Argentinien – 3. Bericht von Lisbeth

Anfang Januar habe ich hier meine Gastfamilie gewechselt und ein paar Tage später fuhr ich mit meiner neuen Familie an den größten Pool der Welt, nach San Alfonso. Das war ein Spaß. Zusammen mit einer Freundin, meiner kleinen Schwester, dem Opa, Tante und Onkel, mitsamt kleinem Kind, verbrachten wir wirklich ein paar wunderbare Tage an diesem riesen Ding!

Laut Wikipedia ist der Pool 1013 Meter lang und an der tiefsten Stelle 3,5 Meter tief.[1] Er bedeckt eine Fläche von 7,7 Hektar und fasst 250.000 m3 (250 Millionen Liter) Salzwasser. Dass nenne ich mal groß! Jedoch ganz vorbildlich und vorausschauend, wurde das Baden im Pool verboten. Ja man darf in diesem riesen Teil nicht schwimmen gehen. Weil,… man könnte ja von einem Motorboot oder einem Kajak oder einem Standup Paddler umgefahren werden. Nur in ein paar abgegrenzten kleineren Bereichen am Rand, sind dem persönlichen Badespaß, keine Grenzen gesetzt, also solange man sich nicht in den großen Teil wagt. Direkt neben diesem unglaublichen Pool, befindet sich übrigens das Meer mit einem schönen Strand. Jedoch ist den Chilenen das Wasser da einfach zu kalt. Deshalb direkt daneben der Pool. Sicher ist sicher. Aber auch die Anlage an sich ist einfach krass mit den vielen Palmen und den Häusern, ganz anderes als in Chile sonst, sehr sauber und ordentlich. Nur die Straßenhunde, die es auch da überall gab, das Wetter und die Sprache, erinnern daran, dass diese geballte Ladung Spießigkeit nicht deutscher Natur ist. Nein, auch Chilenen freuen sich manchmal über kurze Kaki Hosen und ich bin mir sicher, wäre es nicht zu heiß und würden nicht alle Flipflops tragen, dann hätten auch die Chilenen in San Alfonso, weiße Socken in den Sandalen.

Die restlichen Ferien vergingen wie im Flug. Ich fuhr noch einmal nach Talca um da eine andere Austauschschülerin aus Deutschland zu treffen. Bei ihr blieb ich ein paar Tage und schaute mir die Stadt an. Immer wieder fällt dabei der Unterschied zwischen Rancagua und anderen chilenischen Städten auf. Meine Stadt ist verhältnismäßig reich und wohlhabend und dadurch einfach etwas protziger. Große Autos, große Schulen, schöne Menschen. Das liegt unteranderem auch an der unglaublich riesigen Spanne zwischen arm und reich. In den meisten Städten gibt es für jede Bevölkerungsschicht eigene Viertel. Die Ärmeren sind nicht so gut gebildet und haben eigentlich kaum eine Chance aus diesem System auszubrechen. Da eine gute Schule in Chile sehr teuer ist und die Uni danach richtig viel Geld kostet, ist das nur für die super Reiche erschwinglich. Das heißt, dass Kinder aus „ärmeren“ Schichten auch später nur Berufe ausüben, die schlecht bezahlt sind. So ändert sich auch bei ihren Kindern nichts. Zusätzlich gibt es hier auch keine gute staatliche Krankenversicherung und man sieht so viele Bettler und arme Menschen. Das schlimmste dran ist, dass viele Chilenen denken, die Armen wären arm, weil sie arm sein wollen. Die chilenische Politik macht mich wütend. Die Menschen hier sind einfach von ihrer Einstellung her so anderes, und die Kinder werden so anderes erzogen, dass ich im Nachhinein froh bin, am Anfang meiner Zeit der spanischen Sprache noch nicht so mächtig gewesen zu sein. So sind mir einige große und kleine Fettnäpfchen erspart geblieben.

Die restliche Zeit der Ferien, verbrachte ich mit meiner Familie und meinen Freunden hier in Rancagua. Es war immer noch sehr heiß und so fuhren ich mit meiner Familie mal für einen Tag nach Rapel, einem großen See in der Nähe meiner Stadt, wo man mit Boot und Kajak fahren kann, und es noch viele andere tolle Sachen gibt. Pünktlich am ersten März begann auch für mich in Chile wieder die Schule und nach drei Monaten Ferien, fiel es mir sehr schwer, wieder so früh aufzustehen. Jedoch freute ich mich auch ein bisschen auf die Schule, da ich nun endlich meine ganze Klasse wieder sehen sollte, die meisten von ihnen wussten ja auch noch gar nicht, dass ich jetzt Spanisch sprechen konnte und ich war sehr gespannt auf ihre Reaktion. Völlig verschlafen, kam ich am Morgen gleich als erste in der Schule an. Weil meine neue Familie etwas außerhalb wohnt und meine Schule die erste Station auf dem morgendlichem Rundweg ist, war ich und bin ich immer 30 Minuten früher da als alle anderen. Als ich in den Klassenraum kam, traute ich meinen Augen nicht. Es war alles geschmückt wie beim Schulanfang! Überall hingen Plakate, von den Schülern und Luftballons und die Tische waren schick gemacht mit Tischdecken und in der Mitte stand eine große Torte. Wie sollte es auch anderes sein. Es gibt immer Torte, überall. Ich glaube wenn ich zurück komme sehe ich selber aus wie eine. Nach und nach kamen auch die anderen Schüler, und es gab ein großes Hallo, denn viele hatten sich über die Ferien nicht gesehen. Ich habe natürlich gefragt, ob die Räume immer zum ersten Schultag so geschmückt werden, und mir wurde gesagt, dass sei nur so, weil es der letzte erste Schultag ist. Als auch endlich der Klassenlehrer kam (ich hab mich übrigens an den Kuss auf die Wange als Begrüßung gewöhnt) ging es los, mit einem feinem Frühstück. Es gab Schnittchen und die besagte Torte, Saft, Gebäck und vieles mehr. Alles natürlich wieder süß! Danach wurden besprochen, was dieses Jahr so ansteht. Denn im Dezember, steht die PSU an (ein bisschen wie unser Abi). Mit den Ergebnissen aus diesem Test, bewerben sich alle an den Unis. Deshalb gehen fast alle aus meiner Klasse jetzt auch Samstag zur Schule und lernen sehr viel nach der Schule oder gehen zu einer Art „Nachhilfe“, die zu belegen ist hier vor dem PSU ganz normal. Danach ging es mit der ganzen Schule in die Turnhalle. Wo das Jahr offiziell begonnen wurde. Natürlich mit Nationalhymne und der Hymne der Schule. Ja, so sind sie, die Chilenen. Die nächsten Tage, verliefen ohne erwähnenswerte Zwischenfälle. Es gab ein paar Lehrerwechsel. Die Spanisch- Lehrerin, die mich nicht mochte, weil ich nie mitgearbeitet hatte, gab ́s nicht mehr.

Der neue Lehrer jedenfalls, ist sehr nett und klaut immer allen Schülern Essen. Da mal ein Biss vom Brot, hier ein Schluck Kaffee aus der Thermoskanne, wozu ist man denn schließlich Lehrer?

Nach zwei Wochen in der Schule, stand die „Imposición de insignias“ an. Das heißt alle Schüler des Abschlussjahrgangs bekommen denkleinen Anstecker der Schule. Schon Tage vorher wurde der Ablauf geübt. Es gab einen riesen Wirbel und alle Eltern wurden ganz feierlich zur Zeremonie eingeladen. Mit einem kleinen Frühstück wurde die ganze Feierlichkeit abgerundet und dann hat der gesamte Jahrgang das Schulhaus verlassen. Auch eine Tradition. So halb erlaubtes Schule schwänzen.

Insgesamt kann ich sagen, dass mich die Zeit, weg von meiner Familie sehr verändert hat. Ich bin viel selbstständiger geworden und habe nicht nur eine neue Sprache gelernt. Ich hatte bis jetzt wirklich eine unglaublich tolle Zeit und habe auch zu schätzen gelernt, was ich in Deutschland alles habe. Dieses Jahr verging wie im Flug und ich habe es wirklich sehr genossen. Dennoch freue ich mich sehr darauf am 20. Juni die Heimreise anzutreten und mal wieder etwas mehr vertrauten Boden unter den Füßen zu haben. In den letzten Monaten ist Chile zwar auch ein richtiges Zuhause geworden, und es wird mir trotz der Freude auf zuhause sehr schwer fallen dieses Land zu verlassen.

Ich glaube, ein Auslandsjahr ist wie eine Achterbahnfahrt: Zuerst will man unbedingt damit fahren und ist fasziniert von der Vorstellung. Dann steigt man ein und es kommen die ersten mulmigen Gefühle. Es gibt daraufhin immer wieder Höhen und Tiefen, doch das wechselt schnell. Jetzt wo ich fast am Ende bin, kann ich sagen, dass ich ein bisschen traurig bin, dass es so schnell vorbei ist; ein bisschen stolz, dass ich es fast geschafft habe; erfreut, bald wieder festen Boden unter den Füßen zu spüren… und eigentlich glaube ich, will ich gleich noch einmal losfahren.

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