
Ich muss wirklich sagen, dass ich sehr viel Glück mit meiner ersten Familie hatte, sie halfen und helfen mir bei jeglichen Problem (ob klein oder groß), besonders zu Beginn waren sie sehr geduldig und grade meine Gastschwester unterstützt mich wenn ich Schwierigkeiten beim Verstehen habe, sie hat mittlerweile ein Gespür für mich entwickelt und weiß wann ich eine Erklärung mehr benötige und dafür bin ich ihr sehr dankbar. Neben ihr und meiner Gastmutter, zu der ich schon ein sehr ähnliches Verhältnis wie zu meiner Mama in Deutschland habe (, letztes hat sie ein bisschen weinen müssen, als wir darüber gesprochen haben, dass ich bei meiner Amazonasreise, die im Mai ansteht, ganze 9 Tage vereist bin), besitze ich hier noch einen Vater, der auch eine Freundin hat (meine Gasteltern sind getrennt) und eine Menge von Tanten, Onkel, Cousins und Cousinen, (deren Namen ich mir  nie alle merken werde) und zwei Opas, zwei Omas sowie eine Uroma und sehr viele Freunde beider Familien, die mich auch alle kennenlernen wollten.
Im Gegensatz zu Deutschland, ist es in Brasilien viel einfacher Freundschaften zu schließen. An meinem ersten Schultag, wurde ich trotz fehlender Sprachkenntnisse sofort gut aufgenommen und nach einigen Wochen hatte ich mir schon einen engeren Freundeskreis zusammengesucht. Außerhalb der Schule, im Theaterclub, im städtischen Interact-Club sowie in der Familie, mit Bekannten der Familie, im Fitnessstudio oder bei den Treffen mit den anderen Austauschschüler aus aller Welt habe ich auch bereits Freundschaften geschlossen. (Auf dem folgenden Bild ist meine Inboundgruppe abgebildet.)
                                                      
 In der Schule verstand ich anfangs fast garnichts, die Lehrer reden sehr schnell und verwenden viele Fachbegriffe, was etwas Langeweile zuließ. Ich besuche die terceiro (Abschlussklasse meiner Schule, mit Schülern in meinem Alter, beziehungsweise einem Jahr älter, nächstes Jahr werden sie alle auf die Universität wechseln) und ich werde mit neuen Leuten in eine Klasse gesetzt. Der Unterricht hier in Brasilien ist auch nicht mit dem in Deutschland zu vergleichen. Die Fächer sind mehr auf das Naturwissenschaftliche geprägt. Ich habe hier pro Woche drei verschiedene Biologie-, zwei Physik-, zwei Geschichte-, drei Chemie-, zwei Mathematik-Stunden und zudem noch Geographie, Literatur, Portugiesisch, Philosophie, Gemeinschaftskunde. Allerdings ist es den Lehrern hier relativ egal ob ich in die Schule gehe,  bei den Anwesenheitslisten, die jeden Tag abgefragt werden, sind wir Austauschschüler nicht einmal vermerkt. Ich sitze mit circa 40-50 anderen Mitschülern in einem riesigen Saal und der Lehrer hält seinen Vortrag, welcher jederzeit unterbrochen werden darf um Fragen zustellen beziehungsweise eine Diskussion zu beginnen ohne  sich zu melden. Allgemein ist das Verhältnis zwischen Schüler und Lehrer viel wärmer und angenehmer, da wird der Lehrer beim Vornamen angesprochen und auch mal schnell umarmt oder geneckt, statt einer druckausübenden Autoritätsperson spiegeln sie eher die Rolle eines Onkels oder einer Tante, die etwas erklären, wieder.
Ich war außerdem auch schon in anderen Schulen zu Gast (wie in er VIP-Sprachschule in meiner Stadt, auf dem folgenden Bild)  um über Deutschland und meinen Austausch zusprechen, hauptsächlich auf Sprachschulen, englischsprechend, aber auch auf einer anderen Schule, auf der ich ausschließlich portugiesisch gesprochen habe.
 
Soweit komme ich mit der Sprache überraschend gut klar. Es ist schwierig sich selbst einzuschätzen, aber das wichtigste verstehe ich und nun wird es viel einfacher weiter zu lernen, da ich jetzt das Basiswissen erlangt habe und mir andere Dinge leichter erklären lassen kann. Von meinem Rotary Club wurden noch kostenlose Unterrichtstunden für mich organisiert, die allerdings nur für drei Monate gedacht sind und mich einfache Sachen lernen lassen um erst einmal mit meiner Gastfamilie klarzukommen und einen Überblick vom Portugiesischen zuerlangen. Doch das kann ich schon alles und hoffe jetzt, da ich momentan allein unterrichtet werde auch Neues zu lernen, Dinge die hilfreich sind und die ich noch nicht weiß.
Am besten komme ich hier übrigens mit dem Essen klar! Hier werden sehr viel Reis und Bohnen, Fleisch, Käse gegessen sowie Salat und viel Obst und Gemüse. Ich liebe die Früchte Brasiliens, sie sind viel größer, vielfältiger und süßer. Ich hatte innerhalb der ersten zwei Monate bereits 3 kg zu genommen.
Besonders gut gefällt mir auch die Art zu feiern. In meiner Stadt gibt es eine Straße, die abends beziehungsweise nachts von Jugendlichen überfüllt ist und man dadurch ganz einfach neue Leute kennenlernen kann. Sobald Musik gespielt wird, beginnt jeder zu tanzen, egal ob Sertanejo, Pagode oder Funk.
Meine Stadt Ibitinga ist mit circa 50.000 Einwohnern eine Kleinstadt und hier kennt jeder jeden. Für mich ist das sehr gut um möglichst viele Leute kennenzulernen. Außer mir gibt es in Ibitinga noch eine andere Austauschschülerin aus Mexiko. Sie ist allerdings ziehmlich unzufrieden und möchte ihren Auslandsoffenthalt abbrechen. Sie wohnt momentan in meiner zweiten Gastfamilie doch mir gefällt es in meiner so gut, dass ich noch nicht weiß ob ich mit ihr tauschen werde, da sie lieber auch bei ihrer jetzigen Familie bleiben möchte.
Ich habe allerdings keine Probleme und möchte hier nichtmehr weg. Natürlich vermisse ich meine Familie und meine Freunde, aber erstens ist es in Deutschland unheimlich kalt, zweitens sind hier alle sehr herzlich und drittens bin ich soviel unterwegs, dass ich keine Zeit habe, Heimweh zu bekommen. Trotzdem wünsche ich mir manchmal schon perfekt portugiesisch sprechen zu können, was einiges vereinfachen würde.
Momentan besteht mein Alltag daraus, zur Schule, zum Portugiesischunterricht und ins Fitnessstudio zugehen, mich mit Freunden zu treffen oder etwas mit der Familie zu unternehmen.
Zusammenfassend kann ich sagen, ich bin wirklich sehr glücklich in Brasilien und so froh, dass ich diese Gelegenheit bekommen habe, dafür möchte ich mich nochmals herzlich bedanken.

Liebe Grüße aus Ibitinga
Lisa Richter

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