Argentinien – 4. Bericht von Clara

Liebe Rotarier, Freunde und Familie,

nun schreibe ich tatsächlich schon meinen letzten Quartalsbericht aus dem Austausch.

Ich heiße Clara, bin 17 Jahre alt und wohne in Realicó in der argentinischen Provinz La Pampa. Hier bin ich zuhause, hier habe ich Freunde, hier habe ich Familie, hier kenne ich mich aus, hier kann ich mich perfekt verständigen, ich habe im ersten Trimester des Schuljahres 2016 alle Fächer bestanden, ich gehe weiterhin jeden Tag zur Schule, treffe mich mit Freunden, spiele Volleyball, tanze Folklore, und gehe zum Englischunterricht und manchmal langweile ich mich auch, so wie alle Jugendlichen, die hier leben. Nachmittags trinke ich meinen Mate, am Wochenende esse ich ein gegrilltes Asado und jeden Samstag kann man mich in der Mitte der Tanzfläche in Ladrillo Disco antreffen. Ein bisschen faul bin ich auch geworden, ich schlafe gerne mal mittags eine kleine Siesta und am Wochenende bin ich die ganze Nacht irgendwo unterwegs.

Heute in genau einem Monat werde ich im schönen Buenos Aires in ein Flugzeug der Lufthansa steigen. Endlich! – auf der einen Seite freue ich mich so sehr auf Dresden, auf den deutschen Sommer, vor allem auf meine Familie und Freunde, darauf, mich einfach komplett am richtigen Platz zu fühlen und wie ein Wasserfall auf Deutsch zu reden, meine Erfahrungen mit der ganzen Welt zu teilen und alle für das wunderschöne Argentinien zu begeistern.

Wenn ich mir vorstelle, wie es in einem Monat sein wird in Deutschland, dann sehe ich mich die beiden Kulturen verbindend. Ich werde so viele Dinge von hier mitnehmen, Dinge und Traditionen, an die ich mich einfach gewöhnt habe. Die Wärme und Offenheit der Menschen hier ganz besonders. Heute bin ich zu einem Freund nachhause gegangen, weil die Familie alles Mögliche verkauft, unter anderem Chizitos, das sind so eine Art Erdnussflips aber aus Mais mit Käsegeschmack die wir in kleinen Tütchen im Schulkiosk verkaufe, in dem ich diese Woche die Kasse manage. Ich glaube die Eltern hatten mich vorher erst einmal gesehen als ich vor ein paar Wochen am Geburtstag von ihrem Sohn abends dort war, aber ich bin heute eine Stunde dort geblieben und habe mit ihnen Mates getrunken und mich über alles Mögliche unterhalten, während die ganze Familie einfach zusammen am Tisch saß, ohne besonderen Anlass. Vielleicht auch weil sie wirklich nicht viel Platz haben, die Kinder haben zusammen ein Zimmer, kurz gesagt sie leben in wirklich ärmlichen Verhältnissen aber sind einfach so liebe Menschen und führen ein schönes Familienleben und das finde ich so wertvoll. Ich frage mich die ganze Zeit wie ich meine deutschen Freunde dazu bringen soll, sich mit mir zu treffen, ohne einen besonderen Anlass zu haben oder großartig etwas zu unternehmen. Ich habe mich in dem Sinne verändert, dass ich es einfach total zu schätzen gelernt habe unter Menschen zu sein, die ich liebe, aber auch neue Leute kennenzulernen und stundenlang über irgendwas zu quatschen. Vorher war ich sozusagen ein bisschen „sozialschwach“ und ich glaube, dass ich selbstbewusster, eigenständiger und erwachsener geworden bin, werde ich erst richtig bemerken, wenn ich wieder in meinem alten Umfeld bin.

Ich bin froh, dass ich in Argentinien auch Austauschschülerfreunde gefunden habe, mit denen ich mich so schnell vertraut gefühlt habe, besonders mit zwei deutschen Mädchen mit denen ich die Reisen gemacht habe und mich so unglaublich viel ausgetauscht habe über all die Erfahrungen die wir gemacht haben.

Manchmal hätte ich mir gewünscht, es hätte hier noch andere Austauschschüler in Realicó gegeben, jemanden der meine Situation teilt und versteht was ich fühle, dass mein Rotary-Club nicht 100 km entfernt gewesen wäre. Aber ich kenne mich und weiß, dass ich dann den einfacheren Weg gegangen wäre und mehr Zeit mit ihnen verbracht hätte, weil ich weniger auf argentinische Freunde angewiesen gewesen wäre. Ich denke, so ist der Einblick, den ich hier gewonnen habe viel tiefer weil ich einfach genauso lebe wie alle anderen Jugendlichen hier.

Meine Freundin Sarah aus Dortmund, die ihren Austausch in der Weinprovinz Mendoza macht hat, mir gesagt, als sie mich hier besucht hat, dass sie und alle anderen Argentinien toll finden, aber man bei mir einfach immer so sehr heraus hört, wie begeistert ich bin, wenn ich über mein Leben und die Kultur hier spreche. Und das stimmt auch, ich bin immer noch so begeistert, jeden Tag aufs Neue. Meine Gedanken sind ein „Quilombo“, wie ich auf Spanisch sagen würde und ich habe das Gefühl, dass ich hier gerade gar nichts ausdrücken kann und nicht vermitteln kann, was ich eigentlich alles gerne sagen würde, aber es fühlt sich einfach so merkwürdig an zu wissen, dass das mein letzter Monat ist, dass ich bald endlich wieder bei meinen Eltern bin, die ich von allem und allen am meisten vermisse, dass ich bald meine allerbeste Freundin Valentina verlassen muss irgendwie fühle ich mich auch ein bisschen schlecht, dass ich so sehr die Tage zähle, wobei ich sie auf der anderen Seite schätze und genieße. Ich hangele mich an der Fußball-EM und der Copa America entlang, abwechselnd alle zwei Tage jubele ich für meine Heimat Argentinien, dann wieder für meine Heimat Deutschland (das leider alleine).

Als wäre alles schon vorbei schreibe ich jetzt folgendes: Dieser Austausch hat mein Leben verändert, war die beste Entscheidung die ich jemals in meinem Leben getroffen habe und die beste Erfahrung überhaupt. Mein Herz ist vermutlich für immer gespalten, ich weiß, dass sagen alle Austauschschüler, aber es ist nun einmal so. Ich weiß jetzt, man kann überall auf der Welt Freunde finden, wenn mein ein bisschen sein Herz öffnet, und sich nicht so sehr auf die Unterschiede, sondern auf die Gemeinsamkeiten konzentriert, und den Willen hat, sich anzupassen. Danke an alle, die mir die Möglichkeit dafür gegeben haben! Bald hoffe ich euch noch mehr erzählen zu können und mich besser verständlich zu machen, wenn ich ein bisschen meine Gedanken geordnet habe.

Einen besonderen Gruß und ein liebes Dankeschön an meinen Sponsorclub Dresden Canaletto. Der Wimpel des Clubs hängt in General Pico, La Pampa, Argentinien, das kann ich mit eigenen Augen bezeugen. Die Wimpel des Clubs hier sind noch in Arbeit auf Grund des Distriktwechsels aber werden hoffentlich rechtzeitig fertig. Ich freue mich schon sehr, bald meine Erfahrungen aus diesem Jahr mit Ihnen teilen zu dürfen. Nochmals vielen Dank!

So, nun verabschiede ich mich und bereite mich darauf vor, die argentinische Hymne zu singen, wie ich es schon so oft getan habe, und so meine Mannschaft, angeführt von Lionel Messi, auf dem Weg ins Achtelfinale zu begleiten.

Liebe Grüße und auf ein baldiges Wiedersehen!

Ihre/Eure Clara

Schreibe einen Kommentar