Südkorea – 1. Bericht von Daniel

September 2016: 1. Quartalsbericht

Rotary Youth Exchange 2016/2017

Im August war es dann endlich so weit. Die gesamte Vorbereitung für das Austauschjahr, die Bewerbung, das Visum und vieles mehr würden sich nun auszahlen. Dies war für mich im Gefühl der Erleichterung. Gleichzeitig wusste ich, dass ich meine Familie und Freunde, von denen ein Teil sowieso schon „auf der anderen Seite der Welt“, in Mexiko, war, vermissen würde. Auch freute ich mich extrem auf die weite Reise und das Austauschjahr, ich hatte mich ja schon fleißig mit anderen Austauschschülern, die nach Korea gehen würden und gegangen sind, ausgetauscht. Doch das Seltsame an allem war, dass ich immer ruhiger wurde, obwohl ich gerade in den letzten drei Wochen vor meinem Abflug viele Freunde und Bekannte zum letzten Mal vor dem Jahr sah.

Am 27. August sah ich dann meine engsten Freunde zum letzten Mal und verabschiedete mich von Ihnen (zum Glück hatten sie wegen Hitze verkürzten Unterricht, sodass das möglich war). Danach habe ich meine letzten Sachen eingepackt und wir, meine Eltern, meine Gastschwester Dora aus Brasilien und ich sind zum Flughafen gefahren. Dort haben meine deutschen Großeltern auf uns gewartet, von meinen mexikanischen musste ich mich ja schon im Februar dieses Jahr verabschieden. Nach dem Abschied von meinen Großeltern, meinen Eltern und meiner Gastschwester Dora ging es dann durch die Sicherheitskontrolle und später ins Flugzeug, das mich nach Frankfurt brachte. Dort traf ich auch einen brasilianischen Austauschschüler, der auch nach Südkorea fliegen würde, was sehr hilfreich war, da wir so z.B. besser auf unser Gepäck aufpassen konnten.

In Seoul Incheon sind wir dann ohne Probleme durch den Zoll gegangen, und wurden gleich durch unsere Gastfamilien und Rotary Distrikt-Koordinatoren mit Plakaten empfangen. Anschließend sind wir zu einem anderen Ausgang gegangen und haben auch noch ein paar taiwanesische Austauschschüler begrüßt. Obwohl ich kaum geschlafen habe war ich kaum müde, ich nehme an, dass ich dann doch einfach zu aufgeregt war.

Was mich von Anfang an erstaunte war, wie modern alles war, angefangen vom Flughafen bis hin zu den Läden und Parkhäusern. So wurden wir auf dem Weg zum Audi A6 (!) meiner Gastmutter gleich ganz formell vom Parkautomaten angesprochen (mein Koreanisch ist leider zu schlecht um zu sagen, was er gesagt hat, aber ich bin ja am Lernen). Auch gab es im Flughafen und gibt es fast überall schnelles WLAN.

In Suwon angekommen, sind wir zuerst in ein Restaurant gegangen, wo es jede Menge Koreanische Gerichte gab. Mich hat hier und auch später überrascht, wie viel hier auf den Tisch kommt, und dann, dass die Qualität im Vergleich auch besser als in Deutschland war (aber auch dass die Preise teuren sind). Anscheinend wird hier also auch mehr für Essen ausgegeben und auf Essen geachtet.

Danach ging es zur Wohnung von meiner Gastfamilie. Diese ich nicht sehr groß, aber die meisten Wohnungen hier sind verglichen mit Deutschland relativ klein und in sehr hohen Häusern (das in dem meine Gastfamilie wohnt hat 20 Stöcke), was daran liegen könnte, dass Korea bei 52 Mio. Einwohnern und einer Fläche von einem Drittel Deutschlands sehr dicht besiedelt ist.

In den folgenden Tagen hat mir meine Gastfamilie die Stadt Suwon gezeigt, sowie meinen Schulweg. Dieser führt übrigens an JangAnMun, einem alten sehr schönen Tor vorbei, sowie an der alten Stadtmauer des alten sehr sehr kleinen Suwons. Auch bekam ich eine neue SIM-Karte und eine Bus- und U-Bahnchipkarte, die wird an (auch auf 5 verschiedenen Sprachen sprechenden) Automaten aufgeladen und dann immer beim Ein- und Aussteigen an einen Leser gehalten. Auch habe ich die anderen beiden Inbounds kennengelernt, Emily aus Taiwan und Jenna aus Schweden (Ihr Koreanisch ist ziemlich gut, insgesamt variiert das Koreanischniveau unter den Inbounds hier von nicht vorhanden bis fast fließend). Wir haben einiges unternommen, sind (mit unseren Gaschgeschwistern) nach Seoul gefahren, zum Karaoke oder Spielraum gegangen. Nicht zuletzt gehe ich jetzt auch manchmal mit Jenna oder alleine in eine Nachhilfeschule (Hagwon), wo die Koreanischen High School Schüler nach der Schule, den Hausaufgaben und dem Lernen hingehen um weiter zu lernen. Der durchschnittliche High School Schüler hier lernt darum in meinem Alter bis mindestens Mitternacht, die meisten sogar noch länger. Dies hat aber leider den negativen Effekt, dass man schwer etwas mit Koreanern unternehmen kann, da sie meistens lernen, wobei die Methoden auch härter sind, sowie dass sie meistens müde sind. So wird sehr viel auswendig gelernt, etwas bei Fremdsprachen einzelne Sätze und Vokabeln, wobei wenig kommuniziert wird. Aber das kann mich ja nur motivieren, weiter Koreanisch zu lernen. Und nicht zuletzt ist Südkorea mit diesen zugegebenermaßen harten Methoden von einem der ärmsten Länder der Welt zu dem geworden was es heute ist, und dafür bewundere ich die Menschen hier.

Doch leider musste ich mehr als eine Woche auf den ersten Schultag warten, da die Schule auf Exkursion war. Als es dann so weit war, trafen wir, die Inbounds, unsere Lehrer in einem Raum und wurden dann in unsere Klassen gebracht. Auf dem Weg dahin habe ich etwas sehr Seltsames erlebt, was ich nie vergessen werde: Als wir durch die Schule (die ca. 300 Schülerinnen und 50 Schüler hat) gegangen sind, sind die ganzen Klassen in den Klassenzimmern an die Fenster zum Gang gegangen und haben gekreischt, was etwas unangenehm, ungewöhnlich und seltsam war, aber auf der anderen Seite auch eine ganz neue interessante (und lustige) Erfahrung. Als wir dann in meine Klasse gegangen sind, habe ich mich auf Koreanisch kurz vorgestellt und mich dann hingesetzt und Koreanisch gelernt, was ich eigentlich die ganze Zeit in der Schule mache. In den folgenden Pausen wurde ich immer von einer Traube Jungen (mit denen ich mich angefreundet habe) und einer noch größeren Traube Mädchen (die alle sehr schüchtern waren, gekreischt und geklatscht haben und alle meine Handynummer haben wollten) verfolgt.

Auch interessant ist, dass jeder Schüler, egal welcher Religion, in die Kirche gehen muss, und das taten wir also auch. Es wurde gesungen, und hier gab es das nächsten ungewohnte Erlebnis: Die Jungen, die nebeneinandersaßen, haben zum Teil Händchen gehalten (das habe ich dann nach dem „Schockmoment“ auch gemacht). Es war mir zwar bewusst, dass Händchenhalten hier normal ist, allerdings war es dann in der Realität doch überraschend.

Nach einem Tag Schule (ja, bisher hatte ich vor allem Ferien) ging es auf eine Orientation, die von den Distrikten D3600, D3700 und D3750 veranstaltet wurde. Hier wurden ganz offiziell durch die Koordinatoren und Chairmen die Austauschschüler begrüßt und vorgestellt, danach wurde das „Organisatorische“ besprochen. In der folgenden Woche hatte ich am Montag einen normalen Schultag (von 9:00 Uhr bis 17:00 Uhr) und am Dienstag gab es etwas zu feiern, nämlich Chuseok. Das ist so etwas wie eine Mischung aus Totentag und Erntedankfest. In der Schule haben wir darum zuerst Reiskuchen gemacht, und dann sind alle zu einer Art Apell auf den großen Sportplatz gegangen. Hier hat der Direktor eine Rede gehalten, danach wurden die Nationalhymne und die Schulhymne gesungen (zumindest nehme ich an dass es so war), gefolgt von zwei gemeinschaftlichen Verbeugungen. Es war sehr streng geregelt und das obwohl es sehr, sehr heiß war. Das Besondere an diesem Tag war auch, dass man die Schuluniform an diesem Tag durch einen traditionellen Hanbok ersetzen konnte, was allerdings vor allem Mädchen gemacht haben. Danach gab es verschiedene Spiele, die man absolvieren musste. Auch hatte dieser Tag einige Vorteile: Zum einen mussten alle weniger lernen und hatten mehr Freizeit, und zum anderen gab es Reiskuchen und die Lehrer haben Ihren Schülern auch Getränke und Eis gekauft. Nicht zuletzt gab es auch sehr viele Selfies, mit und ohne Lehrer. Hier wird ein weiterer Punkt deutlich, der mich verwundert hat: Die Lehrer sind erstaunlich locker, jung und nicht so streng, wie ich es mir vorgestellt habe, gerade im sonst sehr Alter- und Hierarchiebewussten Korea.

Was aber auch nicht zu kurz kommt, sind Treffen mit anderen Austauschschülern. Der Vorteil ist dabei, dass alle Städte um Seoul herum an ein sehr schnelles U-Bahn System angeschlossen sind, mit dem man praktisch jede Stadt in unserem Distrikt erreichen kann.

Nach einem solchen Treffen begann dann am Mittwochabend 23:00 Uhr der richtige Urlaub: Wir sind zu meinen Gastgroßeltern nach Gwangju gefahren, das machen die meisten Koreaner zu diesen Feiertagen, wobei meine Gastgroßeltern auf dem Land leben. Die Gegend ist auch sehr schön, allerdings ist alles nicht ganz so modern. Hier, auf dem Land, wo auch die Vorfahren von meiner Gastfamilie begraben liegen, haben wir auch das eigentliche Chuseok-Ritual durchgeführt. Dieses besteht darin, dass im Haus über Nacht ein Tisch mit Essen aufgestellt wird. Am folgenden Morgen fährt die gesamte Familie zu den Gräbern der Vorfahren, vor denen man sich auf Knien verbeugt, und auf die anschließend Getränke gegossen werden und Essen geworfen wird.

Auch ist mir hier noch einmal aufgefallen, wie viel größer hier in Korea der Respekt vor älteren Menschen ist: Sie werden honorativer angesprochen, man verbeugt sich vor ihnen noch tiefer und widerspricht auf keinen Fall. Ähnlich ist es übrigens auch bei meinem 11-jährigen Gastcousin und mir: Er hat sich z.B. immer sehr tief verbeugt (was mir etwas peinlich war, weil er das auch vor mir gemacht hat). Auch ist mir noch etwas sowohl auf dem Land als auch in Suwon aufgefallen: Frauen sind hier stärker für den Haushalt zuständig, so lässt mich meine Gastmutter fast nie helfen, und bei meiner Gastgroßmutter war so gut wie nie ein Mann in der Küche. So kommt es auch leider vor, dass meine Gastmutter, wenn ich in der Schule bin, mein Zimmer putzt und alles aufräumt, was mir sehr unangenehm ist, aber ich kann ja nur meine Hilfe anbieten und helfen, wenn sich die Gelegenheit ergibt.

Inzwischen komme ich aber mit diesen ganzen Veränderungen klar und ich merke auch langsam, wie ich mich verändere und nach und verschiedenen Angewohnheiten annehme (z.B. Verbeugen, im Bus schlafen, …).

In der Schule sind wir, also die anderen beiden Inbounds und ich, die einzigen Ausländer, was zum einen dazu führt, dass wir relativ bekannt sind (ich werde zum Glück aber nicht mehr angekreischt, sondern nur noch regelmäßig mit „Hi Daniel“ angesprochen…), und zum anderen, dass wir die Sprache besser lernen können, weil wir keine andere Option haben. Dabei muss ich jedoch sagen, dass die anderen beiden viel besser Koreanisch sprechen als ich, was wohl dadurch zu erklären ist, dass sie sich schon länger als ich Korea als Austauschland gewünscht haben und sich auch sehr lange für die sogenannte „K-Culture-Wave“ (K-Pop, K-Dramas etc.) interessiert haben. Allerdings komme ich auch langsam voran und inzwischen kann ich mich auch auf Koreanisch mit meiner Gastfamilie abstimmen.

Auch habe ich schon einige Freunde gefunden. Zum Glück hat da meinen Klasse den Vorteil, dass sie mehr Jungen hat als die anderen 11 Klassen der Klassenstufe. Wir verstehen uns auch ganz gut und machen auch einiges zusammen, wenn sie nicht lernen müssen (was leider sehr oft passiert).

Insgesamt lebe ich mich hier sehr gut ein, und bis auf ein paar kleine Missverständnisse komme ich sehr gut mit allen Herausforderungen zurecht. Ich hatte hier schon sehr viele schöne Erlebnisse und freue mich auch auf viele viele weitere schöne Dinge. Diese Woche steht dann auch erst einmal die Seoul Tour an sowie danach das Treffen mit meinem Gastclub, worüber ich dann auch im „offiziellen“ Quartalsbericht schreiben werde.

An dieser Stelle vielen Dank für die Hilfe, Förderung und Unterstützung an dieser Stelle an meine Eltern, den Rotary Distrikt 1880, Rotex 1880, den Rotary Club Dresden – Blaues Wunder sowie besonders Frau Neumann-Trüb vom Rotary Distrikt 1880, an Herrn Burghardt vom Rotary Club Dresden – Blaues Wunder, an meinen Mentor Herr Weber vom Rotaract Club Dresden, sowie an die vielen anderen Menschen, die mir dabei geholfen haben, diesen Schüleraustausch wahr werden zu lassen.

Daniel Gafke Mendoza

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