USA – 2. Bericht von Valerie

Liebe Frau Neumann-Trüb, liebe Outbounds,

Ich glaube ihr könnt euch noch gar nicht vorstellen, was für ein unbeschreibliches Jahr bald auf euch zukommen wird. Ich weiß, all die formalen Dinge, die vor dem Austausch nun mal zu erledigen sind, können manchmal ein bisschen beschwerlich und mühevoll sein. Aber wenn man sich einmal durch das Ganze „durchgekämpft“ hat, und das ersehnte Austauschjahr in vollen Zügen beginnt, merkt man, wie sehr sich die Vorbereitungen doch gelohnt haben. Denn bald stellt man fest, dass man nun ein neues Zuhause hat. Denn zu Hause ist nicht irgendein Ort auf der Welt, wo man vielleicht aufgewachsen ist oder Freunde und Familie hat. Nein – zu Hause sein ist ein Gefühl. Zu Hause ist man, wo das Herz ist. Ich kann euch versichern, dass ihr euer Gastland fest in euer Herz schließt und Teile eures Herzens immer in diesem Land bleiben werden. Nun ist man also auf 2 Orten in dieser unendlichen Welt zu Hause. Allein wenn ich schon darüber nachdenke, weiß ich, dass ich mich nach dem Ende dieses wundervollen Jahres in Deutschland nicht mehr komplett wie zu Hause fühle, ich werde Heimweh in der eigenen Heimat haben. Das ist doch alles irgendwie komisch, aber absolut wahr. Man sagt ja so schön, „ein Austauschjahr ist nicht ein Ausflug oder Urlaub, es ist ein zweites Leben“. Die Menschheit redet immer vom Reichtum, aber was bedeutet reich sein schon? Was hat man vom Leben, wenn man eine Million auf dem Konto hat, aber keine Freunde, Familie und die ganze Zeit zu Hause sitzt? Aber wenn du etwas hast, was du nicht mit Geld kaufen kannst, dann bist du reich. Reich an Freundschaften, Erinnerungen, Bildern und unbeschreiblichen Momenten. Dennoch ist „Reisen die einzige Sache im Leben, die du kaufen kannst, und die dich reicher macht.“ Mich fasziniert es jeden Tag wieder, was Menschen, die dich erst für wenige Stunden oder Tage kennen, alles für dich machen. Darunter Austauschschüler, neu gefundene Freunde, Rotary-Mitglieder und auch meine Gastfamilie. Menschen, die teilweise in kürzester Zeit so nah und vertraut zu mir geworden sind, wie es Freundschaften in Deutschland kaum in dieser Zeit geschafft haben. All diese Menschen bereichern mein Leben hier um so viel, und ich bin unendlich dankbar dafür. Soll ich euch etwas verraten? Ich hatte sogar schon einige Alpträume, dass mein Austauschjahr plötzlich vorbei ist, ich wieder in Deutschland „gefangen“ bin. Ich bin in größter Panik aufgewacht, und wahr heilfroh, dass dies alles nicht real war. Das scheint auch eine der Ursachen zu sein, weshalb ich hier in diesem Jahr so wenig Schlaf wie noch nie zuvor bekomme, weil man einfach jede Sekunde des Austausches vollkommen auskosten möchte. Auf meiner 1. Orientation in Florida habe ich gelernt, zu Dingen doch einfach mal „ja“ zu sagen, auch wenn man vielleicht gar nicht so die Lust darauf hat. Und ich habe es kein einziges Mal bereut. Deshalb bin ich vermutlich auch kaum noch zu Hause, und Schularbeiten werden auf Mitternacht verlegt. Ich muss zugeben, es gibt Zeiten in diesem Jahr, wo man vielleicht plötzlich Heimweh verspürt, oder auf verschiedene Herausforderungen trifft. Aber all das lässt dich und deinen Charakter nur um so viel mehr wachsen und ein paar Stunden später besorgt dich die Angelegenheit, dass du in einem halben Jahr dein Gastland verlassen musst, schon mehr, als deine ursprünglichen Probleme. Und wisst ihr was, manchmal kommen einem sogar schon die Tränen, wenn man daran denkt, dass irgendwann dieses Austauschjahr für immer vorbei sein wird und man keine Ahnung hat wann man zurückkommen und all die liebgewonnenen Menschen wiedersehen wird. Was mich am meisten schockt ist die Tatsache, dass ich die letzten Jahre irgendwie immer einen haargenauen Plan hatte, was ich später einmal machen möchte. So war es für ungefähr 4 Jahre mein größtes Ziel, Medizin zu studieren. Wer mich kennt, weiß, dass mich gefühlt nichts von diesem Wunsch abbringen konnte. Aber jetzt scheint sich so vieles zu verändern: Ich denke darüber nach, dass ich später unbedingt reisen möchte und auf keinen Fall Zeit meines Lebens einfach nur langweilig in Deutschland verbringen will. Also probiert man über andere Berufsfelder nachzudenken und abzuwägen, was dich persönlich wirklich am glücklichsten macht, wofür dein Herz schlägt. Im Großen und Ganzen kann ich sagen, dass man die Welt wirklich mit komplett neuen Augen sieht und so viele Menschen – gerade auch Austauschschüler aus der ganzen Welt – einen auf den unterschiedlichsten Wegen beeinflussen und dich über Vieles nachdenken lassen. DIESES AUSLANDSJAHR WAR DIE BESTE ENTSCHEIDUNG MEINES LEBENS UND ICH MÖCHTE JEDEN DAZU ERMUTIGEN, AUF DASSELBE ABENTEUER ZU GEHEN.

Liebe Grüße aus dem sonnigen Florida,

Eure Valerie

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