Venezuela – 1. Bericht

Venezuela – Bienvenido a mi vida nueva

Seit Ende August lebe ich mein Leben 8500 Kilometer weit weg von meiner Heimat in Deutschland und teile mein Leben mit einer Menge von unglaublich offenen, freundlichen Leuten in Südamerika.

Mein neues Zuhause ist Caracas, eine der größten Städte in ganz Südamerika und hier werde ich für knapp ein Jahr Teil einer neuen Familie sein. Das Familienleben steht hier ähnlich wie in Deutschland im Mittelpunkt, nur das die Zahl meiner Verwandten hier um einiges größer ist und obwohl ich meine Familie in Deutschland vermisse, fühle ich mich in meiner neuen auch wohl.

Als ich vor gut einen Monat den Schritt wagte, das wohl größte Abenteuer meines Lebens in einer mir völlig neuen Kultur, zu starten, war mir von Anfang an klar, dass dieses Jahr voller Überraschungen und neuer Erfahrungen steckt und so tauchte ich in ein für mich unbekanntes Leben, was so unterschiedlich von meinem deutschen Alltag ist, wie man es sich nur vorstellen kann.

Caracas ist einfach nur riesengroß, laut und vollgepackt mit Menschen, Menschen die lachen, die in den Straßen zu flotten Salsarhythmen tanzen, Menschen die mich herzlich aufnehmen, obwohl ich ihre Sprache nicht so gut beherrsche und die mir ihr Land zeigen wollen, Menschen die Spaß am Leben haben, auch wenn es vielleicht nicht immer so leicht ist. Oft stehe ich an meinem Fenster und schaue mir das Treiben auf meiner kleinen Straße an, oder genieß die großartige Sicht auf den Avila. Die Landschaften hier in Venezuela sind einfach phänomenal: die Berge sehen aus wie von einem Künstler gemalt, und die Pflanzenwelt mit all den Palmen und Blüten am Straßenrand, oder die traumhaften Strände. Jeden Morgen, wenn ich in die Schule fahre, sehe ich zwei blau-gelbe Ara-Papagein auf dem Strommast sitzen, oder ich sehe kleine Geckos, die schnell an der Schulmauer hoch krabbeln.

Die Schule ist hier auch sehr anderes, nicht nur dass ich hier nicht so viel Unterricht habe, oder dass die Stoffgebiete anderes bearbeitet werden, als in Deutschland, ich meine eher das Schulleben: Alles ist viel freundlicher und familiärer, die Beziehungen zwischen Lehrer und Schülern ist näher, und sie sind wie Freunde, außerdem scheinen sich alle zukennen, und es ist auch in den Schulen viel lauter. Aber hier unten ist das Leben sowieso viel lauter und das liegt nicht nur auf den zahlreichen Partys, die man überall sieht, laute Musik läuft, sondern überall. Ein weitere Aspekt, der hier sehr anderes ist, ist das Essen: ich hab in meinem Leben noch nie so viel Rindfleisch gegessen wie hier, oder gebratene Bananen, Maismehlprodukte, Früchte mit den kompliziertesten Namen, oder aufwendig zubereitete Aufläufe. Alles sehr lecker. Nur mit der Schokolade von hier, konnte ich mich bis jetzt noch nicht richtig anfreunden, das ist wohl das einzige Essen was in Deutschland einfach besser schmeckt.

Manchmal hab ich das Gefühl, ich bin noch ein kleines Kind, weil ich hier so viel neues lernen kann, oder auch lernen muss, weil manchmal ist es gar nicht so leicht mit seinen europäischen Eigenschaften und Lebensstil sich hier zurecht zu finden, vieles was für mich früher ganz normal war, ist hier umgekehrt. Man muss einfach versuchen sein altes Leben für ein Jahr hinter sich zu lassen, um sich in ein neues, unbekanntes Leben zu stürzen.

Wir in Europa denken immer an den Spruch „Viva La Vida“ wenn wir an Lateinamerika denken, und nach gut einem Monat kann ich gut sagen, das dieser Spruch wohl auch der am besten Passende, in jeder Hinsicht ist.

Jedoch gibt es überall zwischen all den bunten, schönen Blumen auch Unkraut… so gibt es zum Beispiel in ganz vielen Straßen jede Menge Müll und Abfall, der einfach an der Straße angeladen wurde. Oder man sieht Menschen die auf der Straße leben in ziemlicher Armut. Und dann ist da noch das Problem mit der Sicherheit, die momentan im Land nicht so gegeben ist und Caracas, als Hauptstadt ist davon natürlich am meisten betroffen. Somit darf ich nicht allein Bus oder U-Bahn fahren, nicht abends von der Schwimmhalle der Universität zum Büro meiner Gastmutter laufen, welches nicht einmal fünf Minuten weit weg ist und man hört immer wieder Bericht von Bekannten denen etwas zugestoßen ist.

Wo viel Sonne ist, ist auch immer Schatten.

Das letzte Wochenende verbrachte ich mit 11 weitern Austauschschülern aus Brasilien, USA, Bahamas, Frankreich und Deutschland in der karibischen Hafenstadt Puerto La Cruz, 4.5 Stunden von Caracas entfernt. Dort war unser 1. Offizielles Rotary-Treffen und es war wunderschön, fast unbeschreiblich.

Den gesamten Samstag verbrachten wir auf einem kleinen Boot im Nationalpark Mochima, der aus Inseln und hundert kleinen oder größeren Stränden besteht. Noch nie in meinem Leben habe ich so tiefblaues, klares Wasser gesehen. Als wir am ersten Strand anlegten, hab ich gedacht ich bin in einem kleines Paradies und ich musste an meine Mama in Deutschland denken, die Stände liebt, aber immer nur die Ostsee kennen gelernt hat. Sie meinte immer Ostseestrände seien ein Stück von Paradies – da hat sie aber noch nicht Venezuela kennen gelernt.

Unser Boot hat von den Ständen angelegt und wir sind vom Boot aus ins Wasser gesprungen. Man musste aufpassen, dass man nicht aus Versehen in einen Schwarm bunter Fische sprang. Wir waren in Buchten, gesäumt von kantigem Fels, auf denen sich Leguane zwischen den Kaktee sonnten. Wenn ich mit den andern Austauschschülerin durch das warme Wasser schwamm, konnte ich es gar nicht so richtig fassen, dass das alles wahr ist, es war einfach zu schön, wie auf Bildern, von denen man immer träumt. Nachdem wir diesen Traumstrand verlassen hatten und wieder auf See waren, ging es weiter mit den Unglaublichkeiten: Neben unserm Boot tauchen auf einmal Delfine auf. Echt Delfine in freier Wildbahn, für mich war das unfassbar! Es war auch nicht nur einer, der sich mal verirrt hatte, nacheinander tauchten insgesamt ungefähr 15 Delfine auf, und sprangen aus dem Wasser, schwammen ganz nah an unserer Boot und tauchten unter uns durch. Ich stand auf dem Boot und konnte es einfach nicht fassen, so beeindruckt war ich – Delfine hatte ich bis jetzt immer nur in Büchern oder im Fernseher gesehen und jetzt gleiten sie neben mir im Wasser. Und wer jetzt denkt: genug an Höhepunkten an einem Tag, der irrt, denn ein paar Inseln weiter legte unsere Kapitän wieder eine Pause ein, denn nun ging es mit Schnorchel und Taucherbrille in ein Korallenriff. Da das Wasser so rein war konnten wir bunte Korallen, Seesterne und Seeigel sehen, leuchtende kleine Fische oder Krebse. Ich kam mir vor wie in einem riesengroßen Aquarium, weil alles so farbenfroh und viel war.

Wieder zurück auf dem Boot wurde uns von einem schwimmenden Eisverkäufer aus dem Meer aus Eis verkauft, das war ein amüsanter Anblick: mit Taucherbrille und Flossen schob er eine schwimmende Eistruhe auf dem Wasser und verkaufte sein Eis an die verschiedenen Boote, die in der Bucht vor Anker lagen.

Leider dauerte der ganze Ausflug nur 2 Tage, somit hieß es dann sonntags Abschied nehmen und ich fuhr mit 1000 neuen Eindrücken und Bildern zurück nach Caracas. Dieses Wochenende war eines der schönsten überhaupt.

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