USA – 4. Bericht von Sarah

Genau heute, vor 297 Tagen (ca. 10 Monaten), stieg ich in das Flugzeug welches mich von allem und jedem den ich kannte, vertraute und liebte wegnahm. Hunderte Fragen schwebten durch meinen Kopf zu dieser Zeit. Was wird mich erwarten? Wie wird mein Leben dort sein? Werde ich Freunde finden, die Sprache lernen und mit meinen drei Familien, in denen ich leben werde, zurecht kommen? Werde ich schaffen ein ganzes Jahr von meinen Liebsten getrennt zu sein? Entfernt von dieser kleinen, sicheren Welt in der man jede Straße kennt und einem jedes Gesicht in der Schule bekannt vorkommt? Dies alles sind Fragen, auf die man bevor man es erlebt keine Antwort hat, und über die man nur lächelt, nachdem man es erlebt hat. Man kann sich auf ein Austauschjahr kaum vorbereiten (neben Sprachkursen und Koffer packen), denn ein Austauschjahr ist Leben und es gibt wie wir alle wissen keine Anleitung zu leben. Egal wie viele Berichte und Blogs von früheren Austauschschülern du dir durchliest oder wie viele YouTube Videos du dir anschaust. Nichts kann dich auf das, was du wirklich erleben wirst, auch nur annähernd real vorbereiten. Jedes Austauschjahr ist einzigartig, unbeschreiblich und individuell.

Mein Austauschjahr und jeder Moment darin, war so unbeschreiblich, dass ich ernsthafte Schwierigkeiten habe all meine Erlebnisse hier in Worte zu fassen. Selbst wenn ich euch erzähle dass ich einen 14,065 Feet hohen Berg namens Mount Bierstadt bestiegen habe. Es ist unmöglich für mich, euch das Gefühl zu übermitteln, welches ich hatte, als ich nach stundenlangem Schwitzen endlich oben an der Spitze angekommen bin oder als ich nach einem 6 Meilen Lauf in meiner Stadt endlich die Ziellinie in einem riesigen Stadion, umringt von tausenden jubelnden Menschen, überschritten habe.

Daher will ich in diesem Bericht keine Liste schreiben, von Dingen die ich unternommen habe, die ohne Bilder sowieso nur halb so interessant sind und hiervon lieber zuhause in meiner Präsentation erzählen. Stattdessen möchte ich davon reden, wie mich dieses Jahr als Person verändert hat. Ein ganz persönliches und vielleicht auch etwas chaotisches (☺)„Resümee“, was ich gerade empfinde und was das Austauschjahr für einen Einfluss auf mich hatte.

Um ehrlich zu sein, hatte ich am Anfang dieses Jahres etwas Angst. Klar jeder hat Angst bevor er für ein Jahr mit 16 Jahren sein Zuhause verlässt und in eine vollkommen neue Welt eintaucht. Wovor ich allerdings besonders Angst hatte war dieser „Du wirst dich soooo verändern-Teil“. Ich hörte alle davon reden wie sie nach dem Austausch vollkommen andere Personen waren, aber wollte ich das? Will ich eine Person werden, die meine Eltern, die mir das Sprechen beibrachten, am Flughafen nicht wieder erkennen? Oder eine Person die auf einmal nichtmehr über dieselben Witze lacht wie ihre Freunde?

Jetzt, 10 Monate später, sage ich mir, jeder verändert sich. Du lernst, du wächst, du erlebst neue Dinge. Jedes kleine Ding das du siehst, hat auf irgendeine Weise einen Effekt auf dich. Das ist einfach wie das Leben funktioniert. Man kann es nicht verhindern.

Normalerweise, passiert dieses „Verändern“ über einen Zeitraum von mehreren Jahren. So langsam, dass man es überhaupt nicht realisiert. Aber in diesem Jahr, habe ich mich wohl tatsächlich am meisten verändert.

Dieses vergangene Jahr, hat meine Limits getestet, hat mich unvorbereitet Tatsachen entgegengestellt und mich so viele Sonnenseiten des Lebens erleben lassen. Ich habe mehr geweint, mehr gelacht und habe mehr Tage in Verwirrtheit verbracht als je zuvor. Man lernt dass diese „Das wird mir niemals passieren“-Situationen, doch passieren können.

Ich habe zudem unglaubliche Freunde gewonnen, und auch realisiert was für gute Freunde ich hatte. Diese haben mir mehr Kraft gegeben und mich mehr inspiriert als ich mir je hätte vorstellen können. Freunde die für jedes bauchschmerzende Lachen und für jeden Tag der Erschöpfung da waren.

Egal, was für Auf und Ab’s es auch gab, ich bereue keine Sekunde diesen Schritt damals in das Flugzeug gewagt zu haben. Ich habe so viele wichtige Dinge gelernt und so viel erlebt, dass ich diese großartige Zeit niemals zurück nehmen wollte.

Bin ich auf all meine Entscheidungen stolz? Nein. Hab ich Sachen gemacht und gesagt die ich vielleicht nicht hätte machen sollen? Ja. Aber das sind alles Dinge die mich wachsen lassen haben. Es war es alles wert.

Ich habe gelernt mich Menschen und Erlebnissen zu öffnen, und gelernt alles um mich herum wertzuschätzen.

Mit jedem Verlust habe ich etwas Neues dazugewonnen. Ich bin immer noch so jung. Ich hab immer noch nicht rausgefunden wie die Welt funktioniert. Ich werde immer noch viele Fehler machen und das Leben wird immer noch meine Limits testen. Aber das ist okay. Ich bin auf einer Reise und mein Austauschjahr war ein großer und eindrucksvoller Meilenstein darin.

Dieses Jahr und alle Erfahrungen werden immer ein Teil von mir bleiben. Ein Teil den niemand je auf die gleiche Weise wie ich verstehen wird.

Vor 297 Tagen verließ ich meine besten Freunde und meine Familie in Deutschland und fremde Menschen erwarteten mich, und nun verlasse ich meine besten Freunde und meine Familien in Boulder, Colorado. Ist es nicht verrückt was sich in einem Jahr alles ändert?

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