Aufräumen mit Klischees – ein Beitrag von Naima

Klischees …

Meine Mama hat mich, bevor ich hier hingeflogen bin, mit Klischees überhäuft: „Naima, du arme, sei bloß vorsichtig, die haben da keine Milch!“, „Naima, gewöhn dich dran, dass die komisch gucken werden, da sie keine Körperhaare haben.“ Und so weiter.

Es hat sich zwar bewahrheitet, dass sie mich komisch ankucken, aber nicht wegen meine Arm-/Beinhaare, sondern weil ich ausländisch aussehe. Deswegen habe ich mal versucht all die Vorurteile und Klischees, die man über Asiaten, vorallem Taiwanesen hat, zu widerlegen oder zubestätigen:
Ein Klischee ist, laut Lexikon, eine unreflektierte Vorstellung über Personen oder Nationen, die von anderen übernommen und zugespitzt/übertrieben wurde.  

                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                      
1.    Taiwaner essen Hunde und Katzen: Stimmt nicht! Hunde und Katzen werden in Teilen von China gegessen, nicht aber in Taiwan. Nicht destotrotz gibt es dennoch ein paar Sachen, die für Ausländer etwas merkwürdig, wenn nicht sogar eklig sind: Die Hühnchen werden normalerweise noch mit Kopf hergerichtet. Meine Gastoma liebte es, jene zu essen, was ein echt unappetitliches Geräusch verursachte, wenn sie auf den Schädel biss. Auch Fischköpfe werden äußerst häufig als Knabberzeugs angeboten. Vom Blutkuchen und Blutreis mal ganz zu schweigen (Ich mag Blutreis)
2.    Taiwaner vertragen keine Milch: Stimmt in Einzelfällen. Ungefähr so wie in Deutschland vertragen viele Milch, und ein paar nicht. Das beliebteste Getränk ist hier, neben Kaoliang Likör, Milchtee, welcher in Massen getrunken wird. Das sagt doch schon alles aus.
3.    Und dann sind wir auch schon beim dritten Klischee: Asiaten vertragen kein Alkohol. Das mag stimmen, sie werden bei einer viel geringeren Menge Alkohol rot und angetrunken, als wir Europäer (Wir Deutsche vertragen ja schon von Geburt an viel, viel mehr), aber auch hier: Kinmener sind um einiges trinkfester als der Normaltaiwaner.  Das habe ich ja schon im ersten Artikel erwähnt. Also, ich glaube es spielt eine große Rolle, wo man aufgewachsen ist: In Deutschland, Kinmen oder Taiwan.
4.    Taiwaner haben keine Körperhaare: Tatsächlich, das Klischee stimmt größtenteils. Es gibt einzelne, die Achsel- oder Beinhaar haben, aber auch die Jungs haben glattere Beine als deutsche Babys.
5.    Taiwaner sind äußerst fleißig und diszipliniert: Stimmt total. Der faulste und schlechteste taiwanesische Schüler würde in Deutschland  wahrscheinlich immer noch als einer der Klassenbesten gelten. Ich hoffe ja, dass das Austauschjahr wenigstens in dem Sinne etwas bringt. Aber ich bin dennoch echt froh, in Deutschland zur Schule zu gehen! Wirklich. Das Schulsystem ist verdammt hart und schwierig hier und die Schüler leben praktisch mehr in der Schule als zu Hause. Selbst an den Wochenenden gehen sie in die Schule, um zu lernen.
6.    Asiaten essen viel Reis: JA, auch das ist richtig. Ich esse jeden Tag zum Abendbrot Reis. Es ist sozusagen das taiwanesische Brot. Frühstück, Mittag und Abendbrot heißen hier auch: 早飯 (zao fan), 午飯(wu fan) und 晚飯(wan fan), also übersetzt: Morgen-Reis, Mittags-Reis und Abendreis. Manchmal geht es einem ein bisschen über, vorallem, da es immer dieser klebrige Reis ist, damit man ihn besser mit den Stäbchen essen kann. Darum esse ich, wenn immer möglich, zum Beispiel, wenn wir auswärts essen, Nudeln. Übrigens, in Südchina/Taiwan wird Reis vermehrt gegessen, weil er hier angebaut wird, und in Nordchina gibt es Nudeln.
7.    Taiwaner können nicht schwimmen: Das stimmt eigentlich nicht, sie lernen es in High School, (jedenfalls hier auf Kinmen) aber sie mögen es nicht besonders. Normalerweise schwimmen die Mädchen in T-Shirt und Shorts, die sie über den Badeanzug ziehen, um so wenig wie möglich ihren Körper zu zeigen. In den Ozean trauen sich die Kinmener schon gar nicht, wegen der Gezeiten und weil dort schon ein paar ertrunken sind. Das schreckt ab. Umso besser für und Ausländer: wir haben den Strand für uns alleine.
8.    Taiwanesen sind alle dünn: Das stimmt größtenteils. Aber auch hier gibt es ein paar die etwas kräftiger sind. Und wenn, dann sind sie meist um einiges dicker, aber so dazwischen gibt’s hier scheinbar nicht wirklich: Entweder richtig dünn, oder richtig kräftig.
9.    Asiaten sind alle klein: Stimmt, aber man muss dazu sagen, dass Taiwaner durchschnittlich die größten Asiaten sind. Und hier gibt es ein paar Jungs und Mädchen, die in etwa so groß sind wie ich, oder sogar größer.
10.    Asiaten sehen alle gleich aus: Ja, den Eindruck hatte ich auch die ersten paar Wochen, die ich hier war.  Vor allem dass fast alle Mädchen lange, schwarze Haare mit Pony haben und Schuluniformen tragen, machte die Sache nicht leichter. Das war immer sehr verwirrend. Deswegen habe ich am Anfang des Jahres all meinen Klassenkameraden Namen gegeben, mit denen  ich sie besser auseinander halten konnte (mit den chinesischen Namen hatte ich meine Mühen). Es gab da also: Boyfriend 205 (Er war der einzige in meiner Klasse 205, der schon eine Freundin hatte), Boyfriend und Girlfriend (Die beiden gingen in meine Backklasse und waren zusammen), Barbecueguy  (Ihn hatte ich mal auf einem Grillfest getroffen), Cutie (Der dickste und netteste Junge unserer Backklasse. Er ist wirklich riesig, sein chinesischer Spitzname ist Pon-pon, was fett-fett bedeutet. Da ist „Cutie“ um Längen besser, und er ist auch wirklich ein Sweetheart.), Handsome Boy (Er wurde uns von meiner Counsellorin so vorgestellt), Butterfly (den Spitznamen habe ich ihr nicht gegeben, es ist ihr englischer Name), E.T (ebenfalls ihr echter englischer Name, aber sie erinnert einen auch ein bisschen an E.T. (nicht bös gemeint)), Cooly (der „coolste“ Junge in meiner Klasse 205), Smartie (Er sah am schlausten aus)… und viele mehr. Dazu kommt noch, dass Taiwanesen immer sehr jung aussehen. Ich sollte, zum Beispiel, das Alter meines Gastonkels schätzen. Ich hatte ihn so auf Anfang  30 geschätzt, er sah auch wirklich so aus, aber alle haben gelacht und es kam raus, dass er Mitte 50 war…
Aber jetzt kann ich eigentlich die meisten voneinander unterscheiden und auch relativ gut einschätzen, aus welchem asiatischen Land sie kommen, Korea, Japan, China (Taiwan).
Aber auch andersherum: Asiaten finden, dass alle Ausländer gleich aussehen. Ich habe hier plötzlich Geschwister, die eine andere Nationalität haben und mir so gar nicht ähneln.
11.    Taiwanesen tragen alle Brillen: Die meisten. Vor allem die Schüler kriegen Augenprobleme wegen dem vielem Lernen. Das legt sich aber mit dem Älterwerden und die meisten Opis und Omis haben gar keine Brille mehr. Kontrovers zu Deutschland, wo man meist im Alter eine Brille bekommt.
12.    China/Taiwan, dort sind doch blos Schornsteine, Fabriken und Betongebäude: Nein. Das ist falsch. Grade Taiwan/Kinmen hat eine der bemerkenswertesten Flora und Fauna, die ich je gesehen habe. Die Natur ist wunderschön und die Gebäude der Menschen passen sich gut in die Umgebung ein. Es ist nie zu viel Beton. Und superviel grün. Echt Wunderschön!

So viel zu meinen Erfahrungen. Mir fallen bestimmt noch ein paar Vorurteile/Klischees ein.
Die meisten Klischees sind zu allgemein, als dass sie stimmen könnten. Geht nicht immer davon aus, dass die Klischees stimmen, meist zeigen sie die Sache zu übertrieben, aber oft haben sie einen wahren Kern, der mal größer und mal winzig ist.

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