Chile – 2. Bericht von Anton

Anton Lahner, Peñalolen, Santiago de Chile

In den vergangenen drei Monaten, die ich hier in Chile als Austauschstudent verbringen durfte, hat sich Chile komplett verwandelt und das nicht unbedingt zum Guten. Aber jetzt mal der Reihe nach: Begonnen hat dieser Wandel am 4. Oktober. An diesem Tag fingen die gewaltsamen Proteste der Bevölkerung an. An diesem Tag wurde mein Austauschjahr und das vieler anderer um einiges spannender und gefährlicher als erwartet. Leute begannen zu brandschatzen, Supermärkte wurden ausgeraubt und U-Bahn-Stationen komplett vernichtet. Und dies nur wegen 30 Chilenische Pesos (CLP) mehr? Nein, für die Leute geht es hier um mehr. Es geht um Chancengleichheit, die 30 CLP waren nur der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte. Die Polizei reagierte auf die Proteste mit Gewalt. Es flogen Tränengasbomben und es wurde mit Gummigeschosse auf Protestanten geschossen. Doch das brachte nur noch mehr Leute auf die Straße, so dass Sebastian Piñera, der Präsident von Chile, den nationalen Notstand ausrief. Somit kam das Militär auf die Straße, was Ausgangssperren führte. In meinem Viertel war es ruhig, doch tagsüber hörte man Schüsse und man sah Rauch über der Stadt. Durch das Militär verschlechterte sich die Situation und schon bald glich die Stadt einem Krisengebiet. Rotary verbot uns eine Woche lang das Haus zu verlassen, da es zu gefährlich wurde. Täglich flogen Militär- und Polizeihubschrauber über mein Haus. Als ich dann wieder in die Schule durfte, ging der Protest in der Schule weiter. Aus Sicherheitsgründen sollten wir Austauschschüler uns von den Demonstrationen fernhalten. Nach einem Monat beruhigte sich die Situation ein bisschen. Es gab weiterhin kleiner Proteste und Barrikaden und brennende Autos, aber nicht überall. Dennoch merkt man es. Wenn man sich nur einem Protest auf 1 km nähert, kann man schon die Auswirkungen des Tränengases spüren. Sichtbar sind die Schäden noch lange, ausgebrannte Autos, zerstörte Ampeln an Kreuzungen, Verkehrschaos. Der Nahverkehr ist quasi zum Erliegen gekommen und wenn man doch mal die Mikro (so heißt das Bussystem hier) nehmen will, muss man häufig eine Stunde oder länger warten und die U-Bahn fährt auch nur zu gewissen Stationen. Die örtlichen Ministerien gehen davon aus, dass es noch eine lange Zeit dauern wird bis alle Linien und Stationen wiederhergestellt sind. In meinem Viertel selber ist es lang nicht so gefährlich, wie in anderen Vierteln der Stadt, Dennoch gab es auch hier kleinere Proteste. Rotary war aber sehr besorgt und kümmerte sich sehr um uns Austauschschüler.

Nach diesen aufregenden Tagen ging es für mich in die Atacama-Wüste. Eine unglaublich schöne Landschaft! Diese Reise war auf jeden Fall ein Highlight dieses Jahres. Drei Wochen danach wechselte ich zum ersten Mal meine Familie und durfte mich komplett neu eingewöhnen. Alles und hat mir beim Eingewöhnen sehr dabei geholfen. Sie sind sehr aktiv, gehen sehr oft essen oder halten auch sehr gerne Partys in ihrem Haus ab, so dass es vorkommt, dass man mal um 5 Uhr morgens ins Bett geht. Meine Eltern sind zudem sehr entspannt, was Freunde und Partys angeht. Ich durfte zum Beispiel ein sehr großen Asado (BBQ) in ihrem Haus abhalten ohne Erwachsene. Mitte Dezember fand dann die zweite Reise statt. Es ging nach Patagonien, nach Punta Arenas. Endlich wieder grüne Wiesen und Berge und Regen, den es übrigens das ganze Jahr über in Santiago nicht gibt. Der Aufenthalt war diesmal sehr sportlich. Wir wanderten 10 Stunden bis zum Fuße der Torres del Paine, das sind die drei Bergspitzen, die weltberühmt sind und durch die UNESCO geschützt sind. Wir verbrachten einen ganzen Tag nahe an einem Gletscher.

Nun geht es auf Weihnachten zu. Ich bin ehrlich gesagt nicht gerade in Weihnachtsstimmung, da hier 40°C herrschen. In meiner Familie wird Weihnachten am Abend und in der Nacht vom 24.Dezember gefeiert. Einen echten Weihnachtsbaum gibt es nicht. Ein weiterer Unterschied ist, dass hier sehr viel Glitzer und kitschiger Weihnachtsschmuck herumsteht wie Rentiere oder Weihnachtsmänner überall und in allen Formen. Den Großteil der drei Monate Ferien werde ich am Strand von Coquimbo verbringen, somit auch Silvester. Danach werden wir noch viele verlängerte Wochenenden in den verschiedenen Städten in Chile verbringen.

Den neuen Outbounds möchte ich mitteilen, dass es wichtig ist, sich einheimische Freunde in der Schule oder außerhalb zu suchen und nicht nur die Austauschschüler aus deinem Club. Das erleichtert das Erlernen der Sprache. Außerdem lernt man die Kultur besser kennen als durch die anderen Austauschschüler. Neben diesem Tipp möchte ich noch darauf hinweisen, wie wichtig es ist, vorher einen Grundkurs in der Sprache zu belegen. In meiner persönlichen Umgebung spricht hier keiner richtig Englisch. Es hilft also, Freunde zu finden und Kontakte zu knüpfen. Und traut euch selbst zu sprechen! Wenn etwas falsch ist, werden deine Freunde dir helfen und dich verbessern. Dennoch es gibt Phasen, in denen es einem sehr schlecht geht, da man alleine ohne seine Familie ist. Aber auch diese Phasen gehen vorbei, meistens sind es nur einzelne Tage. Aber lasst euer Jahr auf jeden Fall nicht durch solche Phasen zerstören, denn es ist euer Jahr. Ihr habt das Sagen über das, was passiert in diesem Jahr. Also nutzt es aus bis zur letzten Sekunde und genießt es. Lasst euch nicht unterkriegen! Ihr seid die Könige in diesem Jahr. Ihr entscheidet. Ihr bestimmt, wie es verläuft. Also lasst euch das nicht nehmen.

P.S: Für die Leute, die nach Chile wollen: Ich kann euch versichern und auch versprechen, dass euch nichts passieren wird. Also traut euch! Es lohnt sich. Auch wenn die Medien in Deutschland vielleicht nicht gerade Gutes über die Situation berichten, kann ich bestätigen, dass Rotary alles versucht euch in Sicherheit zu halten. Natürlich ist es klug, sich von großen öffentlichen Plätzen fernzuhalten. Dennoch haben wir alle Möglichkeiten, um uns zu treffen. Also lasst euch nicht verunsichern: Das geht alles vorbei und CHILE ist das beste Land in Südamerika.

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